Das heitere Lexikon der Österreicher. Georg Markus
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OTTO BAUER
Politiker
* 5. 9. 1881 Wien † 4. 7. 1938 Paris. Bedeutender Theoretiker der Sozialdemokratie, Redakteur der »Arbeiter Zeitung«, nach dem Tod Victor Adlers kurze Zeit Staatssekretär des Äußeren; Führer der Sozialdemokratie in der Ersten Republik und Begründer des »Austromarxismus«. Floh nach dem Februaraufstand im Jahr 1934 nach Brünn und nach Hitlers Einmarsch nach Paris.
Nach dem Bürgerkrieg des Jahres 1934 erschien im Prager Tagblatt ein Leitartikel, der den sozialdemokratischen Führern Otto Bauer und Julius Deutsch vorwarf, sich in die Tschechoslowakei abgesetzt zu haben, während die von ihnen verlassenen Schutzbündler in aussichtslosem Kampf in Wien auf den Barrikaden gestanden und fast zweihundert von ihnen ums Leben gekommen sind.
Daraufhin sprach eine Abordnung der Sozialdemokratischen Partei bei Rudolf Keller, dem Herausgeber des Prager Tagblatts, vor, um sich über den Kommentar zu beschweren. Keller lauschte den Vorwürfen des Delegationsleiters ohne zu widersprechen, holte tief Luft und brachte dann seine Entschuldigung hervor: »Meine Herren, Sie wissen doch, wie es zugeht in einer Redaktion – besonders an einem so aufregenden und hektischen Tag wie dem gestrigen. Da herrscht ein entsetzliches Durcheinander, die Meldungen überstürzen sich, man weiß gar nicht, wo man zuerst hinhören soll. Tja, meine Herren: Da kann es dann schon passieren, dass man einmal die Wahrheit schreibt!«
VICKI BAUM
Schriftstellerin
* 24. 1. 1888 Wien † 29. 8. 1960 Hollywood. War nach dem Musikstudium am Wiener Konservatorium als Harfenistin tätig, ehe sie 1926 als Journalistin in Berlin zu schreiben begann. Wanderte 1931 in die USA aus. Ihre erfolgreichsten Romane: »Menschen im Hotel« (1929), »Hotel Shanghai« (1953). Viele ihrer Bücher wurden übersetzt und verfilmt.
Ein Wiener, der die durch ihren Roman Menschen im Hotel weltberühmt gewordene Schriftstellerin Vicki Baum bei einer Premierenfeier in Hollywood kennen lernte, war überrascht von ihrer blendenden Erscheinung und ihrer jugendlichen Ausstrahlung. »Sie sind ja blond und so jung«, wunderte sich der Partygast, »ich dachte, Sie seien grauhaarig und wesentlich älter.«
Vicki Baum sagte darauf nur ein Wort: »Stimmt!«
LUDWIG VAN BEETHOVEN
Komponist
* 16. 12. 1770 Bonn † 26. 3. 1827 Wien. Schuf u. a. neun Symphonien, die Oper »Fidelio«, Messen, Ouvertüren, Klavierkonzerte und Bühnenmusik (»Leonoren«, »Coriolan«, »Die Weihe des Hauses«, »Egmont«). Mit 17 Jahren erstmals in Wien, ehe er 1792 für immer blieb. Verkündete 1802 mit dem »Heiligenstädter Testament« seine zunehmende Schwerhörigkeit, die 1818 zu vollständiger Taubheit führte.
Der als zerstreut und zerfahren beschriebene Beethoven betrat eines Tages die Stube seines Wiener Stammgasthauses Zum Schwan. Er setzte sich an einen Tisch und begann wie immer sofort zu komponieren, wobei er sich so sehr in seine Noten vertiefte, dass er seine Umwelt vollkommen vergaß. Als ihn der Ober nach seinem Wunsch fragte, reagierte Beethoven (der damals noch keineswegs schwerhörig war) nicht. Nach mehreren Stunden stand er, ohne irgendetwas konsumiert zu haben, von seiner Arbeit auf und rief: »Zahlen!«
Auch in Gesellschaft wirkte Ludwig van Beethoven oft »abwesend«, weil er in Gedanken immer ganz bei seiner Musik war. Das ging so weit, dass er bei einem Diner in der Wiener Hofburg dem neben ihm sitzenden Kaiser Josef II. den Takt auf den Rücken schlug. So sehr der Meister von eifrigen Hofbeamten mit Blicken gemaßregelt wurde – der gütige Monarch lächelte nur und sagte: »Ein Untertan hat mich geschlagen, und ich habe ihn nicht bestraft.«
Als er bereits weltberühmt war, pilgerte die Jugend zu Beethoven, wie einst er als junger Musiker zu Mozart gepilgert war. Auch ein Nachwuchskünstler wollte ihm sein Können zeigen. Beethoven hörte sich das Geklimper des Talentlosen an und zog sich mit den Worten aus der Affäre: »Sie müssen noch lange spielen, ehe Sie einsehen werden, dass Sie nichts können!«
Sprach’s und verabschiedete den jungen Mann.
Selbst Beethoven war nicht davor gefeit, das Talent eines Großen zu übersehen. Ein zwölfjähriger Knabe stellte sich dem Meister vor und gab ihm am Klavier Beweise einer für sein Alter wahrhaft erstaunlichen Fertigkeit. Der junge Mann improvisierte und spielte ein Beethoven-Konzert mit großer Sicherheit. Da der Meister jedoch nicht an Wunderkinder glaubte, schickte er ihn wieder fort.
Schließlich konnten ihn Freunde dazu bewegen, ein öffentliches Konzert des jungen Mannes zu besuchen, und jetzt erst erkannte Beethoven, wie sehr er sich geirrt hatte. Er stürzte auf das Podium und umarmte den genialen Knaben. Das Wunderkind war Franz Liszt.
Als Beethoven zum ersten Mal die Neunte Symphonie dirigierte, reagierten die Zuhörer mit heller Begeisterung. Dass er dem Publikum trotz lautstarker Ovationen den Rücken zuwandte, wurde vorerst als Zeichen von Arroganz ausgelegt. Die Sängerin Caroline Unger war es, die begriff, dass der taube Komponist den Jubel des Publikums nicht hören konnte. Sie ging auf ihn zu, nahm ihn an den Schultern und zwang ihn, sich mit dem Gesicht den Menschen im Konzertsaal zuzuwenden. Erst jetzt merkte Beethoven, welch einen Triumph er errungen hatte, und war tief bewegt.
In Karlsbad trafen einmal die beiden größten Genies ihrer Zeit zusammen. Beethoven und Goethe beschlossen, gemeinsam eine Spazierfahrt zu unternehmen. Die Leute, die den Wagen mit den beiden Männern vorbeifahren sahen, blieben stehen und grüßten ehrfürchtig.
»Es langweilt mich, so berühmt zu sein«, sagte Goethe. »Schon deshalb, weil mich alle Leute grüßen.«
»Eure Exzellenz brauchen sich nichts daraus zu machen«, erwiderte Beethoven, »Vielleicht bin ich es, den die Leute grüßen.«
IMRE BÉKESSY
Zeitungsherausgeber
* 13. 11. 1887 Budapest † 17. 3. 1951 ebd. Herausgeber und Chefredakteur der Wiener Boulevardblätter »Der Tag« und »Die Stunde«, denen er mit äußerst dubiosen Methoden zu Anzeigen verhalf. Weltberühmt wurde der in den 20er Jahren bei ihm beschäftigte Reporter und spätere Hollywoodregisseur Billy Wilder. Békessy war Vater des bekannten Schriftstellers Hans Habe.
Karl Kraus nannte ihn »einen Mann von durchaus gesunder Prostitution« und wollte ihn mit den Worten »Hinaus aus Wien mit dem Schuft!« der Stadt verweisen. Auf Imre Békessy und sein auf Korruption aufgebautes Verlagshaus war wohl jener von Fritz Grünbaum stammender Schüttelreim gemünzt, der die Békessy-Journalisten so definierte: »Man kann, wenn sie Bericht erstatten, genau wer sie besticht erraten!«
RALPH BENATZKY
Komponist
* 5. 6. 1884 Mährisch-Budwitz/Tschechoslowakei † 16. 10. 1957 Zürich. Komponist populärer Lieder wie »Ich muss wieder einmal in Grinzing sein«, »Ich weiß auf der Wieden ein kleines Hotel«. Weltberühmt durch das Singspiel »Im weißen Rössl« (1930). Weitere Erfolge: »Bezauberndes Fräulein«, »Axel an der Himmelstür«, »Adieu, Mimi«. Verheiratet mit der Sängerin Josma Selim.
Benatzky wurde vorgeworfen, im Weißen Rössl manch musikalische Anleihe genommen zu