Dr. Laurin Staffel 17 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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Читать онлайн книгу Dr. Laurin Staffel 17 – Arztroman - Patricia Vandenberg страница 48
Anja nickte. »Ich habe gelernt, gründlich nachzudenken. Ich höre nicht nur die Worte, ich lausche auf die Stimme, lese in den Augen und betrachte die Hände. Wie Sie sehen, lese ich sehr gründlich in dem Buch, das Sie mir mitgebracht haben.«
Dr. Laurin war es jetzt schon bedeutend wohler. Seine Sorgenpatientin wollte das Erlebte nicht verdrängen, sondern bewältigen, und nur so konnte sie in ein normales Leben zurückfinden. Jedenfalls schien auch Patrick Heym einiges dazu beigetragen zu haben.
Anja sprach dann von Cornelia Wolter. Auch davon, dass Patrick ihr den Vorschlag gemacht hatte, einige Zeit mit Nele in seinem Haus in der Provence zu verbringen.
»Eine gute Idee«, meinte der Klinikchef.
»Kann man das annehmen?«, fragte Anja nachdenklich.
»Warum nicht? Es ist wunderschön dort, und die kleine Wolter ist noch nicht weit über Münchens Grenzen hinausgekommen.«
»Ich möchte Sie gern etwas fragen, Herr Dr. Laurin.«
»Fragen Sie nur.«
»Wie kann ein Mensch nur so gewissenlos sein, wie es André Malten war? Haben Sie als Arzt dafür eine Erklärung? Sind Ihnen schon öfter solche Männer begegnet?«
»Leider ja, Anja, aber man darf sich nicht dazu hinreißen lassen, allen mit Misstrauen zu begegnen.«
»Das könnte ich gar nicht. Jetzt nicht mehr, nachdem ich all die Männer vor meinem geistigen Auge Revue passieren ließ, die anständig sind. Es wäre sehr ungerecht. Ich muss mir selber auch Schuld geben. Ich habe nicht auf die warnende Stimme in meinem Innern gehört. Ich war zu selbstsicher und in meinem Stolz gekränkt. Ja, so ist es. Ich wollte mich rächen für die Demütigung, die ich erfahren hatte. Unser Lateinlehrer hat uns ein Sprichwort eingeprägt: Quidquid agis, prudenter agas …«
Sie geriet ins Stocken, und Dr. Laurin vollendete: »Et respice finem! – Was du auch tust, tue es klug und bedenke das Ende«, übersetzte er dann auch gleich. »Ja, Anja, wir haben es auch gelernt, und man vergisst es nicht.«
»Aber ich habe nicht darüber nachgedacht«, klagte sie. »Man merkt sich die Worte und versteht doch nicht, ihren Sinn im richtigen Augenblick anzuwenden.«
»Dafür gibt es auch eine Weisheit«, sagte Dr. Laurin. »Am Abend wird man klug für den vergangenen Tag, doch niemals klug genug für den, der kommen mag.«
»Aber man wird vorsichtig«, erwiderte das Mädchen. »Ich bin froh, dass ich lebe. Ich bin Patrick dankbar, dass er mir das Leben gerettet hat und dass ich hier in die Prof.-Kayser-Klinik kam.«
»Dann werden Sie keine schlechte Erinnerung an uns mitnehmen, Anja?«
»Wie sollte ich?«
»Sie sind ein sehr kluges Mädchen«, lächelte Dr. Laurin.
Das Schicksal war doch so gnädig mit ihr, dass sie das Schlimmste nicht bewusst erleben musste, dachte er, als er wieder hinüberging zur Frauenstation. Aber vielleicht würde sie nicht mehr leben, wenn sie sich hätte zur Wehr setzen können. Vielleicht wäre André Malten auch eines Mordes fähig gewesen. Es war ein abscheulicher Gedanke, und der Arzt hoffte, dass Anja nicht auch so weit denken würde.
Aber auch solche Gedanken verdrängte Anja nicht, und wenn sie dann die Verzweiflung packte, zwang ihr ein fremder Wille den Gedanken an Cornelias Schwester Annabel auf, die mit ihrem Leben dafür bezahlt hatte, André Malten geliebt zu haben und von ihm verraten worden zu sein.
*
Was Annabel widerfahren war, wussten nun auch Arnold und Agnes Heltcamp. Während Nele, erschöpft und leergeweint, in dem freundlichen Gästezimmer eingeschlafen war, saßen sie im Wohnzimmer und gaben sich ihren sorgenvollen Gedanken hin. Man konnte es nicht einfach vom Tisch wischen, dass André Malten in diesem Haus ein und aus gegangen war.
»Es ist nicht auszudenken, dass es auch zu einer Heirat hätte kommen können«, sagte Agnes deprimiert.
»Aber wir können den Kopf nicht in den Sand stecken, meine liebe Agnes«, meinte Arnold. »Wir können an Nele etwas gutmachen. Es ist gut, dass Uwe sie zu uns brachte.«
»Und Anja? Wie wird sich Anjas künftiges Leben gestalten?«
»Das kommt wohl auch auf uns an. Für uns ist sie unser Kind, das wir genauso lieben wie zuvor. Wir werden ihr nicht vorjammern, welche Gedanken uns quälen. Wir werden ihr keinen Vorwurf machen.«
»Den müssten wir uns machen«, sagte Agnes.
»Nein, da muss ich dir widersprechen.«
»Aber wir waren mit dieser Verlobung nicht einverstanden.«
»Und was wäre geschehen, wenn wir widersprochen hätten? Sie hätte sich vielleicht gefügt, aber wäre sie nicht auch der Überzeugung gewesen, dass man Malten Unrecht getan hätte? Wir wollen nicht alle die Wenn und Aber durchdenken, Agnes. Ich müsste dann damit anfangen, dass ich, wenn ich nicht nach München verschlagen worden wäre, dich niemals kennengelernt hätte. Vielleicht wäre ich dann auch an eine Frau geraten, mit der ich todunglücklich geworden wäre, oder ich wäre irgendwo unter die Räder gekommen. Es ist unsinnig, über all das nachzudenken, was geschehen kann, wenn …«
»Ist schon gut, Arnold«, fiel sie ihm ins Wort. »Uwe hat ja auch gesagt, dass Anja alles bewältigen würde. So ganz gefällt es mir nur nicht, dass er Patrick Heym als seinen besten Freund bezeichnet.«
»Uwe hat Charakter, und vielleicht hat Patrick Heym auch viel mehr Charakter, als man ihm zutraut. Wir werden ihn ja kennenlernen. Ich finde, dass er sich großartig benommen hat, und was andere über ihn sagen, soll uns nicht tangieren. Ich habe mich bei ihm zu entschuldigen, und das werde ich tun. Man muss seine Fehler eingestehen können, mein Liebes.«
»Warum konnte Anja nicht einen Mann finden wie dich?«, sagte Agnes leise.
»Mach mich nicht besser, als ich bin. Und was Eltern sich für ihre Kinder wünschen, geht halt nicht immer in Erfüllung.«
»Wenn Uwe nun sein Herz an Nele verloren hat?«
»Na, und wenn schon? Wir können uns doch eine arme Schwiegertochter leisten. Aber Uwe hatte immer einen sozialen Tick. Das ist kein Vorwurf«, fügte er rasch hinzu. »Dein Vater hatte ihn ja auch. Ihm kam es verwerflich vor, mehr zu besitzen als andere, aber schließlich muss es doch einige geben, die den anderen wiederum die Möglichkeit geben, ein annehmbares Leben zu führen. Wir sind deshalb keine Privilegierten, wir haben eine sehr ernst zu nehmende Verpflichtung.«
»Ich widerspreche dir ja gar nicht«, warf Agnes schüchtern ein. »Du machst alles richtig.«
»Nein, so ist es auch nicht. Ich mache manches falsch, aber wir sind Menschen, und wenn man jeden Menschen in Gut und Böse halbieren würde, könnten wir unser blaues Wunder erleben.«
»Ich verstehe nicht, wie du das meinst«, sagte sie verwirrt.
»Wie ich das meine? Darüber habe ich auch lange nachgedacht während dieser Tage. Nehmen wir mal an, es wäre möglich, die guten und die schlechten Anlagen eines Menschen zu trennen und diese in die gleiche Haut zu projizieren. Es würde einen guten und einen bösen Arnold Heltcamp