Soziale Interventionen in der Psychotherapie. Группа авторов

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dorthin gefüllt wurde (Geißler-Piltz et al., 2005). Nach Ohling (2015) war eine wichtige Ursache dieser Entwicklungen die in Deutschland tradierte »Identitätskrise« der Profession Soziale Arbeit. Die »direct practice« (Goldstein, 1980, S. 175) der »people helper« (ebd., S. 180), die in den 1970er-Jahren in den USA ein spezifisches sozialarbeiterisches Profil in der Clinical Social Work fand, entwickelte sich in Deutschland zunächst nicht selten weiter von den Aufgaben der Sozialen Arbeit weg, nicht – wie gefordert – zu den Kernproblemen benachteiligter Lebenslagen und sozialer Teilhabe im Kontext psychischer Störungen und Erkrankungen hin (Gahleitner, 2006). Mit dem Entstehen der Klinischen Sozialarbeit in Deutschland seit Mitte der 1990er-Jahre wurde der Arbeit an der sozialen Dimension menschlichen Seins sowie der Arbeit am Verhalten und an den Verhältnissen eine neue (teil)disziplinäre Bleibe geboten, sodass klinisch-therapeutisch arbeitende SozialarbeiterInnen nicht mehr durch eine psychotherapeutische Weiterbildung notwendigerweise die soziale gegen die psychische Dimension austauschen mussten. Ohling (2015) zeigt das bereichernde Potenzial einer solcherart orientierten Sozialarbeit exemplarisch im Kontext von Gesundheitsarbeit, Suchtkrankenhilfe, aufsuchender Familientherapie oder multisystemischer Familientherapie.

      Mit der Einführung des Psychotherapeutengesetzes (1998) wurde zudem das Verständnis von Psychotherapie als verordnungsfähige Kassenleistung auf die individuum- und störungszentrierte ärztliche und psychologische Psychotherapie eingegrenzt (Großmaß, 2004), obwohl laut Gutachten zur Lage der Psychotherapie (Meyer, Richter, Grawe, Graf von der Schulenburg & Schulte, 1991) in Deutschland für die Bundesregierung festgehalten worden war, dass ca. ein Drittel der Psychotherapien mit Erwachsenen durch SozialpädagogInnen bzw. SozialarbeiterInnen durchgeführt wurden (in der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie waren beinahe 90 Prozent der »PsychagogInnen« aus dieser Berufsgruppe). Als fatal für die Zusammenführung der beiden professionellen Stränge erweist sich die Tatsache, dass nach dem Psychotherapeutengesetz Tätigkeiten, »die die Aufarbeitung und Überwindung sozialer Konflikte oder sonstige Zwecke außerhalb der Heilkunde zum Gegenstand haben« (PsychThG, § 1 Abs. 3; Deutscher Bundestag, 1998), nicht zur Ausübung von heilkundlicher Psychotherapie gehören. Das Verhältnis zwischen Psychotherapie und Sozialarbeit in Deutschland ist von diesem Sachverhalt stark geprägt (vgl. zu diesem Diskurs u. a. Heekerens, 2016; Enders & Heekerens, 1994; Johach, 1993; Galuske & Müller, 2005; Gildemeister & Robert, 2005; Müller, 1995; Dörr, 2002; Eyferth & Neumann-Mehring, 1978; Pfannendörfer, 1991). Von sozialpädagogischer Seite werden dabei insbesondere die Abkehr von benachteiligten KlientInnengruppen, eine Verengung von komplexen soziopsychischen Problemdefinitionen und Hilfeformen sowie eine Vernachlässigung reflexiver Kritik in Bezug auf Machtverhältnisse befürchtet (vgl. zusammenfassend Müller, 1995). Bei genauerer Betrachtung finden sich jedoch viele Hinweise für gegenteilige Entwicklungen: Ohne die Präsenz der Sozialen Arbeit in therapeutischen Handlungsfeldern gäbe es eine beachtlich große KlientInnengruppe, die gar nicht oder nicht in der notwendigen Komplexität und methodischen Breite adäquat versorgt würde (vgl. u. a. Gahleitner, Borg-Laufs & Zurhorst, 2008; Köppel, 2005; Rauchfleisch, 1996/2004; Pauls, 2011/2013; Rutz & Pauls, 2017).

      Will man es auf den Punkt bringen, könnte man sagen, Psychotherapie als »bewusster, geplanter, interaktioneller Prozess zur Beeinflussung von Verhaltensstörungen und Leidenszuständen … mittels lehrbarer Techniken auf der Basis einer Theorie des normalen und pathologischen Verhaltens« (Strotzka, 1975, S. 4) hat Symptomminimalisierung und/oder Strukturänderung der Persönlichkeit zum Ziel. Soziale Arbeit befasst sich mit der »Bearbeitung gesellschaftlich und professionell als relevant angesehener Problemlagen« (Klüsche, 1999, S. 44) und verweist damit in Abgrenzung zu Medizin und Psychologie auf einen ethisch fundierten sozialpolitischen Auftrag. Gemeinsam ist diesen beiden Professionen eine »qualitative Differenz zu ›naturwüchsigem‹ sozialen Handeln« (Gildemeister & Robert, 2005, S. 1906). In der Sozialen Arbeit wird jedoch über das Erleben und Verhalten hinaus Verhalten in sozialen Verhältnissen adressiert (»person-in-environment«), soziale Integration und soziale Teilhabe sind das primäre Ziel. Eine (klinisch profilierte) Soziale Arbeit kann keinesfalls ausschließlich »objektive Problemverstrickungen« (ebd., S. 1904) bearbeiten, um die im Verlauf der Biografie internalisierten Folgen sozialer Probleme zu lösen (vgl. insbesondere Sommerfeld, Dällenbach, Rüegger & Hollenstein, 2016).

      Auch Dorfman (1996) stellte sich diesem Spannungsverhältnis ausdrücklich und prägte in den USA den Begriff der »psychotherapy plus« (S. 41). Dieses »plus« ist definiert durch die Vielzahl von Aufgaben der SozialarbeiterInnen, die – im Unterschied zu anderen Professionen – vermitteln, unterstützen, Ressourcen erschließen, erziehen, koordinieren, beraten und den Beratungs-/Behandlungsprozess erforschen und auswerten. Damit schloss sie an die Tradition »sozialer Diagnose« und »sozialer Therapie« der Pionierinnen Richmonds (1917, 1922) und Salomons (1926/2002) an. Eine Vielzahl von Beratungsstellen fußt auf und arbeitet aus dieser Perspektive mit psychotherapeutisch geprägten Ansätzen, Methoden und Techniken, die inzwischen auch in Deutschland für eine Reihe von Arbeitsfeldern und Zielgruppen der Sozialen Arbeit ausdifferenziert wurden (vgl. u. a. Pauls, Stockmann & Reicherts, 2014; Pauls, 2011/2013; Schaub, 2008; Schwendter, 2000; Herausgabebände »Klinische Sozialarbeit« von Dörr, 2002; Gahleitner & Hahn, 2008; Ortmann & Röh, 2008; Zeitschrift »Klinische Sozialarbeit – Zeitschrift für psychosoziale Praxis und Forschung« 2005 ff.). Professionelle Beziehungsarbeit, Gesprächsführung, Beratung, Soziotherapie und Krisenintervention sind ohne diese Wissensbestände gar nicht denkbar. Aus dieser Perspektive kann von der Psychotherapie sogar als »Spezialfall sozialer Beratung« (Crefeld, 2002, S. 32) gesprochen werden, bzw. klinisch orientierte Sozialarbeit könnte aus dieser Perspektive mit ihrer gelungenen Interdependenz von Psychodynamik und Soziodynamik (Schulze, 2006) als Dach für soziale Beratung und Therapie dienen (Crefeld, 2002; Dörr, 2002; Kling-Kirchner, 2000).

      2.2 Möglichkeiten einer strukturellen Integration des Spannungsverhältnisses

      Die Notwendigkeit, Soziale Arbeit in die psychotherapeutische Versorgung zu integrieren, ist zwar für viele Arbeitsfelder nicht gesetzlich verankert, dennoch gibt es aber oft Möglichkeiten der Integration. In der psychosomatischen Akutversorgung z. B. ist der sozialarbeiterische Anteil nicht so stark verankert wie im Bereich der stationären psychiatrischen Versorgung (vgl. Psych-PV: Deutscher Bundestag, 1998), aber es gibt durchaus Richtlinien, auf die man sich beziehen kann. Die allgemeine gesetzliche Verpflichtung von Krankenhäusern, ihren Versicherten soziale Betreuung und Beratung anzubieten und die poststationäre Nachsorge zu organisieren nach § 112 SGB V (vgl. Becker & Kingreen, 2016), kann auch für den Bereich der psychotherapeutischen Akutversorgung herangezogen werden. Darüber hinaus bietet der zur stationären Versorgung eingesetzte Katalog zur Kodierung von Operationen und Prozedurenschlüssel (OPS) des Deutschen Institutes für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) eine wichtige Grundlage für die Integration von Sozialarbeit in die psychotherapeutische Versorgung.

      Sowohl in der Regelbehandlung wie auch bei der psychosomatisch-psychotherapeutischen Komplexbehandlung

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