Das heitere Lexikon der Österreicher. Georg Markus
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»Nein!«, insistierte der Schauspieler. »Ich bin Ambesser, aber kein Professor!«
Als der Garderobier nach der Pause einmal mehr »Herr Professor, bitte umziehen« rief, wollte der Künstler der Sache auf den Grund gehen: »Hören Sie, Pokorny«, fragte er, »warum sagen Sie denn immer Professor zu mir?«
Da gab der Garderobier möglicherweise den wahren Hintergrund jeglicher Titelsucht in Österreich bekannt: »Schaun S’ Herr Professor, mir können sich ja nicht einen jeden Namen merken.«
RAOUL ASLAN
Schauspieler
* 16. 10. 1886 Saloniki/Griechenland † 17. 6. 1958 Litzlberg am Attersee. Kammerschauspieler armenischer Herkunft. Seit 1897 in Wien, ab 1917 am Deutschen Volkstheater, 1920 bis zu seinem Tod als Darsteller klassischer Heldenrollen am Wiener Burgtheater (Hamlet, Mephisto, Torquato Tasso, Nathan der Weise u. a.). 1945 bis 1948 Direktor des Burgtheaters.
Nach dem Krieg war Aslan drei Jahre lang Direktor des Burgtheaters, das infolge der schweren Bombenschäden im Ronacher untergebracht werden musste. Ein alter Schauspieler, der es als Zumutung empfand, in einem ehemaligen Varieté zu spielen, protestierte: »Ich soll im Ronacher auftreten, wie einst dressierte Hunde, Ringer und halbnackte Nummerngirls?«
»Ach was«, sagte Aslan, »die Burg ist dort, wo wir spielen. Nicht das Haus, die Schauspieler sind die Institution!«
Während Aslan im Rahmen einer Burgtheatertournee als Nathan der Weise durch die Niederlande unterwegs war, reiste auch Hans Moser durch Holland. Bei dieser Gelegenheit musste Aslan, der als einer der bedeutendsten Schauspieler seiner Zeit galt und der »Burg« schon seit Jahrzehnten angehörte, vom gewaltigen Unterschied zwischen Film- und Theaterpopularität erfahren. Als Aslan bei der Ankunft am Bahnhof in Amsterdam von keinem einzigen Menschen erkannt oder gar angesprochen wurde, Moser jedoch sofort von einer großen Menschenmenge umringt war, da stieß der Mime verzweifelt aus:
»Iiiich bin das Burgtheater, nicht der Herr Moser!«
Seine »Texthänger« waren fast so berühmt wie sein faszinierender Vortrag. Bei der Premiere von Beaumarchais’ Der tolle Tag am 19. Jänner 1938 erlebte man Aslan in der Rolle des Grafen Almaviva. Da er in dieser Inszenierung immer wieder quer über die Bühne schreiten musste und so den mitunter weit entfernten Souffleur nicht hören konnte, wurden in den Kulissen mehrere Studenten postiert, die mit Taschenlampen im Dunkel der Hinterbühne den Text mitlasen und ihn, wenn nötig, Aslan zuflüsterten.
Als eines Abends die Batterie einer Taschenlampe ausfiel, kam der Student nach dem Akt verzweifelt zu Aslan, um sich dafür zu entschuldigen, dass er seine Stelle im Dunkeln nicht habe lesen können.
»Junger Mann!«, protestierte der Mime wütend. »Jetzt spielen wir dieses Stück schon 15-mal, und Sie können es noch immer nicht auswendig!«
Einmal sollte er in einem Stück den Satz »Ihr seid schlechtweg ein Meister!« sprechen, doch das Wort »schlechtweg« wollte ihm nicht einfallen. Die Souffleuse rief es ihm zu, der Mime lauschte andächtig, wusste aber nicht recht, wo es einzuordnen sei. Da schrie er zurück in den Souffleurkasten: »Ihr seid schlecht! Weg!«
Ein von ihm infolge fortschreitender Texthänger konsultierter Arzt verschrieb Aslan Pulver, die das Gedächtnis unterstützen sollten. Beim zweiten Besuch in der Ordination fragte der Mediziner, ob das Medikament geholfen hätte.
»Es geht mir sehr gut, Herr Doktor«, antwortete Aslan. »Ich hänge zwar mehr denn je, aber ich habe jegliches Schuldgefühl verloren.«
Aslan führt Regie in einer Hörfunkbearbeitung von Hofmannsthals Der Tor und der Tod. Während der Proben ärgert er sich über die Sprechweise des Schauspielers, der in der Rolle des Claudio zu hören ist. »Das muss weicher gesprochen werden«, erklärte er dem unerfahrenen Kollegen und singt ihm die Worte vor: »Die leeetzten Beeerge liiiegen nun iiim Glaaanz.« Als dies der junge Mime nach etlichen Versuchen noch immer nicht schafft, fragt Aslan: »Wie viel zahlt dir der Rundfunk für dieses Hörspiel?«
»100 Schilling.«
»Ja dann«, meint Aslan, »dann ist es sehr gut. Bitte mach weiter.«
HERMANN BAHR
Schriftsteller und Kritiker
* 19. 7. 1863 Linz † 15. 1. 1934 München. Erlangte als Vermittler neuer künstlerischer Strömungen großes Ansehen. Schrieb seine ersten Dramen als Literaturstudent in Berlin. Hielt sich 1891 bis 1912 in Wien auf, wo er die Wochenschrift »Die Zeit« mitbegründete und Wortführer des »Jung-Wien« wurde. Lebte auch in Salzburg und München. Verheiratet mit der Sängerin Anna Bahr-Mildenburg.
Der Wiener Kritikerpapst Hermann Bahr traf Franz Molnár vor Beginn der Premiere eines neuen Molnár-Stücks in den Kammerspielen. Die beiden Herren verabredeten sich für nachher: Ist das Stück ein Erfolg, den es zu feiern gibt, werde man sich im Sacher treffen. Wird das Stück aber ein Misserfolg, wolle man im Café Herrenhof zusammenkommen.
Es kam, wie es kommen musste, beide Herren verbrachten den Abend in großer Einsamkeit. Der Kritiker im Herrenhof, der Autor im Sacher.
Die einheitliche, vor allem unter Künstlern beliebte Barttracht führte zur Jahrhundertwende immer wieder zu Verwechslungen. So wurde Hermann Bahr einmal auf der Straße von einer jungen Dame angesprochen und gefragt, ob er nicht der Schriftsteller Däubler sei.
»Lassen Sie sich nicht durch meinen Bart verwirren«, lachte Bahr und flüsterte ihr ins Ohr: »Ich bin nämlich Johannes Brahms!«
»Ach ja«, entschuldigte sich das Fräulein, »Sie haben doch dieses Buch geschrieben … dieses äh … ich hab’s zu Hause.«
»Sie haben vollkommen Recht«, sagte der sich für Brahms ausgebende Bahr, »von mir stammt Brahms’ Tierleben.«
ALBERT BASSERMANN
Schauspieler
* 7. 9. 1867 Mannheim † 15. 5. 1952 Zürich. Zunächst Chemiker, ab 1895 an den Reinhardt-Bühnen Berlin, galt er bald als einer der bedeutendsten Darsteller. 1912 Filmdebüt, 1933 Emigration mit seiner jüdischen Frau in die Schweiz. 1939 in die USA, wo er seine Filmkarriere fortsetzte, u. a. in Hitchcocks »Foreign Correspondent«. Nach dem Krieg mehrere Österreich-Gastspiele. Ifflandring-Träger.
Als junger Schauspieler trat Bassermann in einem kleinen Theater als Freiherr von Attinghausen in Schillers Wilhelm Tell auf. Nach dem Ende der Vorstellung stürzte der Direktor wütend auf Bassermann zu: »Wie können Sie es sich nur erlauben, in der Sterbeszene so impertinent zu lachen?«
»Aber, Herr Direktor«, antwortete Bassermann, »bei der Gage, die Sie zahlen, ist doch der Tod eine wahre Erlösung.«
Bassermann besuchte ein Bauerntheater, dessen Hauptdarsteller ein nicht untalentierter Schuster war. Nach der Aufführung ging der berühmte Mime hinter die Bühne, um dem Star der Aufführung zu gratulieren: »Das haben Sie wunderbar gemacht, Herr Kollege.«