Zeit für Weiblichkeit. Diana Richardson

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Zeit für Weiblichkeit - Diana Richardson

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davonschweben und kehre wieder zum Körper zurück. Tauche ein in deinen Körper, sodass sich das Gefühl einstellt, dass du tief im Körper ruhst, in deinem Selbst badest. Lass deine Aufmerksamkeit innerlich zu jenen Stellen wandern, wo du warme, prickelnde Empfindungen und feine Vibrationen spürst, und verschmelze damit.

      Wenn sich dieses Eintauchen in die Sinne in dir verankert, wirst du an einem bestimmten Punkt das Gefühl für deine körperlichen Grenzen verlieren. Vielleicht erlebst du dich leicht wie eine Feder, in goldenes Licht getaucht, dahinschwebend im Meer des Bewusstseins. Du bist, und gleichzeitig bist du nicht. Auf diese Weise kannst du dein Bewusstsein immer weiter ausdehnen, bis es alle deine Zellen durchdringt. Wenn die Zellen vom Bewusstsein berührt werden, verändern sie sich; ihre Beschaffenheit verändert sich.

      Du kannst dir den Wecker stellen, um die Zeit festzulegen, die du dieser Erfahrung widmen willst, kannst es aber auch deiner inneren Uhr überlassen, die dich nach einer gewissen Zeit zum normalen Bewusstsein zurückholen wird. Du wirst sehen, dass du jedes Gefühl für die Zeit verlierst. Nach dieser Erfahrung wirst du dich erfrischt und verjüngt fühlen, als hättest du direkt von der Quelle des Lebens getrunken. Diese Meditation ist vor allem abends vor dem Einschlafen sehr heilsam, aber auch jederzeit während des Tages, wenn du Energie auftanken möchtest.

      2. Kapitel

      Orgasmus als spirituelle Erfahrung

      WAHRSCHEINLICH HABEN SICH DIE MEISTEN von uns noch keine allzu großen Gedanken gemacht, woher das Wort „Orgasmus“ kommt und was es eigentlich bedeutet. Das Wort stammt vom lateinischen Wort orgia, mit dem eine heidnische religiöse Zeremonie bezeichnet wurde, bei der die Menschen in einen ekstatischen Zustand gelangten. Sie wurden dabei so ekstatisch, dass ihre Körper von überströmender göttlicher Energie erfüllt waren und sie in zeitloser Glückseligkeit aufgingen.

      Das Wort „Orgasmus“ erinnert uns also auf der sprachlichen Ebene an unsere eigenen, bis in die Frühzeit zurückreichenden Wurzeln, als die Menschen in großen Gruppen zusammenkamen, um in gemeinsamen Ritualen einen Zustand der Ekstase herbeizuführen. Das Zelebrieren von orgia war ein Weg, um Mutter Erde zu huldigen, ihr die Dankbarkeit zu erweisen und das Wunder ihrer Schöpfung zu feiern. Mit einfachen Tanzschritten und Gesängen zum rhythmischen Schlagen der Trommel wurde tagelang ohne Unterbrechung gefeiert, bis alle trunken waren von göttlicher Ekstase und glückselige Zustände erhöhter Sinnlichkeit und Empfindsamkeit erlebten. Wer an diesen Zeremonien teilnahm, kam verjüngt und überfließend vor Liebe und Lebenslust daraus hervor.

      Heute haben wir wenig Gelegenheit für die Erfahrung von orgia. Die ganze Betonung hat sich weg vom physischen Körper, hin zum Intellekt verlagert. Statt Energie bei gemeinsamem Tanzen und Singen auszutauschen, trifft man sich heute lieber in größeren oder kleineren Gruppen, um Gedanken auszutauschen; es wird diskutiert, argumentiert oder über alles Mögliche getratscht. Wir haben die Verbindung zu unserer körperlichen Empfindsamkeit weitgehend verloren und unsere Körper reagieren wie auf Sparflamme. Dadurch bleibt beim sexuellen Austausch ein erfüllender Orgasmus häufig auf der Strecke.

      Im sinnlich reduzierten, kopflastigen Klima unserer Zeit hat die sexuelle Vereinigung von Mann und Frau ihre naturgegebenen heilenden und regenerierenden Kräfte eingebüßt. Beide Geschlechter sind somit von der beseligenden spirituellen Verbindung abgeschnitten, die ihnen einstmals durch die sexuelle Verschmelzung über den Körper regelmäßig zugänglich war.

      Wir Menschen können erst dann hoffen, das gesellschaftliche Klima auf eine wirklich positive Weise zu beeinflussen und zu verändern, wenn im sexuellen Bereich eine drastische, radikale Neuorientierung eintritt, eine „sexuelle Re-Evolution“. Die in den letzten Jahrtausenden unserer Zivilisation vorherrschende Unterdrückung und Verdrängung der natürlichen, gesunden Sexualität hatte viele krankmachende Auswirkungen auf die sexuelle Vereinigung von Mann und Frau, die ein so wunderbarer, natürlicher Ausdruck von Liebe sein könnte. Es lässt sich heute mit Gewissheit sagen, dass die Ursachen der meisten psychosozialen Störungen ebenso wie der Gewalttätigkeit im sexuellen Bereich liegen – genauer gesagt, in der sexuellen „Unterversorgung“ bzw. im Mangel an tiefen, befriedigenden, nährenden, erhebenden Erfahrungen im Sex.

      So wie es aussieht, krankt unsere ganze Gesellschaft am Sex, aber nicht der Sex an sich ist krank, sondern unser Denken über Sex. Die ganze Psychologie der Menschen rund um das Thema Sex ist verkorkst, ungesund, geradezu vergiftet. Das Ausmaß sexuellen Missbrauchs jeder Art, der Tag für Tag, Minute für Minute an irgendeinem Ort stattfindet, legt ein überaus schmerzvolles Zeugnis für den sexuellen Notstand unserer Gesellschaft ab.

      Durch übliche falsche Informationen wird die sexuelle Energie unbewusst auf Sparflamme gehalten und die schöpferische Kraft des Menschen beschnitten. Die vorherrschende Unwissenheit über das wahre Wesen des sexuellen Energieaustausches zwischen Mann und Frau führt dazu, dass Sex heutzutage nur noch selten als ganzheitlicher Ausdruck seines spirituellen, regenerierenden Potenzials erlebt wird.

      Es mag auf den ersten Blick nicht einsichtig sein, warum sexuelle Perversion, sexueller Missbrauch, Gewalttätigkeit und Krieg in direktem Zusammenhang mit dem Mangel an erfüllenden, nährenden orgasmischen Erfahrungen stehen, aber ganz sicher hat die Unterdrückung dieses wesentlichen Aspektes unserer Natur zu all diesen unerfreulichen Erscheinungen entscheidend beigetragen. Aufgrund der Missverständnisse über die Bedeutung der Sexualität, die über die reine Fortpflanzung hinausgeht, kann sich eine Frau leicht gezwungen sehen, ein liebloses, gefühlloses, aggressives Sexleben als gegeben hinzunehmen.

      In dem aufrichtigen Wunsch, Kinder zu gebären und liebevoll für ihre Familie zu sorgen und sie zu ernähren, widmen sich zahllose Frauen all diesen Dingen mit ganzem Herzen, ohne jemals aus der regenerierenden, beseligenden Erfahrung des Orgasmus neue Kraft schöpfen zu können. Der gleiche Mangel an sexueller Erfüllung herrscht aber auch bei den Männern. Die meisten von ihnen glauben selbst nach einem langen Leben sexueller Erfahrungen, dass Ejakulation dasselbe sei wie Orgasmus – was aber, wie bereits erwähnt, ein Trugschluss ist.

      Der biologische Mechanismus, durch den sich Leben hier auf Erden fortpflanzt, ist zweifellos die Basis der Sexualität. Ohne biologischen Sex würde das Leben, wie wir es kennen, ein Ende haben. Bei fast allen tierischen und pflanzlichen Lebensformen vereinigen sich das männliche und das weibliche Element, um neues Leben hervorzubringen. Manchmal befinden sich die beiden Elemente in zwei getrennten Lebewesen, manchmal nicht. Manchmal bedarf es einer körperlichen Vereinigung, manchmal nicht. Wie auch immer das Wunder der Befruchtung stattfinden mag: Sex hat die Funktion, neues Leben zu erschaffen und das kollektive Leben der Spezies fortzusetzen.

      Der sexuelle Vorgang durchdringt mit einer erstaunlichen Totalität und Bedingungslosigkeit sämtliche Ebenen des Lebens in all seinen Erscheinungsformen, um den Fortbestand der Arten zu sichern. Auch wenn es nichts Neues ist: Die menschliche Fortpflanzung wird für immer das Ehrfurcht gebietendste aller Wunder sein. Die Unschuld, Unversehrtheit und zarte Vollkommenheit des keimenden, durchscheinend leuchtenden, neuen Lebens berührt, fasziniert und wärmt unser Herz auf die wunderbarste Art und Weise.

      Die Fähigkeit, einen neuen Menschen zu erzeugen, ist aber nur der biologische Grundausdruck unserer Sexualität, unser sogenanntes „tierisches Erbe“, und als solches beruht er auf einer abwärts gerichteten Energiebewegung. Der männliche Same wird durch die Ejakulation ausgestoßen (unabhängig davon, ob die Frau einen Orgasmus hat oder nicht). Darauf folgen die Verschmelzung mit dem weiblichen Ei und dessen Befruchtung – und damit wird ein neues Leben erzeugt, das verschieden ist von den beiden Leben, die es hervorgebracht haben.

      Die Sexualität des Menschen beinhaltet jedoch sehr viel mehr als nur diese körperliche Funktion der Fortpflanzung. Die Natur hat uns das beglückende Mysterium der sexuellen Vereinigung nicht geschenkt, damit der Mann möglichst schnell seinen Samen los wird und die Frau

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