Du darfst nicht sterben. Andrea Nagele

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Du darfst nicht sterben - Andrea Nagele страница 14

Автор:
Серия:
Издательство:
Du darfst nicht sterben - Andrea Nagele

Скачать книгу

Kopf und klopfe die Schneeflocken von meiner Daunenjacke. Über Nacht hat es heftig geschneit, jetzt kommt nur noch Graupel von oben. Aber der Wind ist eisig. Die Straßen sind rutschig und die Gehsteige zum Teil schlecht geräumt.

      Ich habe gerade Zeit, meine Jacke in die Garderobe zu hängen, da steht Julia bereits wieder vor mir. Vorsichtig, als wäre es ein Servierteller mit Delikatessen, balanciert sie ein Paket auf den Händen. Ihre Zungenspitze blitzt zwischen den Zähnen hervor. Sie strahlt vor Aufregung. »Dein toller Typ mit der Rose meinte, ich soll es dir geben, sobald du kommst. Los, schau nach, was drin ist. Ich platze vor Neugier.«

      Julias erwartungsvolle Unruhe hat sich auf mich übertragen. Mir wird heiß. »Gib her.«

      Das steife Packpapier knistert. Obwohl ich es lieber allein geöffnet hätte, bringe ich es nicht übers Herz, sie wegzuschicken.

      »Wow«, sagt sie beeindruckt, als ich Schlittschuhe und eine hellblaue Mütze mit dickem Bommel auswickle.

      Die Sachen sind neu. Einen Moment lang bin ich sprachlos.

      »Freust du dich nicht?«

      »Du sagst, Paul war damit hier? Nicht Anne?« Mein Zeigefinger zeichnet einen Bogen über die Kufen der Schlittschuhe.

      »Deine Schwester? Warum das denn? Nein, dein geheimnisvoller Freund hat das Paket gebracht. Diesmal allerdings ohne Rose zwischen den Zähnen.« Sie lächelt verträumt. »Da ist eine Karte.«

      »Bitte warte heute Abend nach Dienstschluss vor dem Eingang der Eishalle auf mich. Komm unbedingt! Alles Weitere ergibt sich ganz von allein. Kuss, Paul«.

      Verunsichert wende ich das Papier. Eine Eislaufprinzessin im kurzen Röckchen dreht Pirouetten auf einer spiegelglatten Fläche.

      Julia sieht über meine Schulter. »Das ist süß. Er hat ein weiteres romantisches Date organisiert.«

      Ich zucke die Achseln. Ja, wir haben uns inzwischen ein paarmal getroffen, und ja, es war immer romantisch. Trotzdem fühle ich mich überrumpelt. Warum, weiß ich selbst nicht. Unsicher schaue ich auf die Schlittschuhe. Genau meine Größe. Hat Anne etwas mit dieser Überraschung zu tun? Nein. Das ist ausgeschlossen. Die beiden sind sich nicht grün.

      Seitdem Anne und ich wieder sporadisch Kontakt haben, ist sie mir gegenüber gereizt, gerade so, als hätte ich ihr den Urlaub vermasselt, nicht umgekehrt. Und von Paul scheint sie gar nichts zu halten. Keine Ahnung, weshalb, die beiden schienen sich im Hotel in den Bergen ziemlich gut zu verstehen. Manchmal frage ich mich, ob sie eifersüchtig ist. Eifersüchtig auf mich und mein Glück.

      Jetzt aber brennt eine andere Frage in mir.

      Rasch trage ich die Bescherung in die Garderobe, ziehe mein Handy aus der Tasche und schließe mich in der kleinen Kaffeeküche der Bibliothek ein. Ich wähle die Nummer meiner Schwester.

      »Anne, hast du mit Paul Kontakt?«, frage ich, als sie sich meldet.

      »Wie bitte? Spinnst du? Und erst mal guten Morgen.« Sie klingt verhalten.

      »Lenke nicht ab«, sage ich giftig.

      »Und du dreh nicht gleich durch.« Ihre Stimme wirkt auf mich untypisch defensiv. »Was hat er dir aufgetischt?«

      »Aufgetischt? Gar nichts. Er hat in der Bibliothek ein Paket mit Bommelmütze und Schlittschuhen vorbeigebracht.«

      Anne schweigt eine Weile. Ich höre, wie sie tief Luft holt. Dann lacht sie. »Ziemlich kindisch.«

      »Julia findet es romantisch. Hat er bei dir wegen meiner Schuhgröße nachgefragt?«

      »So ein Quatsch.«

      »Er hat mich zum Schlittschuhlaufen eingeladen, wie kommt er auf so eine Idee?«

      »Vielleicht hast du ihm von deiner Leidenschaft fürs Eislaufen erzählt?«

      »Bestimmt nicht. Ich laufe ja gar nicht gern. Das weißt du.« Ich zögere, weil mir etwas einfällt. »Bei dem Abendessen im Hotel haben wir über Eiskunstlauf gesprochen und dass ich mir die Turniere gern im Fernsehen anschaue.«

      »Siehst du. Da hast du es. Also wozu die Unterstellung, ich hätte etwas damit zu tun? Als seine Beraterin für ein Liebesabenteuer mit dir? Nein danke.«

      Ihr Unmut ist nicht zu überhören.

      »Ich verstehe nicht, warum du Paul so ablehnst«, wechsle ich das Thema, weil ich mich augenscheinlich in etwas verrannt habe. »Ist es, weil er dich vor mir kannte und mir den Vorzug gab?«

      »Natürlich nicht«, sagt sie schnell. »Ich weiß selbst nicht so genau, was es ist. Vielleicht seine Ausstrahlung? Die finde ich eigenartig. Alltagskost ist der Kerl jedenfalls nicht.« Ihre Worte klingen wie einstudiert. Dann lacht sie, und ich lache mit.

      Die Spannung löst sich, doch ein Hauch von Unbehagen hat sich in mir festgesetzt und will nicht verschwinden.

      Unzufrieden beende ich das Gespräch und kehre in den Leseraum zurück. Julia steht hinter dem Tresen und nimmt Bücher entgegen. Sie wirft mir einen fragenden Blick zu.

      »Später«, sage ich.

      Als ich ihr in der Mittagspause die ganze Geschichte erzähle, wundere ich mich selbst über meine vorherige Reaktion.

      »Er hat das extra gekauft?« Julia kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. »Dieser Paul ist ein Prachtkerl.«

      »Finde ich auch«, sage ich, und der Hauch Unbehagen löst sich auf.

      Als die Dämmerung langsam in Dunkelheit übergeht, ziehe ich meine Winterjacke an und setze die Bommelmütze auf. Inzwischen freue ich mich auf dieses Date und kann es kaum mehr erwarten, Paul vor der Eislaufhalle zu treffen.

      Es ist offensichtlich, dass Julia Paul bewundert und mich um ihn beneidet, denn sie kann über nichts anderes mehr reden.

      »Ciao, bis morgen!«, rufe ich ihr belustigt zu und laufe, die neuen Schlittschuhe über die Schulter gehängt, die Straße entlang. Bis zu unserem Treffpunkt ist es nicht weit, ein Sichelmond spendet fahles Licht. Schon taucht vor mir die Eishalle auf, aber anders als sonst ist sie heute nicht hell erleuchtet, nicht bereit für abendliche Besucher, sondern thront wie ein finsterer Klotz am Ende des Fußweges.

      Verunsichert bleibe ich stehen. Verdammt, heute ist Mittwoch. Da ist die Halle ab Mittag geschlossen. Enttäuscht will ich umkehren, als mich zwei Arme umfangen. Ich rieche Pfefferminz.

      »Lili. Ich wusste, auf dich ist Verlass.«

      »Ja, auf mich schon. Aber nicht auf die Öffnungszeiten. Heute ist hier geschlossen.« Meine Stimme klingt, als hätte ich ein zu großes Stück Brot verschluckt.

      Doch statt meine Enttäuschung zu teilen, beginnt Paul zu grinsen. »Folge mir und stelle keine Fragen. Ich habe alles im Griff.«

      Er führt mich am Eingang des Gebäudes vorbei zu einer Tür, die im Schatten liegt, und zieht zwinkernd einen Schlüssel aus der Tasche seiner Daunenjacke. »Man muss seine Freundschaften pflegen.«

      Verwundert lasse ich mich durch einen schmalen, nach feuchtem Holz riechenden Flur zur Eisfläche ziehen und presse erstaunt meine Hand auf den Mund.

Скачать книгу