Der Landdoktor Staffel 1 – Arztroman. Christine von Bergen
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»Brückenbauarbeiten«, informierte sie der Grauhaarige. »Hier geht’s zurzeit nur einspurig drüber.«
Da kamen ihr aus der Gegenrichtung auch schon zwei Autos entgegen. Sie wartete.
Da sah sie ihn, den sympathischen Mann, der sich auf dem Praxisparkplatz in ihre frei gewordene Lücke gesetzt hatte. Er trug einen Schutzhelm auf dem Kopf, ein kariertes Hemd, Jeans und gab den Arbeitern Anweisungen. Bis jetzt hatte er sie noch nicht entdeckt.
Falls er sich überhaupt an meinen Wagen oder mein Gesicht erinnern sollte, gab sie dem aufkommenden Gefühl von freudiger Überraschung einen Dämpfer.
»Sie können weiter«, rief ihr nun der Mann mit der Kelle zu.
Langsam fuhr sie an. Unweigerlich musste sie an den Brückenbauarbeitern vorbei. Und das im Schritttempo, da die Fahrbahn aufgerissen war.
Als hätte der Fremde ihre Nähe gespürt, drehte er sich jetzt um. Sie entdeckte ein erkennendes Aufleuchten in seinen Zügen. Er stand nur zwei Schritte von ihrem Wagen entfernt. Durch das geöffnete Wagenfenster hätte sie ihn mit der Hand berühren können. Sie hielt an. Sie konnte gar nicht anders.
»Da sind Sie ja wieder«, rief er mit diesem Lächeln, das sie aufs Neue in seinen Bann zog, gegen die ratternden Maschinen an.
»Ich wusste gar nicht, dass hier gebaut wird«, entgegnete sie erstaunt mit erhobener Stimme, damit er sie verstand.
»Nur noch ungefähr eine Woche lang, dann ist die Brücke wieder in Ordnung.«
Sie nickte. Was sollte sie auch sagen? Blitzartig wurde ihr klar, was er in der Gegend machte. Er gehörte zu der Firma, die die Brückenbauarbeiten durchführte. Was bedeutete, dass er in einer Woche wahrscheinlich gar nicht mehr hier sein würde. Bei diesem Gedanken beschlich sie ein Gefühl von Bedauern. Das Gefühl, gerade an etwas Schönem, Unwiderbringlichem vorbeizufahren.
Die Kinder, machte sie sich bewusst.
Sie hob die Hand zum Abschied und ließ den Wagen anrollen.
»Beim dritten Mal gebe ich Einen aus«, rief er ihr nach.
Sie winkte aus dem Fenster.
Wahrscheinlich wird es kein drittes Mal mehr geben, dachte sie mit klopfendem Herzen.
Als Amelie mit den Zwillingen Kim und Tim auf dem Nachhauseweg war, überstürzten sich ihre Gedanken.
Britta war stets viel unterwegs gewesen, doch jetzt würde sie überhaupt nicht mehr wiederkommen. Wie würden die beiden darauf reagieren? Noch plapperten sie munter und fröhlich hinter ihr auf den Kindersitzen, ohne zu ahnen, dass fortan nichts mehr so sein würde, wie es gewesen war.
Zwischen diesen Überlegungen sah sie immer wieder das Gesicht des Mannes von der Trollenschluchtbrücke im Geiste vor sich. Diese dunklen, lebendig blitzenden Augen, den Mund, der so anziehend lächelte und der bestimmt sehr gut küssen konnte.
Diese Tagträume erfuhren jedoch ein jähes Ende, als sie mit den Zwillingen nach Hause kam.
Wie so oft im Leben, hatte sich zu dem einen Unglück auch sogleich noch ein zweites gesellt.
Als sie das Essen für Kim und Tim zubereitete, teilte ihr Jonas am Telefon mit, dass der Küchenchef sich so schwer an der Hand verletzt hatte, dass er für die nächste Woche ausfiel. Ihr Vetter, ein gelernter Koch, musste sich nun neben der Leitung des Hotels auch noch um dessen Aufgabenbereich kümmern. Diese zusätzliche Arbeit mochte Jonas zwar zunächst von seinen privaten Problemen ablenken, würde jedoch noch mehr an seiner ohnehin schon angeschlagenen Gesundheit nagen.
Amelie wurde das Herz so schwer, dass sie das Mittagessen für sich ausfallen ließ. Ihr war der Appetit gründlich vergangen. Und an den Mann von der Brücke dachte sie auch nicht mehr.
In den nächsten Tagen ließ sich Jonas bei den Mahlzeiten mit seinen Kindern nicht mehr blicken. Nach getaner Arbeit zog er sich in sein Büro im Hotel zurück, wo er auch übernachtete. Das eheliche Schlafzimmer betrat er nur noch zum Umziehen. Nur im Umgang mit den Gästen und dem Personal zeigte er noch einen Anflug seines Charmes, der die Menschen für ihn einnahm.
Amelie kümmerte sich nicht nur um den Haushalt und die beiden Zwillinge, sondern übernahm auch zusätzlich manche Aufgabe im Hotel, die bisher in Jonas’´ Bereich gehört hatte. Sie empfand tiefes Mitleid mit ihm. Kim und Tim, die fünfjährigen Jungen, fragten zunächst kaum nach ihrer Mutter. Sie wussten ja nichts anderes, als dass Britta wieder hatte auf Reise gehen wollen. Die Anwesenheit ihres Vaters dagegen vermissten sie.
»Papa muss zurzeit mehr arbeiten als sonst«, gab Amelie ihnen stets zur Antwort. »Ich spiele mit euch.«
So kam es, dass die junge Frau noch weniger Zeit für sich selbst hatte als schon vorher.
Eine Woche, nachdem Britta Wiesler ihre Familie verlassen hatte, musste Amelie ein paar Erledigungen in Ruhweiler und im nahe gelegenen Einkaufspark machen. Nur ganz kurz überlegte sie, ob sie wieder die Abkürzung über die Trollenschluchtbrücke nehmen sollte. Dann schüttelte sie den Kopf. Die Gedanken an den Fremden waren durch die viele Arbeit weniger geworden. Was sollte es bringen, ihn wiederzusehen?
Als sie aus der Post heraustrat, blieb sie abrupt stehen.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite ging ein Mann, den sie auf den ersten Blick erkannte. Schwarzes Haar, groß, breit in den Schultern, hemdsärmelig und sportlich sah er aus in der kakifarbenen Hose, dem passenden Hemd und den Wanderstiefeln, in denen er leicht hinkte. Er schien in Eile zu sein, und in Gedanken, denn er hielt den Kopf gesenkt.
Amelie hielt den Atem an. Fast war sie versucht, auf sich aufmerksam zu machen, zu rufen oder die Straße zu überqueren. Doch letztendlich zögerte sie.
Lass es lieber, riet ihr der Verstand, wobei ihr dummes Herz vor Protest laut hämmerte. Dann war es sowieso zu spät. Der Mann von der Trollenschluchtbrücke verschwand um die Ecke. Sie wertete dies als Zeichen. Was hatte sie mit ihm zu tun? Nur ein paar Worte hatten sie bisher miteinander gewechselt. So etwas kam am Tag zig Mal unter den Menschen vor, auf der ganzen Welt. Worte, die nichts zu bedeuten hatten. Und dennoch … Sie hatte in den vergangenen Tagen immer wieder an diesen Mann denken müssen. Trotz der Situation, in die Brittas Trennung sie alle gestürzt hatte. Oder vielleicht gerade deswegen? Weil sie dessen ungeachtet immer noch an die wahre Liebe glaubte? Wie oft hatte sie die dunklen sprühenden Männeraugen vor sich gesehen, die Lebendigkeit und einen wachen Geist verrieten, das energische Kinn, das so männlich wirkte. In Erinnerung hatte sie immer wieder seine Stimme gehört, rau und samtig zugleich. All das verlieh diesem Mann eine Ausstrahlung, die sie faszinierte.
Jetzt ist aber gut, sagte sie sich, während sie entschlossen die Treppe hinunterging. Du bist einfach zu lange allein gewesen. Nur so konnte sie sich ihre Stimmung erklären.
Das Menschengewimmel in dem Einkaufszentrum holte Amelie schnell ins Hier und Jetzt zurück. Sie arbeitete ihre Liste ab, wartete in der Schlange vor der Kasse und schob den hoch beladenen Einkaufswagen zurück zu ihrem Auto.
»Darf ich Ihnen helfen?«
Die Stimme in ihrem Rücken ließ sie zusammenzucken. Rau und samtig zugleich klang sie.
Nein,