David Copperfield. Charles Dickens
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Er warf ihr einen halb abmahnenden, halb billigenden Blick zu und fuhr fort:
»Ich glaube, du weißt, David, daß ich nicht reich bin. Jedenfalls weißt du es jetzt. Du hast schon eine ziemliche Erziehung und Schulbildung erhalten. Erziehung ist eine teure Sache; und selbst wenn das nicht der Fall wäre und ich das Geld dazu übrig hätte, so halte ich es nicht für vorteilhaft für dich, in einer Schule zu sein. Was vor dir liegt, ist ein Kampf mit der Welt und je eher du damit anfängst, desto besser.«
Ich glaube, ich dachte daran, daß ich solchen Kampf in meiner Weise schon begonnen hatte; jedenfalls denke ich es jetzt.
»Du hast wohl schon von dem Kontor gehört?« sagte Mr. Murdstone.
»Das Kontor, Sir?« wiederholte ich.
»Von Murdstone und Grimbys Weingeschäft«, erwiderte er.
Ich mochte ihn wohl erstaunt angesehen haben, denn er fuhr hastig fort: »Du hast von dem Kontor gehört, oder von dem Geschäft, oder der Kellerei, oder dem Badeplatz oder von irgend etwas, das damit zusammenhängt?«
»Ja, Sir, ich glaube, ich habe von solchem Geschäft gehört«, sagte ich, denn ich erinnerte mich dunkel an das, was ich von seinem und seiner Schwester Einkommen gehört hatte. »Aber ich weiß nicht wann.«
»Das ist auch gleichgültig«,«erwiderte er. »Mr. Quinion führt das Geschäft.«
Ich sah diesen, der noch immer aus dem Fenster blickte, ehrerbietig an.
»Mr. Quinion hat mich wissen lassen, daß er noch ein paar Knaben beschäftigen kann und daß er keinen Grund sieht, warum er nicht auch dich unter denselben Bedingungen dort beschäftigen sollte.«
»Da er keine andern Aussichten hat, Murdstone«, bemerkte Mr. Quinion halblaut und sah sich nach uns um.
Ohne zu beachten, was jener sagte, fuhr Mr. Murdstone mit ungeduldiger, fast ärgerlicher Miene fort:
»Die Bedingungen sind so, daß du genug verdienen kannst, und Essen, Trinken und Taschengeld hast. Deine Wohnung, die ich besorge, bezahle ich; auch deine Wäsche.« »Deren Stückzahl ich festsetzen werde«, sagte seine Schwester.
»Für deine Kleider soll auch gesorgt werden,« sagte Mr. Murdstone, »da du sie für die erste Zeit nicht aus eigenen Mitteln wirst schaffen können. Du gehst jetzt also mit Mr. Quinion nach London, um das Leben selbständig zu beginnen.«
»Kurz, du bist nun versorgt,« bemerkte seine Schwester, »und wirst deine Pflicht und Schuldigkeit tun.«
Obgleich ich recht gut einsah, daß man weiter nichts im Auge hatte, als mich loszuwerden, so weiß ich doch nicht mehr recht, ob ich darob betrübt oder erfreut war. Ich glaube, ich war so bestürzt darüber, daß ich zwischen beiden Empfindungen hin und her schwankte und mich keiner hingab. Auch hatte ich nicht viel Zeit, mit meinen Gedanken klar zu werden, da Mr. Quinion den nächsten Morgen abreisen sollte.
Seht mich nun am Morgen des nächsten Tages in einem sehr abgetragenen kleinen weißen Hute mit einem schwarzen Flor darum, als Trauer für meine Mutter, in einer schwarzen Jacke und in einem Paar steifen Manchesterhosen – die Miß Murdstone für die beste Rüstung der Beine in dem mir bevorstehenden Kampfe mit der Welt hielt, seht mich so gekleidet, alle meine weltliche Habe vor mir in einem kleinen Koffer, als einsames, verlassenes Geschöpf (wie Mrs. Gummidge sagen würde) in der Postchaise sitzen, die Mr. Quinion zu dem Londoner Eilwagen nach Yarmouth brachte! Seht, wie unser Haus in der Ferne entschwindet, wie das Grab unter dem Baume, von den sich dazwischenschiebenden Dingen verdeckt wird, bis ich dann auch nicht mehr den über meinen Spielplatz emporragenden schlanken Kirchturm sehe und mir der ganze Himmel so leer vorkommt!
Elftes Kapitel. Ich beginne auf eigene Art zu leben, und finde daran keinen Gefallen.
Ich kenne jetzt genug von der Welt, um mich fast über nichts mehr zu verwundern oder zu erstaunen; aber es wundert mich dennoch einigermaßen, daß man mich so leichtfertig in einem solchen Alter verstieß. Ein Kind von vortrefflichen Fähigkeiten, mit großer Beobachtungsgabe, von leichten Begriffen, lernlustig, zart, körperlich und geistig leicht verletzbar, sieht es fast wunderbar aus, daß sich niemand meiner im geringsten annahm. Aber es erschien niemand, und ich wurde in meinem zehnten Jahre ein kleiner dienstwilliger Packesel bei Murdstone und Grimby.
Das Geschäft von Murdstone und Grimby lag an der Themse unten bei Blackfriars. Umbauten haben seitdem die Stelle verändert, aber es war das letzte Haus in einer engen Straße, die sich hügelabwärts zu dem Fluß zog und am Ende ein paar Stufen hatte, wo die Leute die Boote zu besteigen pflegten. Es war ein baufälliges, altes Haus mit einem eigenen Badeplatz und einer Badestelle, die zur Flutzeit in das Wasser hineinragte und bei der Ebbe im Schlamm stand, im buchstäblichsten Sinn ein Rattennest. Die holzgetäfelten Stuben von hundertjährigem Schmutz und Rauch starrend, die morschen Dielen und Treppen, das Quieken und Rascheln der alten grauen Ratten unten in den Kellern, die Unsauberkeit und Verkommenheit des ganzen Gebäudes, sind nicht wie Vergangenes in meinem Gedächtnis, sondern wie eben Erlebtes. Sie stehen so deutlich vor mir, als ich sie in der unglückseligen Stunde sah, in der ich zuerst dorthin kam, mich mit zitternder Hand an Mr. Quinion haltend.
Murdstone und Grimby hatten zahlreiche Verbindungen und mit vielen Leuten zu tun; ihr Hauptgeschäft aber war, gewisse Paketschiffe mit Wein und Branntwein zu versorgen. Ich weiß nicht mehr, wohin diese Schiffe hauptsächlich gingen, aber ich glaube, einige davon fuhren nach Ost- und Westindien, Eine große Menge leerer Flaschen häufte sich infolge dieses Handels alltäglich auf, und eine Anzahl Männer und Knaben waren beschäftigt, diese Flaschen zu untersuchen und zu sondern: gegen das Licht zu halten, die beschädigten beiseite zu legen und die übrigen auszuspülen. Wenn die leeren Flaschen aufgearbeitet waren, so galt es, die gefüllten mit Etiketten zu bekleben, zu korken, zu versiegeln oder in Kisten zu verpacken. Das war meine Arbeit, und ich war einer der damit beschäftigten Knaben.
Außer mir waren drei oder vier andre Jungen auf gleiche Weise beschäftigt. Meine Arbeitsstelle wurde mir in einer Ecke des Warenlagers angewiesen, in der mich Mr. Quinion sehen konnte, wenn er sich auf die unterste Sprosse seines Arbeitsstuhles im Kontor stellte und durch ein neben seinem Pult befindliches Fenster spähte. An diese Stelle wurde der älteste der festangestellten Knaben beschieden, an dem ersten Morgen, an dem ich unter so glänzenden Bedingungen mein »selbstständiges« Leben begann, um mich in meine Arbeit einzuweihen. Er hieß Mick Walker und trug eine zerrissene Schürze und eine papierne Mütze. Sein Vater war Kahnführer, wie er mir erzählte, und beim Aufzuge des Lord-Mayors ginge er in einer schwarzen Sammetmütze mit. Dann berichtete er mir gleichfalls, daß unser Hauptgehilfe ein andrer Junge wäre, den er mir unter dem absonderlichen Namen Kartoffelkloß vorstellte. Indessen erfuhr ich, daß er nicht auf diesen Namen getauft war, sondern daß man ihm denselben nur im Geschäft beigelegt hatte, wegen seines blassen kartoffelartigen Aussehens. Der Vater vom Kartoffelkloß war Wasserträger, bekleidete aber daneben auch noch die Stelle eines Feuermanns bei einem der größeren Theater, in dem eine junge Verwandte von Kartoffelkloß, ich glaube es war seine kleine Schwester, Zwergrollen in den Pantomimen gab.
Keine Worte können die geheime Seelenqual beschreiben, als ich zu dieser Gesellschaft herabsank, als ich diese täglichen Mitarbeiter mit den Genossen meiner glücklicheren Kinderjahre verglich, um gar nicht einmal Steerforth, Traddles oder meine übrigen Mitschüler anzuführen, als ich in meiner Brust die Hoffnung ganz geknickt fühlte, einst zu einem gelehrten, ausgezeichneten Manne heranzuwachsen.