Der Landdoktor Staffel 1 – Arztroman. Christine von Bergen
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Zwei Laternen streuten ihr weiches Licht auf die Terrasse des Doktorhauses. Ulrike Brunner und ihr Mann saßen nebeneinander und tranken Glottertaler Gewürztraminer. Unter dem Tisch lag Lump, der zufrieden schnarchte.
»Bist du mir böse, dass ich heute Abend die Patientin in der Praxis versorgt habe?«, fragte Matthias in das viel zu lange Schweigen zwischen ihnen hinein.
Ulrike sah ihn von der Seite an. »Nicht böse, nur besorgt.«
Er nahm ihre Hand und hielt sie fest. »Mach dir keine Gedanken. Ich habe alles im Griff. Immerhin habe ich mich den ganzen Nachmittag lang ausgeruht.«
Seine Frau streichelte ihm über die bereits raue Wange und schüttelte den Kopf.
»Ach, Matthias«, sagte sie leise. »Übertreibe es bitte nicht wieder mit deinem Arbeitseifer. Deinen Patienten tust du langfristig keinen Gefallen damit.«
»Ich weiß, ich weiß«, entgegnete er nur, trank einen Schluck und küsste sie auf die Wange. »Ich muss dir was erzählen«, wechselte er das Thema. »Thomas und die hübsche Blonde aus dem Schwarzwaldblick … Ich glaube, er hat sich in sie verguckt.«
»Wirklich?«, wunderte sich Ulrike. »Woher weißt du das?«
»Ich hab’s gespürt. Zumindest bei ihm.« Er lächelte versonnen. »Er strahlte so was aus. Ich kann ihn verstehen.«
»Bitte?« Ulrike rückte von ihm ab und maß ihn mit deutlich kühlerem Blick.
Er musste lachen.
Sie war also immer noch eifersüchtig zu machen. Das freute ihn.
»Nicht so, wie du denkst«, stellte er rasch richtig. »Ich meine nicht Frau Wittmer, sondern dieses Gefühl. Wenn einem das Herz ganz weit wird beim Anblick einer Frau, wenn es zu prickeln beginnt. So, wie es mir bei dir auch heute noch ergeht …« Er suchte ihren Blick, dessen Ausdruck sofort wieder weicher wurde. »Komm mal her zu mir«, raunte er, während er sie an sich zog.
Er lehnte sich zurück, bettete ihren blonden Lockenkopf auf seine Brust und streichelte ihr Haar. Dabei blickte er voller Dankbarkeit hinauf zum Himmel. »Das war ein guter Tag.«
»Fühlst du dich nicht überfordert?«
»Im Gegenteil. Ich fühle mich wie neugeboren.«
»Dann bin ich auch zufrieden«, flüsterte sie und schlang ihren Arm fester um seine Mitte, die schon wieder ein wenig an Umfang gewonnen hatte.
So blieben sie eine Weile sitzen, lauschten dem Gurgeln des Bächleins, das an ihrem Hof vorbei lief, dem Ruf einer Eule in den Tannen und atmeten die würzig riechende Nachtluft tief in sich ein.
»Weißt du, ich finde es eigentlich gut, dass du wieder arbeitest«, gestand Ulrike ihm schließlich.
»Wusste ich’s doch.«
»Jetzt muss ich kein schlechtes Gewissen mehr haben, wenn ich zu den Gemeinderatssitzungen gehe oder auf Ausstellungen oder sonst wohin.«
Er nickte.
Er verstand genau, was sie meinte. Sie hatte ihre eigenen Interessen lange in den Hintergrund gestellt, um ihm seine Situation zu erleichtern. Um seinen Hunger auf Leben, auf seine Arbeit nicht noch mehr zu steigern.
»Dann habe ich bis jetzt doch alles richtig gemacht«, erwiderte er zärtlich und küsste sie aufs Haar.
*
An diesem Abend gab es noch jemanden in Ruhweiler, der sinnierend hoch zu dem filigranen Schmuck aus glitzernden Kristallen am Himmel sah: Sophie.
Sie konnte nicht schlafen. Nicht wegen ihrer Schmerzen im Fuß, sondern weil sie das Bild des attraktiven Uhrmachers nicht abschütteln konnte.
Thomas strahlte Ruhe und die unangreifbare Autorität eines Mannes aus, der mit beiden Beinen auf dem Boden stand. Der sprichwörtliche Fels in der Brandung. Mit ihm an der Seite, konnte Frau durchs Leben gehen. Aber nicht sie. Darum musste sie ihn vergessen. Allein schon ihm zuliebe. Je schneller, desto besser.
Während ihrer Unterhaltung hatte sie festgestellt, dass er keinen Ring trug. Nun gut, nicht alle Verheirateten trugen dieses Symbol der Verbundenheit. Schöne Hände hatte er, groß, schlank, gebräunt. Hände, die bestimmt sehr zärtlich, sehr sensibel sein würden.
Sie lehnte den Kopf an die Lehne des Balkonstuhls, schloss die Augen und erlaubte sich weiterzuträumen. Sonnige Tage am Wiesenrand, gurgelnde Bäche, moosbewachsene Lichtungen. Arm in Arm, Herz an Herz. In dem Glauben an ein Für-immer-und-ewig.
Der sehnsuchtsvolle Schrei eines Nachtvogels riss sie aus ihrer Traumwelt heraus.
Jetzt reicht´es aber, sagte sie sich energisch und schüttelte den Kopf, als könnte sie sich so von all diesen Bildern befreien. Sie öffnete die Lider.
Bestürzt stellte sie fest, dass die Begegnung mit Thomas Seeger etwas in ihrem Innern aufgerissen hatte, das längst schon eingemauert gewesen war: Die Sehnsucht nach Liebe, die Lust auf Leben. Nein, sie würde ihn nicht wiedersehen dürfen.
*
Den ganzen Vormittag über konnte sich Thomas nicht auf seine Arbeit konzentrieren. Schließlich half er sogar wieder einmal nach langer Zeit seinen Eltern bei der Hofarbeit, um sich durch die Gespräche mit ihnen abzulenken.
Sophie ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Sie saß ihm wie ein Stachel im Fleisch. Nur fünf Kilometer war sie von ihm entfernt. Keinen Kontakt mit ihr zu haben, machte ihn unruhig. Nein, vielmehr verrückt.
Sie war seine Traumfrau. Wie hatte Dr. Brunner gesagt?
»Wenn du vor ihr stehst, wirst du’s merken. Das kann ich dir aus eigener Erfahrung verraten.«
Ja, er hatte es gestern schon auf dem Waldweg gemerkt, als er ihr zum ersten Mal in die wunderschönen Augen gesehen hatte. Unmöglich konnte er sie an sich vorbeigehen lassen. Zumindest musste er klären, ob sie gebunden war. Wenn ja, würde er seine Hoffnung begraben. Wenn nicht, würde er um ihre Liebe kämpfen. Wie lautete sein Lieblingsspruch?
Wer nicht kämpft, hat schon vorher verloren.
Am Nachmittag hielt Thomas es nicht mehr länger aus. Nachdem er Ordnung in seinem Büro geschaffen hatte, fuhr er zum Hotel Schwarzwaldblick hinaus.
*
Sophie lag auf dem Balkon. Und das bereits seit vielen Stunden. Sie hatte gelesen, war zwischendurch eingenickt und grübelte seit einiger Zeit wieder über ihre Situation nach.
Die Gedanken ließen ihr Herz schwer werden, gaben ihr das Gefühl, am Ende eines schwarzen Tunnels zu sitzen, aus dem kein Entkommen mehr war. Wenn sich die Klappe öffnete, würde sie ins Nichts fallen. Und das, obwohl die Gegend um sie herum alles andere als düster war.
Über den Schwarzwaldhöhen spannte sich vielmehr ein wolkenloser Himmel. In der Luft lag der wunderbare süße Duft des Sommers. Es roch nach Wärme und intensiven Farben, den blauen Lupinen und den Butterblumen auf der Wiese. Das ferne Rauschen dunkler Wipfel drang an ihre Ohren, das Gurgeln des Baches, der am Hotel vorbeisprudelte wie das Leben