Dr. Daniel Staffel 5 – Arztroman. Marie Francoise

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Dr. Daniel Staffel 5 – Arztroman - Marie Francoise Dr. Daniel Staffel

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Stuhl fallen. Tränen liefen über das schmale Gesichtchen, und plötzlich fühlte Gerrit grenzenloses Mitleid mit ihm.

      »Sie müssen mir nur Ihre Personalien hierlassen«, erklärte der Beamte und riß Dr. Scheibler damit aus seinen Gedanken. »Alles weitere regle ich dann schon.« Er lächelte ein wenig. »Den Kleinen wieder nach Hause zu verfrachten, gehört für uns bereits zur alltäglichen Routine.«

      Dr. Scheibler nickte, dann gab er Namen und Adresse an, während immer wieder sein Blick zu dem Jungen wanderte, der wie ein Häufchen Elend auf seinem Stuhl saß. Der Beamte bemerkte es.

      »Rudi Gerlach heißt er«, erläuterte er. »Acht Jahre alt und schon ein ewiger Ausreißer.« Er zuckte die Schultern. »Aber wer könnte es ihm auch verdenken? Hat’s nicht gerade gut, der Kleine. War erst sechs, als er die Eltern verloren hat. Jetzt lebt er bei Onkel und Tante, die sich über diese Erbschaft nicht gerade gefreut haben.«

      Dr. Scheibler wurde bei diesen Worten das Herz schwer.

      »Sie mißhandeln ihn doch nicht etwa?« gab er seinen ärgsten Befürchtungen Ausdruck.

      Der Beamte schüttelte den Kopf. »Nein, das nicht, aber… lieben tun sie ihn halt auch nicht – vor allem sie… seine Tante. Ist ein Modepüppchen, das nie eigene Kinder haben wollte. Hat sie mir mal gesagt, als sie den Kleinen gerade wieder bei uns abholte.« Er seufzte. »Der arme Kerl hat ein paar hinter die Ohren bekommen und die Aussicht auf eine Woche Stubenarrest.«

      Fassungslos schüttelte Dr. Scheibler den Kopf. Er, der Kinder über alles liebte, konnte ein solches Verhalten einfach nicht begreifen.

      »Warum bemühen sie sich dann nicht um einen Pflegeplatz für den Jungen?« wollte er wissen. »Schließlich gibt es doch genügend kinderlose Ehepaare, die glücklich wären, den Kleinen zum Sohn zu haben.«

      Der Beamte zuckte erneut die Schultern. »Schon möglich, aber anscheinend will Rudis Onkel den Jungen nicht weggeben – wenn auch nur aus schlechtem Gewissen seinem verstorbenen Bruder gegen-über.« Dann stand er auf. »Na ja, das soll Sie nicht weiter kümmern. Im Namen der Gerlachs bedanke ich mich, daß Sie ihn hergebracht haben, Herr…« Er warf einen Blick auf seine Notizen, »… Dr. Scheibler.«

      Gerrit verabschiedete sich, warf dem noch immer weinenden Rudi einen kurzen Blick zu und wollte schon hinausgehen, als ihn die nächsten Worte, die der Beamte an den Jungen richtete, buchstäblich festnagelten.

      »Komm, Rudi, leg dich hin und versuch ein bißchen zu schlafen. Du kennst dich hier ja schon aus.«

      Dr. Scheibler fuhr herum. »Was soll denn das heißen? Wird der Kleine etwa nicht abgeholt?«

      Der Beamte lachte auf. »Um diese Zeit? Da machen sich Kurt und Christa Gerlach bestimmt nicht mehr auf den Weg hierher. Und sie haben es uns nur zu deutlich gesagt, daß sie es auch nicht wünschen, wenn die Polizei bei ihnen vorfährt. Das heißt für uns, daß wir den Kleinen auch nicht heimbringen dürfen.« Er machte eine kurze Pause. »Wahrscheinlich sitzen sie jetzt gerade vor dem Fernseher und sind froh, wenn sie nicht gestört werden.« Er dämpfte seine Stimme ein wenig. »Ganz unter uns gesagt – manchmal habe ich das Gefühl, als wären sie ganz glücklich, wenn der Junge eines Tages überhaupt nicht mehr zurückgebracht würde.«

      »Das ist doch…«, begann Gerrit, dann schüttelte er wieder den Kopf.

      »Machen Sie sich keine Sorgen, Herr Dr. Scheibler«, versuchte der Beamte ihn zu beruhigen. »Rudi hat’s gut bei uns. Wir alle mögen den kleinen Kerl.«

      »Das glaube ich Ihnen aufs Wort«, meinte Gerrit. »Trotzdem widerstrebt es mir, ihn einfach hierzulassen. Haben Sie etwas dagegen, wenn ich dem Jungen Gesellschaft leiste, bis er abgeholt wird?«

      Dem Beamten blieb vor Überraschung der Mund offen. So etwas hatte er noch nie erlebt. Die meisten, die Rudi hier abgeliefert hatten, waren froh gewesen, den kleinen Ausreißer los zu sein.

      »Na, an Ihrer Stelle könnte ich mir etwas Schöneres vorstellen, als eine Nacht auf der Polizeistation zu verbringen«, meinte er, als er seine Sprache endlich wiedergefunden hatte.

      »Ich auch«, gab Gerrit unumwunden zu. »Aber wenn Rudi schon hierbleiben muß, dann soll er wenigstens nicht allein sein.«

      »Also schön, wenn Sie möchten. Leider kann ich Ihnen nur die Ausnüchterungszelle als Schlafzimmer anbieten, aber da sind Sie und der Junge wenigstens ungestört.« Dann lächelte der Beamte. »Sie sind ein guter Mensch, Herr Dr. Scheibler.«

      Und Gerrit wurde bewußt, daß dieser Polizist heute schon der zweite war, der diese Worte zu ihm sagte. Doch er konnte nicht länger darüber nachdenken, denn in diesem Moment schob sich eine schmale, kleine Hand in die seine. Gerrit drehte sich um und ging vor dem Jungen in die Hocke.

      »Sie bleiben wirklich bei mir?« fragte der Kleine leise.

      »Ja, Rudi«, antwortete Gerrit und betrachtete ihn dabei. Wie konnte man es nur fertigbringen, diesem Jungen etwas zuleide zu tun? Und was mußten das für Menschen sein, die seinem natürlichen Charme widerstehen konnten?

      Das schmale ernste Gesichtchen, die großen, tiefblauen Augen, die von so viel Melancholie überschattet waren, die dichten blonden Locken und der fast schmächtige kleine Körper – unwillkürlich hatte Dr. Scheibler das Bedürfnis, diesen Jungen zu beschützen.

      »Hast du Hunger, Rudi?« wollte er schließlich wissen.

      Der Kleine zögerte, dann nickte er.

      Dr. Scheibler stand auf. »Gut, ich werde uns etwas zu essen holen. In ein paar Minuten bin ich wieder hier.«

      Im selben Moment sah er die Angst in den großen Kinderaugen aufblitzen.

      »Ich komme zurück, Rudi, das verspreche ich dir«, versicherte Gerrit, streichelte flüchtig über den blonden Wuschelkopf des Jungen und verließ dann mit langen Schritten die Polizeistation.

      Es dauerte länger, als Dr. Scheibler gedacht hatte. Es war nämlich nicht beim Essenholen geblieben, denn unterwegs war ihm eingefallen, daß er Steffi unbedingt Bescheid sagen mußte. Sie würde sonst vor Sorge um ihn umkommen. Als er ihr den Grund für sein nächtliches Ausbleiben allerdings geschildert hatte, drängte sie ihn sogar, dem armen Jungen Gesellschaft zu leisten.

      »Wenn seine Tante und sein Onkel ihn tatsächlich nicht haben wollen, dann bring ihn ruhig mit«, fügte Stefanie noch hinzu.

      »Ich werde sehen, was sich machen läßt«, meinte Dr. Scheibler, denn ihm war dieser Gedanke auch schon durch den Kopf gegangen.

      Doch als er die Polizeidienststelle wieder erreichte, konnte er Rudi nirgends sehen. Auch der Beamte, der sie in Empfang genommen hatte, war anscheinend für einen Moment hinausgegangen. Vielleicht war aber auch sein Dienst jetzt beendet.

      »Sind Sie nicht der Arzt, der Rudi hergebracht hat?« sprach ihn ein anderer Polizist an.

      »Ja. Wurde er doch noch abgeholt?«

      Der Polizist lachte. »Ach, wo denken Sie hin. Nein, der Kleine hat sich in die Zelle gelegt. Er hat ganz fürchterlich geweint, weil er dachte, Sie kämen nicht mehr zurück.«

      Zusammengerollt wie ein Murmeltier lag der Junge auf der Pritsche, und an seinem bebenden Rücken erkannte Dr. Scheibler, daß er noch immer weinte.

      »Rudi«,

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