Handbuch ADHS. Группа авторов

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      Im Gegensatz zu den Befunden der veränderten Reifung der kortikalen Dicke wurden bislang keine Gruppenunterschiede in den Entwicklungsverläufen der kortikalen Gyrifikation beobachtet (Shaw et al. 2012). Diese Befundlage führt häufig zur Fehlannahme, dass sich eine Verzögerung der Hirnreifung innerhalb weniger Jahre automatisch normalisiert und sich die Gehirnentwicklung von ADHS-Patienten irgendwann nicht mehr von der Hirnanatomie von gesunden Probanden unterscheidet. Die aktuelle Datenlage widerspricht allerdings dieser Annahme: Längsschnittliche Untersuchungen von ADHS-Patienten haben gezeigt, dass eine Normalisierung der kortikalen Dicke, besonders des rechten Parietalkortex, nur bei solchen Personen auftrat, deren Symptomatik bis ins Erwachsenenalter deutlich abnahm. Im Gegensatz dazu zeigten solche Patienten diese Konvergenz nicht, die im Erwachsenenalter weiterhin ADHS-typische Residualsymptome aufwiesen (Shaw et al. 2007). In Übereinstimmung mit diesem Befund zeigten auch mehrere Studien mit erwachsenen ADHS-Patienten eine signifikant dünnere Kortexdicke im DLPFC, OFC, ACC, posterioren zingulären Kortex (PCC) und temporo-occipito-parietalen Übergangsbereich (Makris et al. 2007; Proal et al. 2011). Die Rate der kortikalen Ausdünnung in diesen Regionen war umgekehrt proportional zur Schwere der Hyperaktivitäts- und Impulsivitätssymptomatik (Shaw et al. 2011).

      Strukturelle Veränderungen der Basalganglien, einschließlich Globus Pallidus und Striatum mit Putamen und Nucleus Caudatus, wurden bei ADHS-Patienten sowohl mit Hilfe der voxelbasierten Methoden (Frodl und Skokauskas, 2012) als auch durch manuelle Deformationsfeld-Methoden in Region-of-Interest (ROI)-Studien beschrieben (Qiu et al. 2009). Veränderungen im Striatum betreffen allerdings nicht nur das Volumen, sondern auch die Oberflächenkonturen in Regionen, die für Lernprozesse und Belohnungsverarbeitung entscheidend sind (Shaw et al. 2014). Die größte aktuelle Studie zu subkortikalen Veränderungen bei ADHS schloss Bildgebungsdaten von weltweit insgesamt 1713 ADHS-Patienten (davon 489 weibliche Patientinnen) und 1529 Kontrollprobanden (davon 595 weibliche Kontrollen) im Alter zwischen 4 und 63 Jahren ein. In dieser Mega-Analyse des ENIGMA-Konsortiums zeigte sich bei ADHS eine signifikante Reduktion der bilateralen Amygdalae, des dorsalen und ventralen Striatums und des Hippocampus. Eine explorative Modellierung über die Lebensspanne bestätigte interessanterweise nicht nur eine verzögerte striatale Hirnreifung (mit den größten Effekten für die Gruppe der Patienten < 15 Jahren), sondern zeigte auch ein verzögertes Einsetzen der striatalen Volumenabnahme bei ADHS-Patienten nach dem vierten Lebensjahrzehnt (Hoogman et al. 2017).

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      Abb. 5.1: Verzögerte Hirnreifung bei Kindern mit ADHS (NIMH Längsschnittstudie; Shaw et al. 2007).

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      Abb. 5.2: Subkortikale Volumenminderungen bei ADHS (Hoogman et al. 2017).

      Längsschnittstudien zur Entwicklung des Kleinhirns bei ADHS belegen ein verändertes Wachstum sowohl der grauen Substanz (Mackie et al. 2007) als auch der weißen Substanz (Shaw et al. 2018). Während ADHS-Patienten beispielsweise in der Kindheit (< 12 Jahre) eine verlangsamte Reifung der weißen Substanz im Kleinhirn aufweisen, wird dies anscheinend durch ein rascheres Wachstum im Jugendalter (> 12 Jahre) kompensiert. Diese Befunde unterstützen die These, dass bei ADHS eine Störung in der Entwicklung der kortiko-zerebellären Interaktion vorliegt.

      Interessanterweise fand sich in mehreren Meta-Analysen bisher nur der Precuneus als einzige Region, die bei ADHS mit einem erhöhten Volumen der grauen Substanz einhergeht (Ellison-Wright et al. 2008; Nakao et al. 2011, Frodl und Skokauskas, 2012). Der Precuneus zählt wie der mediale präfrontale Kortex, Teile des ACC sowie der superiore Parietalkortex und der Hippocampus zum Default-Mode Netzwerk (DMN). Die Aktivität in diesem Netzwerk ist untereinander korreliert und aktiv im Ruhezustand, wohingegen das Netzwerk beim Lösen von Aufgaben deaktiviert wird. Patienten mit ADHS scheinen insbesondere mit der Deaktivierung des DMN-Netzwerkes während kognitiver Aufgaben Probleme zu haben (image Kap. 5.3). Das vergrößerte Volumen im Precuneus könnte daher eine plastische Folge der verstärkten DMN-Aktivierung (d. h. der verminderten Deaktivierung) sein.

      Seit Veröffentlichung der ersten DTI-Studie zu ADHS (Ashtari et al. 2005) haben immer mehr Forscher diese Untersuchungsmethode eingesetzt, sodass mittlerweile über 50 einschlägige DTI-Studien vorliegen (Konrad und Eickhoff 2010). Diese Studien basieren im Wesentlichen auf zwei analytischen Ansätzen: ROI-basierte oder voxelweise Methoden. In ROI-basierten Ansätze werden die mittleren DTI-Metriken innerhalb eines a-priori bestimmten Traktes oder einer bestimmten Region quantifiziert. Im Gegensatz dazu messen voxelweise Analysen DTI-Metriken in jedem Voxel im gesamten Gehirn, unabhängig vom Gehirngewebe in dem sich das Voxel befindet. Sowohl ROI-basierte als auch voxelbasierte Untersuchungen berichteten eine niedrigere fraktionale Anisotropie (FA) bei Kindern mit ADHS, das heißt eine geringere richtungsabhängige Diffusion und somit eine geringere Integrität der Faserbündel in kortiko-striato-thalamischen Netzwerken und im Corpus Callosum (insbesondere in den hinteren Abschnitten, die bekanntermaßen mit sensorisch-motorischen kortikalen Arealen verbunden sind) (de Zeeuw et al. 2012; Pavuluri et al. 2009; Xia et al. 2012). In voxelbasierten Studien fanden sich darüber hinaus auch zuvor eher wenig berichtete Auffälligkeiten in den zerebellären Verbindungen (sowohl in den zerebellären Pedunculi als auch in den Hemisphären) (Ashtari et al. 2005, Nagel et al. 2011), die zusammen mit den oben beschriebenen volumetrischen Veränderungen die Relevanz von kortiko-zerebellären Netzwerken für die Pathophysiologie von ADHS unterstreichen (image Kap. 5.3).

      5.3 Funktionelle Bildgebungsbefunde bei ADHS

      Entgegen traditioneller Modellvorstellungen, die noch von einem neurokognitiven Kerndefizit bei ADHS ausgingen – besonders von einer zentralen Störung der Inhibitionskontrolle –, nehmen moderne Mehr-Wege-Modelle multiple Defizitbereiche an, die separat oder in Kombination dem Störungsbild zugrunde liegen (image Kap. 6 und image Kap. 8 »Neuropsychologie«). Die damit einhergehende neurokognitive Heterogenität innerhalb der Gruppe von ADHS-Patienten spiegelt sich in der jüngsten Bildgebungsforschung wider. Im Folgenden beleuchten wir fMRT-Befunde zu den mit ADHS-assoziierten kognitiven Defiziten, die zum Teil durch umfangreiche Meta-Analysen bestätigt wurden und die die funktionelle Pathophysiologie der Störung aktuell am besten beschreiben.

      FMRT-Befunde zu »kalten« und »heißen« Exekutivfunktionen

      Am konsistentesten zeigen ADHS-Patienten Defizite in den sogenannten »kalten« Exekutivfunktionen. Hierbei handelt es ich um höhere kognitive Kontroll- und Regulationsprozesse, die zielorientiertes und situationsangemessenes Verhalten gewährleisten, ohne dass affektive Aspekte, wie Motivation oder Emotionen, involviert sind. Besonders betroffen bei ADHS sind die Antwort-Hemmung (Inhibition), die Daueraufmerksamkeit, das Arbeitsgedächtnis und die Zeitverarbeitung (Pievsky und McGrath 2018). Sowohl fronto-striatale als auch fronto-parietale und fronto-zerebelläre Hirnnetzwerke, einschließlich des Thalamus, sind daran beteiligt. Bei der Aktivierung dieser Netzwerke spielen die Neurotransmitter Dopamin, Noradrenalin und Serotonin eine entscheidende Rolle. Da im Zusammenhang mit ADHS eine Störung dieser drei Neurotransmittersysteme, insbesondere des dopaminergen Systems, angenommen wird, erwartet man in diesen Hirnregionen abweichende Aktivierungsmuster.

      Mehrere aktuelle

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