David Copperfield. Charles Dickens

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David Copperfield - Charles Dickens

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nachdem er sie kaum angesehen hat. Er ist der beste Ballschläger, den ich kenne; im Brettspiel gibt er Ihnen so viel Steine vor, als Sie wollen, und er schlägt Sie ohne Mühe.«

      Mr. Peggotty nickte wieder mit dem Kopfe, als wollte er sagen: Das versteht sich von selbst.

      »Und ein Redner ist er,« fuhr ich fort, »daß er jeden für sich gewinnen kann, Sir; und ich weiß nicht, was Sie sagen würden, wenn Sie ihn singen hörten, Mr. Peggotty.«

      Mr. Peggotty nickte wieder mit dem Kopfe, als wollte er sagen: Das glaube ich recht gern.

      »Und er ist so edelmütig, eine so vornehme Natur,« sagte ich, ganz von meinem Gegenstande eingenommen, »daß man ihn überhaupt kaum nach Gebühr loben kann. Ich kann nie genug Dankbarkeit fühlen für die edelmütige Art, wie er mich, den soviel jüngeren und geringeren, auf der Schule beschützt hat.«

      So redete ich eifrig fort, und mitten in meinem Eifer fielen meine Augen auf die kleine Emilie. Sie saß da, über den Tisch gebeugt, und hörte mit der tiefsten Aufmerksamkeit zu, während ihr Atem stockte, ihre blauen Augen wie Saphire glänzten und ihr das Blut in die Wangen stieg. Sie sah so wunderbar begeistert und lieblich aus, daß ich erstaunt innehielt: mit mir zugleich beobachteten sie die andern alle, denn als ich innehielt, lachten sie und sahen sie an. »Emilien geht's wie mir,« sagte meine Peggotty, »sie möchte ihn auch gern mal sehen.«

      Emilie war ganz verlegen geworden, ließ den Kopf hängen und wurde noch röter als vorher. Als sie gleich danach wieder aufblickte, durch die ihr in die Stirn hängenden Locken blinzelte und bemerkte, daß man sie immer noch ansah (ich meinesteils hätte sie stundenlang ansehen können), lief sie fort und blieb weg, bis es fast Schlafenszeit war.

      Ich legte mich in das alte kleine Bett im Bootsspiegel, und der Wind strich klagend über die Dünen, wie ehedem. Doch jetzt konnte ich mich nicht des Gedankens erwehren, daß er um die Dahingeschiedene klagte. Aber statt der Vorstellung, daß die See in der Nacht anschwellen und das Boot fortschwemmen könnte, dachte ich an das Unwetter, das dahergebraust war, seit ich zuletzt diesen Ton gehört, und das meine glückliche Heimat zerstört hatte. Ich weiß, als das Tosen des Windes und das Branden der Wellen schwächer zu werden schien, schob ich noch einen kleinen Zusatz in mein Abendgebet, daß ich ein Mann werden und Klein-Emily heiraten möchte, und schlief dann ganz glückselig ein.

      Die Tage vergingen ziemlich ebenso wie früher, nur – und das war freilich ein großer Unterschied – daß die kleine Emilie und ich nur selten am Strande spazieren gingen. Sie hatte Schulaufgaben auswendig zu lernen und zu nähen und war einen großen Teil des Tages abwesend. Aber ich fühlte, daß diese alten Spaziergänge auch unter andern Umständen weggefallen wären. So ausgelassen und voll kindischer Einfälle Emilie war, so war sie doch schon viel mehr Jungfrau, als ich glaubte. Sie schien in wenig mehr als einem Jahre für mich viel weiter entrückt worden zu sein! Sie hatte mich gern, aber sie lachte mich aus und quälte mich; wenn ich ihr entgegen ging, suchte sie sich einen andern Weg aus und empfing mich lachend an der Tür, wenn ich enttäuscht und mißvergnügt zurückkehrte. Die beste Zeit hatte ich, wenn sie an der Tür saß und arbeitete, und ich ihr auf der Schwelle, zu ihren Füßen, vorlas. Es kommt mir noch jetzt so vor, als ob ich niemals wieder solchen Sonnenschein gesehen hätte, wie an jenem schönen Aprilnachmittag, daß ich niemals eine so sonnige kleine Gestalt gesehen habe, als damals an der Tür des alten Bootes, daß ich niemals einen solchen Himmel gesehen habe, solches Wasser und solche herrlichen Schiffe, die in die goldene Luft hinaussegelten.

      Schon am ersten Abend nach unserer Ankunft erschien Mr. Barkis mit sehr einfältigem Gesicht und in sehr linkischer Weise, mit einer Anzahl Apfelsinen in einem Taschentuch. Da er weiter nichts von diesem Paket sagte, so glaubten wir, er habe es aus Zufall vergessen, als er wegging, bis Ham, der ihm nacheilte, mit der Nachricht zurückkam, daß es für Peggotty bestimmt sei. Nach diesem Tage erschien er jeden Abend genau um dieselbe Stunde und stets mit einem kleinen Paket, von dem er nie sprach und das er regelmäßig hinter die Tür legte und dort zurückließ. Diese Liebesgaben waren von der verschiedensten und seltsamsten Art. Ich erinnere mich zum Beispiel an ein paar Schweinsfüße, ein großes Nadelkissen, ungefähr eine halbe Metze Äpfel, ein Paar schwarze Ohrringe, ein Bund Schalotten, ein Dominospiel, einen Kanarienvogel in einem Käfig und im eine gepökelte Schweinskeule.

      Mi. Barkis Liebeswerbung war von ganz eigentümlicher Art. Er sprach selten ein Wort, sondern saß meistens beim Feuer, ziemlich in derselben Stellung wie auf seinem Wagen, und glotzte Peggotty an, die ihm gegenüber saß. Eines Abends fuhr er, von Liebe begeistert, hastig auf das Stückchen Wachslicht zu, nahm es weg, steckte es in die Westentasche und hieß es mitgehen. Nach diesem Vorfalle war es sein Hauptspaß, sobald Peggotty danach fragte, es aus der Tasche zu holen, was nicht ganz leicht war, denn es war unterdessen halb geschmolzen und klebte regelmäßig an dem Futter der Tasche fest. Es schien ihm bei uns sehr zu gefallen, aber er fühlte sich durchaus nicht berufen, ein Wort zu sprechen. Selbst wenn er Peggotty ein Stündchen am Strande spazieren führte, war ihm daran schwerlich viel gelegen, denn er begnügte sich dann, manchmal zu fragen, ob sie wohlauf sei; und ich erinnere mich, daß sich Peggotty manchmal, wenn er fort war, die Schürze vor das Gesicht hielt und eine halbe Stunde lang lachte. In der Tat belustigten wir uns alle mehr oder weniger über ihn, außer der unglücklichen Mrs. Gummidge, deren Brautstand wohl ganz ähnlicher Art gewesen sein mußte, denn sie wurde durch diese Fälle beständig daran erinnert.

      Als endlich der letzte Tag meines Besuches nahe war, sagte man mir, daß Peggotty und Mr. Barkis zusammen eine Reise machen und Emilie und ich sie begleiten sollten. In Erwartung des Vergnügens, mich einen ganzen Tag der Gegenwart Emiliens zu erfreuen, hatte ich die Nacht vorher nur wenig Ruhe. Schon frühzeitig waren wir alle auf den Beinen; während wir noch beim Frühstück saßen, erschien Mr. Barkis von fern mit seinem Korbwagen, dem Ziel seiner Liebe zusteuernd.

      Peggotty hatte wie gewöhnlich ihre netten, bescheidenen Trauerkleider an; aber Mr. Barkis blühte in einem neuen blauen Rocke, zu dem ihm der Schneider so reichlich Maß genommen hatte, daß die Ärmelaufschläge im kältesten Wetter Handschuhe unnötig gemacht hätten, während sich der Kragen so hoch aufsteifte, daß er seine Haare auf dem Scheitel empordrängte. Die gelben Knöpfe waren vom größten Kaliber. Vervollständigt mit hellgrauen Beinkleidern und einer gelben Weste, hielt ich Mr. Barkis für ein Wunder von Vornehmheit.

      Als wir alle reisefertig vor der Tür standen, fand ich, daß Mr. Peggotty einen alten Schuh hatte, der des Glückes wegen hinter uns her geworfen werden sollte, und den wir zu diesem Zwecke Mrs. Gummidge anboten.

      »Nein, lieber sollte es jemand anders tun«, sagte Mrs. Gummidge. »Ich bin immer ein einsames und verlassenes Geschöpf gewesen; und alles, was mich an ein Geschöpf erinnert, das nicht einsam und nicht verlassen ist, geht konträr mit mir.«

      »Ei, nicht doch, Alte!« rief Mr. Peggotty. »Hier nimm und wirf ihn!«

      »Nein, Daniel!« winselte Mrs. Gummidge und schüttelte den Kopf mit tränenden Augen. »Wenn mir nicht alles so zu Herzen ginge, könnt ich's tun. Ihr fühlt das nicht so wie ich. Euch geht auch nicht alles so konträr, und Ihr seid auch niemand im Wege. Tut's darum lieber selbst!« –

      Aber hier rief Peggotty, die mit großer Eilfertigkeit von einem zum andern gegangen war und alle geküßt hatte, aus dem Wagen, worin wir bereits saßen (Emilie und ich auf zwei kleinen Stühlen nebeneinander), daß es Mrs. Gummidge durchaus tun müsse. Darauf gehorchte Mrs. Gummidge und dämpfte leider durch einen traurigen Schatten den festlichen Charakter unserer Reise, indem sie in Tränen ausbrach und mit der Erklärung, daß sie wisse, aller Welt zur Last zu sein, und wünschte, ins Armenhaus gebracht zu werden, Ham in die Arme sank. Ich fand den Gedanken sehr vernünftig und wünschte im stillen, Ham brächte

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