Der Landdoktor Staffel 1 – Arztroman. Christine von Bergen

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Der Landdoktor Staffel 1 – Arztroman - Christine von Bergen Der Landdoktor Staffel

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Thomas«, bestärkte er den jungen Mann in seinem Vorschlag.

      Sophie nickte nur stumm.

      Die beiden Männer stützten sie. Thomas, der sich die Kamera um den Hals gehängt hatte, öffnete die Beifahrertür, fuhr den Sitz zurück und half Sophie, sich zu setzen. Er nahm auf der Rückbank Platz.

      Dann ging’s los in Richtung Wanderparkplatz.

      *

      Aus Karlsruhe kam sie also, dachte Thomas, während er in Sophies rotem Kleinwagen hinter dem Doktorauto her fuhr.

      Immer wieder ließ er einen forschenden Blick über das Armaturenbrett schweifen, um irgendwo einen Hinweis auf Sophies Person, ihr Leben zu erhaschen. Doch der Wagen war blitzblank, aufgeräumt und so schmucklos wie ein Leihwagen.

      Während er auf dem Praxisparkplatz wartete, untersagte er sich, seiner Neugier nachzugeben und ins Handschuhfach zu schauen. Nein, er wollte nicht in ihr Leben dringen, ohne dass sie es ihm erlaubte. Um sich abzulenken, ließ er den Blick über den Schwarzwaldhof schweifen, unter dessen tief herunter gezogenem Dach Dr. Brunner mit seiner Frau wohnte und praktizierte.

      Der Hof stammte aus dem achtzehnten Jahrhundert. Die Vorfahren des Arztes hatten hier einst Landwirtschaft betrieben. Doch das Alter sah man ihm nicht an. Vor den Fenstern prangten rosafarbene Geranien, die Fensterstöcke waren weiß gestrichen, die Holztüren und Läden kunstvoll restauriert, der Garten gepflegt und der gepflasterte Parkplatz sauber gefegt. Das Anwesen lag auf einem Hügel mit Blick übers Tal. Die untergehende Sonne tauchte es in ein sanftes Licht. Sie ließ die Farben ringsherum noch intensiver leuchten als am Tag. Das Gelb der Butterblumen am Wegesrand, das Grün der Wiesen, das Türkisblau des Himmels über den bewaldeten Hügeln … Diese einmalige Lage der Schwarzwaldpraxis mochte dazu beitragen, dass Patienten aus der ganzen Umgebung hierhinkamen, überlegte Thomas. Die landschaftliche Idylle nahm vielen Leuten die Angst vor einem Arztbesuch, den die meisten mit einer sterilen Atmosphäre verbanden, in der der Mensch nur eine Nummer, einen Fall darstellte. Dr. Brunner dagegen entsprach noch ganz dem Bild eines Landarztes, den man von früher kannte, den sich jeder wünschte. Ein Mediziner, der den Menschen vor sich sah, den ganzen Menschen, Körper und Seele. Vielen Patienten war er im Laufe der Jahrzehnte zum Vertrauten geworden, manchen sogar zum Freund.

      Er drehte das Seitenfenster herunter.

      Die Luft duftete nach Tannennadeln und dem schweren süßen Geruch von frisch geschnittenem Gras.

      Mit geschlossenen Lidern lehnte er sich zurück.

      Vor seinem inneren Auge tauchte das Gesicht der Frau auf, die er gerade einmal vor einer halben Stunde kennengelernt hatte. Dennoch glaubte er, sie schon viel länger zu kennen.

      »Sophie.« Er ließ ihren Namen auf der Zunge zergehen. Dabei floss eine heiße Welle durch ihn. Ein Gefühl, das er nicht kannte, das er noch nie zuvor gespürt hatte. Ein Gefühl, das in den Zehenspitzen begann, seinen ganzen Körper erfasste und ihm die Brust groß und weit machte. Welch ein Geschöpf! Er kannte viele hübsche Frauen, aber diese war etwas Besonderes. Sie besaß eine innere Schönheit, etwas Edles, Stolzes, was ihn noch viel mehr reizte als ihr Gesicht.

      Ein Klopfen an der Scheibe riss ihn aus seinen Gedanken.

      »Du kannst Frau Wittmer jetzt ins Hotel bringen«, sagte Dr. Brunner. »Vorher müsst ihr zur Apotheke fahren. Frau Wittmer braucht Salbe und Bandagen. Klopfe an der Hintertür. Ich rufe dort an und sage Bescheid, dass ihr kommt.«

      Sophie sah ihn fragend an. Ihr schien dieser Auftrag sichtlich unangenehm zu sein.

      »Klar, kein Problem«, versicherte er dem Landarzt.

      Je mehr Zeit er mit Sophie verbringen konnte an diesem Abend, desto besser.

      *

      Thomas besorgte in der Apotheke die notwendigen Sachen und fuhr dann zum Hotel. Dort half er Sophie aus dem Wagen. Er begleitete sie bis in den ersten Stock zu ihrer Zimmertür. Dort übergab er ihr ihren Autoschlüssel. Während der Fahrt hatten sie kaum miteinander gesprochen, was ihn ganz nervös gemacht hatte. Er kannte die schöne Frau noch zu wenig, um ihr Schweigen deuten zu können. Schmerzen hatte sie nicht, versicherte sie ihm. Dr. Brunner hatte ihr eine Spritze gegeben. Was ging in ihr vor? War ihr sein Angebot, sie zu chauffieren, zu aufdringlich gewesen? Nun standen sie hier auf dem langen Hotelflur. Allein. Verloren.

      Und jetzt?, fragte er sich, während sein Unbehagen sich sekündlich steigerte. Würde er sie wiedersehen?

      »Läufst du zurück?«, fragte Sophie mit ihrem weichen Lächeln, das müde – oder traurig? – wirkte.

      Er nickte. »Ich habe mein Pensum für heute noch nicht geschafft«, erwiderte er, wobei er seiner Stimme einen betont munteren Ton verlieh. Da sie wieder schwieg, mit dem Autoschlüssel spielte und mit leerem Blick den Flur hinuntersah, fügte er hinzu: »Unser Hof liegt etwa fünf Kilometer vom Hotel entfernt. Genau die richtige Laufstrecke für mich.«

      Sie sah zu ihm hoch, lächelte, schwieg.

      Wollte sie ihn loswerden und war nur zu höflich, dies auszusprechen?

      Er räusperte sich, straffte sich. »Wie lange bist du noch hier?«

      »Fünf Tage. Vorgestern bin ich angekommen.«

      »Na ja, in fünf Tagen wird der Fuß wieder gesund sein«, meinte er leichthin – und schalt sich, weil er solchen Blödsinn redete.

      Normalerweise hatte er doch kein Problem, mit Frauen umzugehen. Aber bisher hatte es ihm auch keine so schwer gemacht wie Sophie. Einerseits signalisierte sie ihm, dass die Anziehung durchaus beidseitig bestand; andererseits zog sie sich wie eine Schnecke in ihr Haus zurück. Völlig unkalkulierbar. Dieses Verhalten konnte nichts mit ihm zu tun haben. Vielleicht war sie ja gebunden. Genau! Daran hatte er noch gar nicht gedacht. Eine solche Frau lief wohl kaum solo durch die Gegend. Das war’s. Sie hatte einen festen Freund. Einen Verlobten. Womöglich sogar Mann und Kinder.

      Völlig ernüchtert ließ er die Schultern fallen.

      Okay. Wäre ja auch zu schön gewesen.

      »Schade«, sagte sie. »Jetzt kann ich die Gegend nur vom Balkon aus betrachten.«

      Er hob den Kopf. Sie wirkte auf ihn so traurig, so hoffnungslos, als würde ihr letzter und innigster Wunsch in diesem Leben unerfüllt bleiben.

      »Ich könnte sie dir zeigen, die Gegend. Im Auto.« Er hielt den Atem an.

      Würde er jetzt eine Abfuhr erhalten?

      Sie zögerte. Ein paar Herzschläge. Doch dann sagte sie: »Mal sehen. Hättest du denn überhaupt Zeit?«

      »Ich kann mich frei machen. Am Wochenende arbeite ich ohnehin nicht.« Er hatte bereits erwähnt, dass er selbstständiger Uhrmachermeister war.

      Da sie immer noch einen unschlüssigen Eindruck machte, sagte er rasch, bevor sie ihm doch noch eine endgültige Absage geben würde: »Weißt du was? Ich rufe dich morgen mal im Hotel an. Es soll schönes Wetter geben. Vielleicht hast du ja Lust auf einen Ausflug in die Umgegend.«

      Erleichtert nahm er zur Kenntnis, dass sie lächelnd nickte.

      *

      Wiesen, Wälder und Hügel verschmolzen zusammen

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