Mein Herz ist aus Stein. Michaela Lindinger

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Mein Herz ist aus Stein - Michaela Lindinger

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Erregungen. Zu seinen Lieblingsmotiven gehörten geheimnisvolle Sphingen oder Frauen wie die biblische Heroine Salome, die den abgetrennten Kopf des Johannes auf einer Schüssel präsentiert oder dessen blutiges Haupt als nächtliche Erscheinung vor sich sieht. Auch Elisabeth besaß eine solche Schüssel mit einem toten Johanneskopf.

      Dazu »Meister« Heine in seinem Versepos »Atta Troll. Ein Sommernachtstraum«:

      In den Händen trägt sie immer

      Jene Schüssel mit dem Haupte

      Des Johannes, und sie küßt es;

      Ja, sie küßt das Haupt mit Inbrunst.

      (…)

      Wird ein Weib das Haupt begehren

      Eines Manns, den sie nicht liebt?

      Als »liebesbleich und silberkühl« charakterisierte sich die alternde Elisabeth 1888, entsprechend dem in der zeitgenössischen Kunst vorherrschenden Frauenbild der »Femme fatale«. Ein Erkennungszeichen dieses Frauentyps sind die langen lockigen offenen Haare, denen die Kaiserin auch jenseits ihrer Gedichte, in der »Gegenwelt« der Realität, ein umständliches und langwieriges Ritual widmete. Der »männermordende Vamp« à la Salome war omnipräsent in der (Gebrauchs-)Kunst und verkaufte sich gut in der Zeit kurz vor 1900. Es gab verschiedene Varianten und Facetten, die rätsel-haft-grausame Sphinx, die extravagante Diva oder ganz grundsätzlich die Personifikation fataler Weiblichkeit, wie sie der Münchner Paradekünstler Franz von Stuck in seinem Bild »Die Sünde« publikumswirksam vorführte. Elisabeth machte sich in einem Gedicht als »Frau Ritter Blaubart« über ihre Verehrer lustig, sie erscheint als männermordende Zauberin. Diese Selbststilisierung zur kalten Schönheit bot ihr einen Schutz vor männlichen Machtansprüchen. Gleichzeitig bemühte die belesene Verfasserin byronsches Gedankengut, wenn sie aus der Mitte jener Eiswüsten zu sprechen schien, die der englische Dichter in den Herzen der Herrschenden wachsen sah:

      Aus meiner hohen Eisregion

      Ruf’ ich zu dir hernieder:

      Dein Minnen ist umsonst mein Sohn

      Erstarrtes grünt nie wieder.

      Besitzest Du den kecken Mut,

      Mich jemals zu erreichen?

      Doch tödtet meine kalte Glut,

      Ich tanze gern auf Leichen.

      Seltsame Tanzvergnügen, beleuchtet von lichterloh brennenden Mumien, gab es auch im verwilderten Reich Kor, einem Abenteuerland à la Indiana Jones. Erfunden wurde es vom englischen Autor Henry Rider Haggard, der seine koloniale Vergangenheit in Südafrika und seine heftigen okkulten Neigungen in ein Buch einfließen ließ, das jeden Karl May in den Schatten stellt: ein durchlöcherter Berg voller Gräber, ein morbider Bienenkorb, in dem sich unversehens Schächte auftun, auf deren Grund uralte Knochen-pyramiden lagern, die gern auch mal ins Rutschen kommen. Eine ausschließlich dem Dienst an den Toten geweihte Kultur, mit seitenlangen Schilderungen von Kannibalismus, Folterungen und Totenbräuchen. Dieses Reich aus Stein und Moder beherrschte jene Frau, in der Elisabeth sich wiedererkannte. SHE-who-must-be-obeyed (Sie, der man gehorchen muss), war, so die Überlieferung, in Wirklichkeit eine bösartige Puppe, die in einem alten Schrank lebte und die von Haggards Nanny erfunden worden war, um den Buben zu erschrecken. Der erwachsene Haggard beschrieb in seinem 1887 veröffentlichten Bestseller »SHE« eine 3000 Jahre alte Königin, die sich auf geheimnisvolle Weise immer wieder verjüngte und sich so den Körper einer 30-Jährigen erhalten konnte. In der ostafrikanischen Einsamkeit wartet SHE, die hochgebildete, untote Philosophin, auf einen Wiedergänger. Über die Jahrhunderte hinweg hat sie keinen anderen Mann angesehen als den mumifizierten Leichnam ihres Geliebten, um für eine künftige Inkarnation des Toten bereit zu sein. Dem Schicksal Einzelner gegenüber zeigt sie sich kühl und gleichgültig. Ihre gezüchteten Domestiken sind taubstumm, misslungene Züchtungen lässt sie aussterben. Hilflose Untertanen, die sich unbotmäßig gezeigt haben, tötet sie mit einer berührungslosen Handbewegung. Haggard schickt in seinem Werk zwei englische Reisende nach Afrika, die Licht in die dunklen Geheimnisse von Kor bringen sollen. Selbstverständlich ist SHE, die älteste Frau der Welt, gleichzeitig die schönste. Eingehüllt in ein »Grabgewand« verweigert sie sich den voyeuristischen Blicken der Männer: »Wenn ich dir mein Gesicht zeige, würdest du vielleicht ebenso elend zugrunde gehen, vielleicht würdest du dein Leben in ohnmächtigem Begehren vertun, denn wisse: Nicht für dich bin ich.«

      Totengöttin, Herrscherin und Femme fatale verschmelzen bei Haggards SHE zur archetypischen Figur, die Elisabeths Interesse auf sich zog. Sie wurde sich ihrer Verwandtschaft mit der Romangestalt in besonderer Weise bewusst.

      Die Verweigerungen und das Verschwinden der Kaiserin spielen sich in diesem vielgelesenen, spannenden Abenteuerroman in einem atemberaubenden archaischen Szenario ab. Der Rückzug aus den Pflichten einer Monarchin führt nun ins dunkle Herz eines afrikanischen Felsens, Fächer und Schirm verwandeln sich in »Grabgewänder« und Mumienbinden.

      Zur Mythologisierung ihres Verschwindens hatte Elisabeth einen Unterhaltungsroman gewählt, den sie ein Jahr nach seinem Erscheinen in dem oben erwähnten Gedicht (»Titania und Alfred«) mit einem Bezug auf ihre eigene Person versah. Derselbe sadistische Zug, der SHE (und Elisabeth) charakterisiert, zeigt sich auch in einer Strophe, in der sich die Kaiserin mit ihrem Stalker Alfred Gurniak Edler von Schreibendorf auseinandersetzt:

      In meiner schönen Mache

      Verzapple dich zu Tod,

      Ich schaue zu und lache

      Von jetzt bis Morgenrot.

      Marie Larisch sagte über ihre Tante: »Sie betrachtete die Sensation, angebetet zu werden, als Tribut, der ihrer Schönheit zukam. Doch ihre Begeisterung dauerte nie lange«, im Gegenteil, sie verwandelte sich in Ablehnung und Verachtung. Elisabeths ausgeprägter Narzissmus war gepaart mit Überempfindlichkeit und Arroganz.

       8 Elisabeths Nichte Marie Larisch-Wallersee und Marie Valerie, 1876

      Weder aufopferungsvolle (Groß-) Mutter noch repräsentierende Kaiserin, geschweige denn liebende Gattin waren Frauen«ideale«, denen Elisabeth Positives abgewinnen konnte. Das Diktat der »Drei K« (Kirche, Küche, Kinder) galt für bürgerliche Frauen, bei Damen des höchsten Standes wäre eher von den »Drei R« (Religion, Repräsentation, Reproduktion) zu sprechen. All dem setzte Elisabeth eine ihrer ausgeprägtesten Charaktereigenschaften entgegen: Verweigerung. Aufgedrängten Aufgaben widersetzte sie sich seit Anfang der 1860er-Jahre konsequent, nachdem sie aufgrund der stets anwachsenden Schar unterwürfiger Anbeter erkannt hatte, dass Schönheit in der männlich dominierten Gesellschaft mit Macht gleichzusetzen war. Sie begriff ihre Erscheinung als Ausdruck der ihr eigenen Individualität und setzte ihr gutes Aussehen wirkungsvoll als Waffe ein. Im August 1865 hatte sie ihrem Mann, der ihr glühendster Verehrer war, kurz nach seinem 35. Geburtstag schriftlich folgendes Ultimatum gestellt:

      Ich wünsche, dass mir vorbehalten bleibe unumschränkte Vollmacht in Allem, was die Kinder betrifft (…), die komplette Leitung ihrer Erziehung, mit einem Wort, alles bleibt mir ganz allein zu bestimmen (…). Ferner wünsche ich, dass, was immer meine persönlichen Angelegenheiten betrifft, wie unter anderem die Wahl meiner Umgebung, den Ort meines Aufenthalts, alle Änderungen im Haus etc. etc. mir allein zu bestimmen vorbehalten bleibt.

      Elisabeth. Ischl, 24. August 1865

      Das

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