Der Landdoktor Staffel 1 – Arztroman. Christine von Bergen
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»Auf einen schönen Abend«, sagte Torsten. Dabei sprühten seine dunklen Augen wieder Funken, und Amelie fühlte sich auf Anhieb wieder in seinen Bann gezogen. Freude erfüllte sie, eine Freude, wie sie sie lange nicht mehr gespürt hatte. Ein warmes herrliches Gefühl, das ihr Herz schneller antrieb. Verwirrend.
»Machst du Urlaub hier?«, fragte sie, um die Spannung, die wieder zwischen ihnen in der Luft lag, ein wenig abzumildern. Sie machte sie ganz nervös.
Er schüttelte verneinend den Kopf. »Beruflich.«
Sie hob die Brauen.
»Ich bin Bauingenieur. Brückenbauingenieur. Die Firma, für die ich arbeite, saniert die Trollenschluchtbrücke.«
Was bedeutete, dass er nach Beendigung der Arbeiten an der Brücke wieder weggehen würde.
»Woher kommst du?«, erkundigte sie sich mit einer seltsamen Regung im Herzen.
»Frankfurt am Main.« Er drehte den Bierkrug auf dem Deckel, während er nach draußen in die Dämmerung sah. »Aber eigentlich bin ich überall und nirgends zu Hause. Zumindest, seit ich berufstätig bin.«
»Was meinst du damit?«
Seine Worte hatten so wehmütig geklungen.
»Die Firma baut in der ganzen Welt. Dadurch bin ich oft über viele Monate im Ausland. Meine Wohnung in Frankfurt ist eigentlich nur eine Zwischenstation, um mal wieder die Wäsche zu wechseln.«
»Wo warst du denn schon überall?«
Das klang ja spannend. Sie interessierte sich für ferne Länder und andere Kontinente.
Er erzählte ihr von seinem Wanderleben, und sie hörte staunend zu. Schließlich lächelte sie bedauernd.
»Ich bin bisher aus dem Schwarzwald nicht heraus gekommen.« Sie rückte auf die Stuhlkante. »Ich würde auch gern so viel reisen. Andere Kulturen kennenlernen, andere Menschen, Sitten und Gebräuche.« Als sie seinen skeptischen Gesichtsausdruck sah, fügte sie hinzu: »Natürlich möchte ich später wieder hierher zurückkommen. Mir gefällt es hier ja. Aber vorher würde ich gern ein bisschen von der Welt kennenlernen, wovon ich dann später meinen Kindern erzählen kann.«
Er nahm einen tiefen Schluck, wischte sich mit dem Handrücken den Schaum vom Mund und sagte ernst: »Ich habe vor, mich in zwei Jahren mit einem Ingenieurbüro selbstständig zu machen. Bis dahin muss ich genug verdient haben, um mir das leisten zu können. Dann lass ich Brücken bauen«, fügte er zwinkernd hinzu. Er fasste sie ins Auge. »Was machst du eigentlich beruflich?«
»Als ich mit meiner Hauswirtschaftslehre fertig war, suchte Jonas eine Haushälterin. Und da wir wie Bruder und Schwester sind, stand für mich außer Frage, sein Angebot anzunehmen, zumal das Hotel meine Heimat ist.« Auf seinen verständnislosen Blick hin erklärte sie ihm: »Meine Eltern sind vor Jahren bei einem Autounfall gestorben. Die Schwester meiner Mutter, also Jonas’´ Mutter, hat mich aufgenommen und seither habe ich einen großen Bruder namens Jonas«, fügte sie mit versonnenem Lächeln hinzu. »Er war nie eifersüchtig auf mich, was ja durchaus hätte sein können. Im Gegenteil, er hat mich vor allen und allem beschützt. Einmal hat er mir sogar das Leben gerettet, als ich in unserem See fast untergegangen wäre, weil ich einen Krampf im Bein bekommen habe.«
»Ich bin ohne Geschwister aufgewachsen«, sagte Torsten.
»Und deine Eltern?«
»Die sind noch putzmunter und leben in Frankfurt.«
»Meine Tante und mein Onkel sind vor zwei Jahren nach Meran gezogen, nachdem sie Jonas das Hotel übergeben haben.«
»Ist dein Vetter verheiratet?«
Schien es ihr nur so, dass Torstens Blick einen wachsamen Ausdruck bekam?
Kurz und knapp schilderte sie ihm, was vor Kurzem passiert war.
»Die armen Zwillingen«, sagte er mit betroffener Miene. »Aber wenn sie an ihrem Vater sowieso mehr hängen als an ihrer Mutter, werden sie mit viel Liebe diese Veränderung bestimmt verkraften. Und dein Vetter wird auch irgendwann über diese Trennung hinwegkommen. Wir Männer stürzen uns dann meistens in die Arbeit, die uns vergessen lässt.«
»So macht er’s auch.«
Während des Essens wechselten sie das Thema. Beide hatten das Gefühl, sich schon seit vielen Jahren zu kennen. Zwischen ihnen schien es ein unsichtbares Gespinst zu geben, das sie insgeheim miteinander verband. Ein paarmal berührten sich ihre Hände auf dem Tisch, wenn sie in den Brotkorb griffen oder nach der Zuckerdose. Dann fühlten sich ihre Berührungen an, als würden sie beide unter einer starken unerklärlichen Energie stehen. Mit fortschreitendem Abend spürte Amelie eine berauschende Leichtigkeit in sich. Torstens Erzählungen von den Ländern, in denen er Brücken gebaut hatte, seine Stimme, seine Gesten, die seine Worte begleiteten, nahm sie mit allen Sinnen auf. Die Zeit verrann. Dabei machte ihr jede neue Sekunde bewusst, dass sie gerade dabei war, eine andere Welt zu betreten. Torstens Welt.
Und kurz vor Mitternacht wusste sie, dass sie sich unsterblich in diesen Mann verliebt hatte.
So verging der Abend, und die beiden bemerkten gar nicht, wie sich die Tische um sie herum leerten. Schließlich beglich Torsten die Rechnung, und sie traten in die Nacht hinaus. Über ihnen stand ein funkelnder Sternenhimmel, wie für sie bestellt.
»Gehen wir noch ein paar Schritte«, schlug Torsten vor.
Dicht nebeneinander schlenderten sie über den schmalen Wiesenweg, der an der Steinache vorbeiführte, deren leise gurgelndes Wasser nach der Hitze des Tages eine angenehme Kühle verströmte. Zu dieser Stunde schienen sie die einzigen Menschen auf der Welt zu sein. Amelie empfand die körperliche Nähe zu dem Mann an ihrer Seite als vertraut und verwirrend zugleich. Hin und wieder berührten sich ihre Arme. Sie spürte die Wärme von Torstens Körper durch den Ärmel seines Jacketts, und mit jedem Schritt steigerte sich ihr Bedürfnis, ihn zu berühren, bis ins fast Schmerzliche.
Torsten blieb als Erster stehen. Er drehte sich zu ihr um, legte die Hände auf ihre Schultern und sah ihr drei Herzschläge lang in die Augen. Dann bewegten sich ihre Gesichter wie von selbst aufeinander zu. Mit geschlossenen Augen sehnte sie seinen Kuss herbei. Sie fühlte seine warmen Hände, die ihr Gesicht wie eine Kostbarkeit umschlossen, spürte seinen Atem, der ihre Haut streichelte, seinen Finger, der sich mit sanftem Druck auf ihren Lippen legte. Und als sie endlich seinen Kuss empfing und ihn genauso innig erwiderte, wusste sie, dass sie in diesem Augenblick eine Schwelle überschritt, von der es kein Zurück mehr in ihr altes Leben geben würde. Dieser Mann war ihr Schicksal.
Als die beiden schließlich eng umschlungen zu ihren Autos zurückgingen, funkelten im scheidenden Mondlicht die Tautropfen auf den Grashalmen wie ein Meer aus Tränen. Doch Amelie und Torsten sahen sie nicht. Sie hatten nur Augen für das schwache Frührot, das im Osten zündelte, immer stärker zu flammen begann und einen wunderschönen neuen Tag versprach.
Amelie ging wie auf Wolken. Alle paar Stunden telefonierte sie mit Torsten und tauschte mit ihm all die Worte aus, die sich Liebende sagten. Die Abende verbrachten sie zusammen. Zu Amelies Verwunderung ging Jonas zusammen mit den Zwillingen zu Bett, was sie als Zeichen dafür deutete, dass es ihm gesundheitlich schlechter gehen musste. Sein Verhalten beunruhigte sie nicht nur, sondern bereitete ihr zudem auch ein schlechtes Gewissen. Sie fühlte sich überglücklich –, und ihr Vetter empfand genau das Gegenteil. Deshalb erzählte sie ihm auch