Globetrotter-Spirit: Reisen als Lebensschule. Группа авторов

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Globetrotter-Spirit: Reisen als Lebensschule - Группа авторов

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der Zeit war es normal, immer wieder die Posten auf meiner Packliste abzuhaken, in fremden Betten zu schlafen, Toilettenringe zu reinigen, bevor ich mich draufsetzte, Situationen zu erleben, die im Voraus nicht abzuschätzen waren, Gelassenheit zu entwickeln, die Dinge so zu nehmen, wie sie sich nun mal präsentieren. Die Motivation zum Reisen entwickelte sich von der ursprünglichen Neugier auf die Welt über den Wunsch, möglichst viel von ihr zu begreifen und die Aussöhnung mit ihren Stärken und Schwächen bis hin zu einer Dankbarkeit für das, was ich leben darf, und zu einer Ruhe, die von äusseren Umständen gefördert, aber nur in sich selbst zu finden ist.

      Die Natur spielt dabei eine tragende Rolle. Ob in den Schweizer AIpen oder im südamerikanischen Regenwald, wer sich die Musse gönnt, Natur zu erleben, wer auch zulässt, immer wieder mit den Seelen anderer Menschen zu verschmelzen, der verspürt das Einssein in allem, und dies ist der Beginn der Ankunft bei sich selbst. Die Erkenntnis braucht nicht weltreisend zu entstehen, aber Weltreisen können sie wesentlich fördern.

       Fester Boden unter den Füssen

      Wo aber soll der Globetrotter, die Globetrotterin schliesslich leben? Die Wurzeln der Heimat bleiben. «Where are you from?» ist eine der Standardfragen unterwegs. Und auf die Antwort folgt immer das, was gerade international das Image der Heimat prägt. Ich war tief betroffen, als ich spürte, dass mir allein schon der Gedanke an eine nächste Reise Unbehagen bereitete und mir vor der Idee graute, mich wieder allem Möglichen auszusetzen. Die letzte Reise war eine Katastrophe: Am Strand dachte ich, na ja, ich sah schon bessere Strände. Bei den Eingeborenen fand ich, die leben ja gleich wie auf jedem Kontinent. Vieles bleibt auch fremd und unbegreiflich, trotz Bemühen um Verständnis.

      Schnitt. Ich wusste nicht mehr, was alles in der Möbelhalle eingelagert war, als ich die Wohnung bezog und die Kisten abholte. Die Wohnung liegt in der Schweiz, denn als Schweizer Bürgerin bleibt derzeit nur die Schweiz, wenn ich ohne grossen Aufwand legal leben will. Es spielt für mich keine wesentliche Rolle mehr, wo ich mich aufhalte. Doch das eigene Bett, ein Küchenschrank, in dem lagert, was der Gaumen mag, und ein Badezimmer, in dem nur vertraute Haare herumliegen, das vermittelt auch einer Globetrotterin Hochgefühle. Dennoch muss ich gestehen, dass mich der finanzielle Aufwand, der in der Schweiz notwendig ist, um nur die bescheidensten Bedürfnisse decken zu können, immer mal wieder nervt.

      Während fast zwei Jahren bewegte ich mich kaum, fühlte mich schon gestresst, wenn ich bloss die Bahn nehmen sollte, um Freunde zu besuchen. Alte Freundschaften hatten sich über all die Jahre gehalten, obwohl ich meistens unterwegs war, wenn die Freunde mich brauchten, und ich auf fremde Leute angewiesen war, wenn Hilfe nötig war. Phänomenal daran ist, dass es auf der ganzen Welt immer und überall Menschen gibt, die bereit sind, sich ohne eigene Ansprüche für andere einzusetzen.

      Nun sitze ich entspannt in meinem Arbeitszimmer, werde gleich nachher was in die Pfanne hauen, in zwei Tagen Freunde in Berlin besuchen und kurz darauf mit einer Freundin nach Kalifornien jetten. Seit einiger Zeit pumpt das Globetrotterblut wieder, unverhofft und erfreulicherweise. Aber mittlerweile habe ich ein Nest, in das ich zurückkehren kann, und ich habe ein Innenleben, in das ich ortsunabhängig eintauche. Ich habe Wertschätzung für das Weltentheater entwickelt, aber die Sucht danach abgelegt. Die Erde ist mein Wohnort, dem ich auf meine Art auch Beistand leiste. Die Heimat liegt jedoch in der Seele, und deren Reisen sind grenzenlos.

      image Globetrotter-Magazin 57, Sommer 2000

       Warum, in aller Welt, reisen wir in alle Welt?

       Von Üsé Meyer

      Jährlich verlassen Hunderttausende fluchtartig die Schweiz. Weg von hier, einfach mal raus – endlich Ferien. Weltweit überqueren jedes Jahr 635 Millionen Menschen eine internationale Grenze – Tendenz steigend. Die Ursachen des Reisefiebers sind vielfältig. Sei es, weil wir den Alltag nicht mehr ertragen, weil wir auf der Suche nach uns selbst sind, oder einfach, weil es cool ist zu reisen.

      Das fängt ja gut an. Eben angekommen und schon beschleicht mich ein ungutes Gefühl. Ich habe Angst. Es ist Nacht, 2.30 Uhr. Der Taxifahrer, der mich vom Flughafen Bombay in mein Hotel bringen sollte, stoppt und lässt zwei Männer einsteigen. Freunde des Fahrers, wie ich merke. Die Begleiter machen mich stutzig. Woher ich komme und wohin ich in Indien gehen will, fragen sie mich. Ich gebe mich so locker wie möglich. Vorsichtshalber lasse ich einfliessen, dass ich nur sehr wenig Geld hätte und darum auch nicht wüsste, wie lange ich noch unterwegs sein könne. Vier Minuten später biegt der Taxifahrer ab und fährt seinen Wagen in einen unbeleuchteten, heruntergekommenen Hinterhof. Kein Hotel in Sicht.

      Noch vor zehn Stunden befand ich mich in einem unbequemen Flugzeugsessel über dem europäischen Kontinent. Auf 11000 Metern Höhe raste ich mit einer Geschwindigkeit von 1034 Kilometern pro Stunde auf mein Ziel zu: Bombay, Indien. Ich lese das letzte von zehn Büchern, die sich mit der Psychologie, Philosophie und der Pädagogik des Reisens befassen. Mit der Theorie bin ich also in etwa vertraut. Nun interessiert es mich natürlich, wie es sich in der Praxis verhält. Obwohl ich zehn Jahre in der Reisebranche gearbeitet habe und auf fast allen Kontinenten dieser Welt war, kann ich die Frage nach der Ursache unserer Reiselust nicht wirklich beantworten. Also bin ich umso gespannter, ob sich die Antworten, die mir die Bücher geliefert haben, bewahrheiten werden.

      Testament zum Abschied. «Hooray and up she rises» lautet die Textzeile eines Seefahrerliedes. Mit «she» ist das Schiff gemeint, und «to rise up» heisst in diesem Zusammenhang: losfahren, aufbrechen. Die Grundbedeutung von Reise ist also «Aufbruch». Ein wichtiger, aber auch schwieriger Teil der Reise. Die ersten Schritte von der Haustüre weg, die ersten Minuten im Zug an den Flughafen oder die Verabschiedung von nahestehenden Menschen erzeugen ein mulmiges Gefühl. Als ob etwas rückwärts ziehen würde.

      Früher muss den Reisenden der Aufbruch noch um einiges schwerer gefallen sein. Damals reiste man nicht zum Vergnügen, sondern, weil man oft keine andere Wahl hatte. Schon in der Steinzeit, etwa 2200 vor Christus, waren ganze Dorfgemeinschaften auf Reisen. Lange Trockenzeiten zwangen die Menschen, ihr Zuhause aufzugeben und an Moore und Seen zu ziehen. Später waren die Reiseursachen vorwiegend religiöser, beruflicher oder bildender Art. Aber Reisen galt weiterhin als gefährlich. Darum war es üblich, vor der Abreise jeweils sein Testament zu machen. Die Reise als Selbstzweck, zur Gewinnung persönlicher Erlebnisse, kam erst im 18. Jahrhundert auf.

      Ein sentimentaler Hollywoodstreifen lullte mich über Pakistan in den Schlaf. Um 2 Uhr morgens, beim Anflug auf Bombay, erwachte ich wieder. Eine gespenstische Szenerie tat sich unter mir auf. Rote, gelbe und orange Lichter zogen vorbei. Nicht die typische Grossstadtbeleuchtung. Es schien, als ob man über einen Friedhof mit Tausenden Kerzen in farbigen Bechern fliegen würde. Der Smog tauchte den Flughafen von Bombay in ein düsteres Licht. Jeder Tag in Bombay sei, wie wenn man 20 Zigaretten rauche, habe ich in meinem Reisehandbuch gelesen.

      Und nun sitze ich also im Taxi in diesem finsteren Hinterhof. Ich zahle dem Taxifahrer den ausgehandelten Preis. Immer noch mit einem flauen Gefühl im Magen steige ich aus dem Wagen. Jetzt sehe ich auch den stark vergilbten Schriftzug meines Hotels – gerettet.

      Fremden in der Fremde. Angst gehört zum Reisen. Angst vor Kriminalität, Krankheiten, Unfällen, vor dem, was auf einen zukommt – oder einfach die Angst vor dem Fremden. Man entwickelt ein Misstrauen gegenüber allem, was einem nicht vertraut ist. In seinem Buch Reisekultur bezeichnet Herausgeber Hermann Bausinger die Angst vor dem Fremden als eine der grossen Urängste der Menschheit. Ein Kind «fremdet», sagt man, und meint damit, dass es vor jemandem Angst hat, den es nicht kennt. Es klammert sich an den Vater oder die Mutter.

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