Dr. Norden Staffel 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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Diesmal antwortete Else nicht ganz so schnell. Sie maß ihr Gegenüber mit einem forschenden Blick. Blitzschnell registrierte sie jedes noch so kleine Detail: Die blank geputzten Lederschuhe, die modischen Khakis, zu denen Otto ein makellos weißes Hemd mit geöffnetem Kragen trug. Zum Schutz vor dem kühlen Wind, der immer wieder um die Häuser strich, trug er einen Feinstrickpullover über den Schultern. Sein ganzes Äußeres machte den Eindruck eines gepflegten, gut situierten Mannes im besten Alter. Kurzum: Otto Holtz war genau das, wonach Else schon so lange gesucht hatte.
»Kaffee ist natürlich sehr schön«, raunte sie ihm zu und beugte sich vor, sodass er ihr betörendes teures Parfum riechen konnte. »Aber ehrlich gesagt steht mir der Sinn im Augenblick mehr nach Champagner.«
Nur mit Mühe konnte sich Otto ein amüsiertes Schmunzeln verkneifen.
»Dann eben Champagner. Ihr Wunsch ist mir Befehl«, erwiderte er und reichte ihr galant den Arm. »Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob in einer Klinik-Cafeteria Alkohol ausgeschenkt wird.«
»Ich bitte Sie!« Else maß ihren Begleiter mit einem herausfordernden Blick und versuchte, das Humpeln so gut wie möglich zu unterdrücken. »Sie sind doch ein ganzer Kerl, der bekommt, was er will. Das sehe ich auf den ersten Blick.«
»Sie sind eine gute Menschenkennerin.« Otto Holtz schickte ihr einen ebenso geschmeichelten wie besorgten Seitenblick. »Sie sollen also auch am Knie operiert werden? Wollen Sie mir verraten, was genau Ihnen fehlt?«
»Gar nichts!«, entfuhr es Else Unterholzner schroffer als beabsichtigt. Inzwischen waren sie in der klinikeigenen Cafeteria angelangt. Bereitwillig ließ sie sich von ihrem Begleiter einen Stuhl zurecht rücken. »Diese Ärzte sind doch nur Kurpfuscher und wollen mit uns Privatpatienten möglichst viel Geld machen.« Wieder beugte sie sich vor und fuhr fast flüsternd fort. »Deshalb brauche ich den Champagner. Ich muss mir Mut antrinken, damit ich heute Abend die Flucht wagen kann. Wollen Sie mir helfen?«
Otto Holtz haderte mit sich. Bevor er Else Unterholzner persönlich kennengelernt hatte, war sie nur eine schöne, begehrenswerte Frau gewesen. Doch nun hatte sich seine Begeisterung ins schier Unermessliche gesteigert und paarte sich mit der Angst um ihre Gesundheit.
»Tut mir leid, wenn ich Sie enttäuschen muss. Aber das kann ich nicht.«
Mit dieser klaren Absage hatte Else nicht gerechnet. Einen Moment lang saß sie da und schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen.
»Warum?«, presste sie schließlich durch die Lippen.
Otto zögerte kurz. Dann griff er nach ihren Händen und zog sie zu sich. Er betrachtete sie kurz, ehe er einen Kuss auf die beiden Handrücken hauchte. Dabei ließ er sie nicht aus den Augen. Dieser Blick ließ Elses Herz schneller schlagen, und plötzlich fühlte sie sich wie ein Teenager.
»Ich verstehe das nicht. Auf der einen Seite sind Sie so eine mutige und selbstsichere Frau«, sagte er warm. »Und auf der anderen Seite haben Sie so viel Angst vor einer Operation. Dabei mag ich mutige Frauen.«
Else schluckte. Etwas an ihm traf ihr Innerstes, ohne dass sie hätte sagen können, was genau das war.
»Wirklich?«
»Natürlich. Welcher Mann mag das nicht?«, fragte Otto. Else hatte ihn tatsächlich richtig eingeschätzt. Er war ein Mann, der wusste, was er wollte, und der danach handelte. »Wenn Sie sich operieren lassen, dürfen Sie mich nach meiner Nummer fragen. Eher nicht. Und jetzt hole ich uns ein Glas Champagner.«
Dieses Unterfangen war leichter in die Tat umzusetzen als geahnt. Immer wieder gab es Grund zu feiern und daher auch Champagner in der Cafeteria. Doch als Otto Holtz an den Tisch zurückkehrte, war Elses Stuhl leer. Ein weiteres Mal hatte sie die Flucht ergriffen, dabei jedoch den Strauß mitgenommen. Auch wenn er enttäuscht war, wertete Otto Holtz zumindest diese Tatsache als gutes Zeichen. Die beiden Gläser in der Hand sah er sich fragend um. Als er ein Paar entdeckte, das in ein Gespräch vertieft an einem der benachbarten Tische saß, lud er die beiden kurzerhand ein. Gleich darauf machte er sich auf den Nachhauseweg, nichtahnend, dass Else ihn von einem sicheren Versteck hinter einer Säule beobachtete.
*
»Wenn ich nicht ganz genau wüsste, dass du dem Tod erst vor ein paar Tagen von der Schippe gesprungen bist, würde ich es nicht glauben.« Staunend stand Danny Norden vor seiner Mutter und betrachtete sie mit einer Mischung aus tiefer Bewunderung und professionellem Interesse. »Wie hast du das nur angestellt?« Er sah sich nach einem Stuhl um und setzte sich ahnungslos genau dorthin, wo seine Freundin noch vor kurzem gesessen hatte.
Fee lachte ausgelassen. Die meisten Krusten hatten sich von ihren Lippen gelöst, und nur noch vereinzelt waren Spuren der verheerenden Krankheit zu sehen.
»Wahrscheinlich liegt es an meinem unruhigen Geist und daran, dass ich das Gefühl habe, dringend gebraucht zu werden«, gestand sie offenherzig und hoffte darauf, ihrem Sohn damit den Weg zu ebnen. Als Danny aber nichts sagte, fuhr sie fort. »Deshalb muss ich so schnell wie möglich wieder fit werden.« Ihr forschender Blick ruhte auf ihrem ältesten Sohn. Der saß inzwischen vornübergebeugt auf dem Stuhl, die Ellegoben auf dem Oberschenkel abgestützt.
»Das ist eine mögliche Erklärung«, gab er ihr recht, wirkte dabei aber alles andere als glücklich. »Du ahnst nicht, wie gut es tut, dich so zu sehen!«, seufzte er ungewöhnlich innig. »Im Übrigen brauche ich deine Unterstützung.«
Sofort hatte Fee Tatjana im Sinn. Doch Danny überraschte sie mit einem anderen Thema.
»Du bist doch fast fertig mit deinem Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Da kennst du dich sicher auch mit älteren Herrschaften aus, oder?«
»Das kommt natürlich ganz darauf an.« Sofort war Fees berufliches Interesse geweckt, und sie rutschte unruhig im Bett hin und her. »Um was genau geht es denn?«
Die eben erlebte Szene noch deutlich vor Augen, berichtete Danny in lebhaften Worten von dem, was er mit Ditte und Else erlebt hatte.
»Nicht nur, dass die beiden sich offenbar schon ein halbes Leben lang kennen und hassen, hat Else auch noch Angst vor einer wichtigen Operation«, schloss er seinen Bericht nachdenklich. »Ich glaube, eine Versöhnung der beiden ist immens wichtig für alles, was weiter passiert.«
Unwillkürlich musste Felicitas lächeln.
»Weißt du eigentlich, dass du mich in vielerlei Hinsicht an deinen Vater erinnerst? Für Dan liegt die Heilung auch nicht ausschließlich in den körperlichen Symptomen, sondern auch in der Seele. So gesehen hast du also recht: Wenn Else und Ditte wirklich gesund werden wollen, müssen sie ihr Verhältnis klären.«
»Glaubst du, du kannst ihnen dabei helfen?«, fragte Danny und schickte ihr einen hoffnungsvollen Blick.
Nachdenklich wiegte Felicitas den Kopf hin und her.
»Versprechen kann ich natürlich nichts. Aber vielleicht gelingt es mir wenigstens, Else die Angst vor dem Eingriff zu nehmen. Das wäre ja schon mal die halbe Miete.«
»Stimmt.« Danny nickte zustimmen.
Im Grunde hätte er jetzt fröhlicher sein können. Doch es war ihm anzusehen, dass dieses Problem nicht sein einziges war. Eine Weile saß er schweigend vor dem Bett seiner Mutter und knibbelte an einem kleinen Stück