Angela Autsch. Annemarie Regensburger

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Angela Autsch - Annemarie Regensburger

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sei nicht traurig. Der Krieg ist bis Weihnachten sicher vorbei. Stell dir vor, ich werde bei der Marine genommen. Ich fahre wirklich in das weite Meer hinaus. Danke, dass du mir alles so schön gerichtet hast.“

      Schnell drückt August seiner Mutter noch einen Kuss auf die Wange und läuft aus der Küche, damit sie seine Tränen nicht sieht.

      „August, komm am Abend pünktlich zurück. Wir kochen dir heute noch dein Lieblingsessen!“, ruft ihm die Mama noch nach.

      Gertrud und Amalia sind bereits in der Küche und sprechen über den beginnenden Krieg. Ein bisschen haben sie sich von Augusts hoffnungsvollem Optimismus, dass der Krieg bald vorbei sei, anstecken lassen. Doch die Traurigkeit liegt wie ein Schleier über der Küche.

      „Kommt zur Arbeit, Mädchen“, sagt die Mama etwas zu burschikos. Sie will sich ihre Trauer nicht anmerken lassen. Marie jedoch spürt sofort ihren Schmerz und sagt:

      „Mama, wir kochen und weinen jetzt zusammen. Dann wird uns allen leichter ums Herz.“

      Der Mama huscht ein Lächeln über die Lippen und sie streicht Marie sanft über ihre Haare. Dann geht es an die Arbeit. Heute soll es ein Festessen werden: Grießnockerlsuppe, sauerländischer Sauerbraten, eingebranntes Weißkraut und die typischen Kartoffelklöße aus dieser Gegend. Für den Nachtisch schickt die Mama Amalia und Marie in den Garten, um alle Beeren, die sie finden, zu pflücken. Vor allem die Brombeeren sind nun reif.

      Als die Mädchen allein im Garten sind, fragt Amalia ihre Schwester Marie:

      „Hast du auch um August Angst?“

      „Ich vertraue darauf, dass die Muttergottes ihn beschützt. Weißt du, wir beten einfach jeden Tag vor dem Schlafengehen in unserer Kammer noch einen Rosenkranz für ihn. Gertrude macht sicher auch mit.“

      Während sich die Mädchen beim Pflücken auch ab und zu eine süße Beere in den Mund stecken, werden sie ruhiger.

      In der Küche dampft es inzwischen aus allen Töpfen. Der Tisch wird gedeckt. Amalia holt noch schnell die ersten blühenden Dahlien vom Garten. Die Mama hat vom Sonntag noch ein wenig Rahm übrig. Marie schlägt nun in einem Kupferkessel den Rahm zu Sahne, füllt neun kleine Schüsseln mit den abgezupften Beeren und gibt einen Löffel geschlagene Sahne darüber. Die Mama spendiert sogar ein wenig Zucker, sodass es ein perfekter Nachtisch wird.

      Die älteste Schwester Elisabeth kommt von der Arbeit. Ihr bleibt der Mund offen, als sie den schön gedeckten Tisch sieht, und sagt:

      „Ja, was ist denn heute bei uns los?“

      „Du weißt doch, heute gibt es das Abschiedsessen für August“, sagt Marie.

      „Ach ja“, seufzt Elisabeth, „das habe ich bei der ganzen Arbeit beinahe vergessen.“

      Alle hören schwere Schritte und ein Räuspern, mit dem Vater August seine Rührung verbirgt, als er in die Küche kommt. Dann stürmen noch Wilhelm und Franz mit ihrem großen Bruder August herein. Dieser hat noch einmal mit seinen kleinen Brüdern so richtig gerauft und sich dabei auch den Schleier auf seiner Seele vertrieben. Alle setzen sich um den Tisch. Heute beginnt der Vater mit dem Tischgebet: „Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name …“ Beim „dein Reich komme“ kämpft er mit den Tränen, denn Krieg ist immer das Gegenteil von Gottes Reich. Alle stimmen in das Gebet ein und Marie fährt mit dem „Ave Maria“ fort. Alle lächeln, denn sie wissen, was für Marie „die Himmelmama“ bedeutet.

      Marie schiebt noch schnell ihre Marienmedaille, die sie zur Erstkommunion erhielt, zu ihrem Bruder hin und sagt:

      „Alle Mütter wollen, dass ihre Kinder am Leben bleiben, auch die Muttergottes.“

      Verlegen sieht August die Medaille an und kämpft mit den Tränen. Er nickt liebevoll zu Marie hin. Beide wissen auch ohne Worte, dass diese Medaille an seiner Brust Platz haben wird.

      Das Essen schmeckt ausgezeichnet. Es wird gelacht und geschwatzt. Wilhelm und Franz sind ganz aufgeregt und fragen:

      „August, wirst du wirklich auf ein Schiff kommen? Gegen wen musst du dann kämpfen? Werden dich die Feinde nicht abschießen?!“

      „Fragt nicht so viel auf einmal“, sagt die Mama, „und schluckt zuerst euren Bissen hinunter.“

      „Vermutlich muss ich gegen England kämpfen, aber seid ohne Sorge. Ich bin in einem Unterseeboot. Das sieht man nicht auf dem Meer.“

      „Ja, aber wenn die Feinde auch unter Wasser sind, können die Boote zusammenstoßen“, sagt Wilhelm etwas altklug.

      „Das stimmt. Deswegen muss man ganz gut aufpassen und genau die Seekarte lesen können, damit man weiß, wo man sich befindet. Aber wisst ihr, dass ich nur ein ganz einfacher Marinesoldat bin. Der Kommandant, der Kapitän und viele Offiziere kennen sich viel besser aus als ich.“

      Die Buben geben sich zufrieden. Sie sind sehr stolz auf ihren großen Bruder.

      Nach dem Essen sagt Marie:

      „Kommt, wir beten noch einmal gemeinsam den Rosenkranz. Die Küche räumen wir später auf.“

      Das gleichmäßige Gebet sinkt in ihre Seelen und beruhigt das Gemüt. Zum Schluss greifen alle in den Weihwasserkessel und segnen August. Dabei stoßen sich Wilhelm und Franz gegenseitig an und sie können das Lachen nicht mehr verbeißen, denn noch nie haben sie ihrem großen Bruder ein Kreuz auf die Stirn gemacht. Die ganze Familie stimmt in ihr Lachen ein und die Traurigkeit ist für kurze Zeit verflogen.

      Am nächsten Morgen läutet es schon früh an der Haustüre. Einige Kollegen holen August ab. Es geht alles sehr schnell. So bleibt beim Abschiednehmen keine Zeit für Traurigkeit. Die Eltern und alle sechs Geschwister winken August nach. Bevor der Weg eine Biegung macht, dreht er sich noch einmal um und winkt zurück.

      Die Menschen in Bamenohl können noch gar nicht begreifen, was da über sie hereingebrochen ist. Plötzlich sind keine jungen Männer mehr da. Die Schulen werden aus Mangel an Lehrern vorübergehend geschlossen. Sogar die Fabrik im nahen Finnentrop, in der viele Bamenohler Männer Arbeit fanden, wird vorläufig geschlossen. Lebensmittelknappheit und Preissteigerungen sind die Folge. Auch wenn vor dem Krieg viele Menschen einfach lebten, schlittern sie jetzt in die Armut.

      „Wie gut, dass du noch Arbeit hast“, sagt Amalia eines Abends zu ihrem Mann.

      „Ja, und wir haben eine Kuh, Hühner und ein Schwein“, sagt Marie. „Wir können dem lieben Gott danken.“

      „Marie, du bist ein so gutes Mädchen“, sagt der Vater und streicht ihr über die Haare.

      „Deswegen können wir ja von unsrem Gemüse und den Kartoffeln etwas hergeben“, wirft Marie noch einmal ein. „Kann ich Frau Luzia ein paar Kartoffeln, Eier und Äpfel bringen? Sie hat keinen Garten und ihr Mann ist im Krieg. Sie hat ein paar kleine Kinder.“

      „Wo du nur alles herhast, Marie“, sagt lächelnd die Mama und beginnt einen Korb mit Lebensmitteln zusammenzupacken. Marie zieht sich die Schuhe an und nimmt den Korb.

      Draußen ist es noch hell. Es ist ja erst Anfang September. Wie schnell sich doch in einem Monat das Leben in Bamenohl verändert hat, denkt sich Marie und läuft die Straße hinunter.

      Die Eltern schauen ihr beim Küchenfenster nach, fassen sich bei den Händen

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