Mami Staffel 12 – Familienroman. Sina Holl
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»Dürfen wir die dann mitnehmen?« fragte Angela.
»Ja, die nimmst du deiner Oma mit«, nickte Ariane.
Angela hielt sie in ihren Händchen, als sie nach Hause fuhren. Diesmal hatte der Teddybär hinten seinen Platz. Sie hatte sich aber bis zuletzt nicht getraut, Ariane anzureden.
»Sie ist aber nicht wie Oma oder wie Anja«, sagte sie unterwegs aus tiefen Gedanken heraus. »Auch die Katarina von Rolf hat mich schon mal in den Arm genommen. So was macht sie wohl nicht?«
»Warte nur, bis ihr euch näher kennt, Angela. Dann wird Ariane auch ganz lieb zu dir sein.« Er überlegte, ob er es ihr sagen sollte. Würde das Kind, noch keine fünf Jahre alt, es schon begreifen?
»Weißt du«, fuhr er langsam fort, »sie hat auch einmal ein kleines Mädchen gehabt. Es hieß Janine. Es ist gestorben. Darum ist Ariane immer noch sehr traurig. So wie ich es wäre, wenn ich dich verlieren müßte, mein Liebling. Deshalb ist sie so. Wir wollen ihr helfen, daß sie wieder froh sein kann. Ja, wollen wir das?«
Gerhard streifte sein Kind mit einem Blick voller Zärtlichkeit. Angela nickte unsicher. Nach einer Weile fragte sie: »Soll ich ihr mal ein Bild malen? Oma sagt, ich könnte schön malen.«
»Das machst du«, stimmte ihr der Vater zu. »Darüber wird sie sich sicher freuen. Vielleicht wird sie es sogar aufhängen.«
»Da schreib’ ich drunter Angela«, sagte die Kleine eifrig. »Das kann ich schon ganz richtig schreiben.«
Möge es so sein, daß sie sich uns allmählich öffnet und zuwendet, hoffte Gerhard inbrünstig, daß er ihr sagen konnte, daß er sie liebte.
Wer wohl dieser Andreas war, mit dem sie telefoniert hatte?
*
Andreas Danegger war Co-Pilot bei einer großen Luftfahrtgesellschaft. Er trug die Uniform, als er kam.
»Ich muß um Null Uhr in Frankfurt sein«, sagte er zu Ariane, die ihn empfing. »Wir haben einen Nachtflug nach Casablanca.«
»Dann haben wir nicht viel Zeit für uns«, bedauerte Ariane.
»Zwei, drei Stunden immerhin, für ein Wiedersehen«, lächelte er ihr zu.
Höflich begrüßte er zuerst ihre Eltern. Es hatte zu den Korffs kaum einen engeren Kontakt gegeben, schon aus räumlichen Gründen. Bei der Hochzeit seines Bruders war er dabeigewesen, später bei der Beisetzung des großen und ach so kleinen Sarges.
Sie gingen bald hinauf in ihre Wohnung. Dort umfaßte Andreas seine Schwägerin leicht, strich ihr mit dem Handrücken über die Wange.
»Ein bißchen heller schaust du schon in die Welt als vor einem dreiviertel Jahr«, meinte er, ihr in die Augen sehend. »Da hatten wir uns kurz bei deiner Tante getroffen.«
»Ja, auch nur zwischen zwei Flügen. Wann wirst du wohl einmal seßhaft werden, Andreas, du ewiger Single? Immer nur hier und da eine Freundin, ist das ein Leben?«
»Mein Beruf bringt das mit sich, Ariane. Wie kann ich einer Frau zumuten, dieses unstete Leben mit mir zu teilen?«
Sie setzen sich.
»Wie geht es deinen Eltern?« erkundigte sich Ariane. »Siehst du sie manchmal? Wir haben kaum noch Kontakt zueinander. Jeder lebt für sich.«
»Ich fahre zu ihnen, so oft es eben geht. Sie haben sich von allem zurückgezogen. Daß sie Michael so früh verlieren mußten, darüber werden sie wohl nie hinwegkommen.«
»Das kann man auch nicht«, sagte Ariane still. »Das können weder die Eltern noch ich, seine Frau.«
Andreas sah sie an. »Aber du, du bist jung, Ariane«, drängte es sich ihm über die Lippen. »Du kannst nicht Jahr um Jahr in dieser für dich viel zu großen Wohnung allein sitzen und nur trauern.«
»Es wird bald ein Mann hier mit mir wohnen, und ein Kind«, sagte Ariane mit unbewegtem Gesicht. »Ja, es ist wahr, Andreas. Du brauchst mich nicht anzusehen, als redete ich in einer fremden Sprache. Die Geschichte ist ganz einfach. Du hast vorhin bemerkt, daß mein Vater nicht gut aussieht. Seine Gesundheit ist angegriffen. Er hatte entsetzliche Sorgen mit der Bank. Die nehme ich ihm mit der Heirat mit einem Mann, der mit seinem Kapital die Bank stützen wird.«
»Du siehst mich fassungslos«, murmelte Andreas.
»Das sind alle, wenn sie davon erfahren. Warum eigentlich? Ich finde das gar nicht so ungeheuerlich. Ich nehme mich selbst nicht mehr so wichtig, weißt du.«
Andreas erhob sich, es hielt ihn nicht länger auf seinem Platz. Er tat ein paar Schritte ins Zimmer hinein und versuchte das Gehörte zu begreifen. Es gelang ihm nicht.
Was war aus ihr geworden, die er als glückliche junge Frau an der Seite seines Bruders gekannt hatte, als strahlende Mutter ihres Kindes.
Konnte ein Mensch sich denn so ganz aufgeben?
Ariane sah zu ihm hin. Es gab keine Ähnlichkeit zwischen ihm und ihrem verstorbenen Mann, weder im Äußeren noch im Wesen. So ungleich konnten Brüder sein. Sie hatte ihn dennoch immer gemocht, den Ungestümen, der heute hier und morgen dort war in fernen Ländern und es gar nicht anders wollte.
»Komm, setz dich wieder. Es sollte dich doch nicht umwerfen«, sagte sie sanft und deutete auf seinen Platz.
Aber er schüttelte nur den Kopf, ließ seinen Blick im Zimmer umhergehen. Plötzlich fiel ihm etwas auf.
»Du hast gar keine Fotos stehen«, stellte er unvermittelt fest.
»Nein. Ich brauche das nicht. Ich habe meine beiden immer vor Augen.«
Andreas hielt inne, sein Blick kehrte zu ihr zurück, richtete sich fest auf sie. »Ich möchte dir etwas sagen, Ariane.«
»Aber bitte nicht«, sie hob in leiser Abwehr die Hände, »daß man nur aus Liebe heiraten sollte, daß es für mich noch ein neues Glück geben könnte, und so weiter. Es wäre sicher gutgemeint, aber in den Wind gesprochen, Andreas.«
»Du verschließt dir selber die Tür zum Leben«, warf er ein.
»Die ist schon lange geschlossen«, sagte Ariane unbewegt.
Doch Andreas sprach weiter: »Ich persönlich wollte dir nichts dergleichen vorhalten, Ariane. Ich hätte dir eher vorgeschlagen, dein früher mal begonnenes Studium wieder aufzunehmen. Daraus ließe sich etwas machen, und du hättest ein Ziel. Aber davon kann nun keine Rede mehr sein. Nein, ich wollte dir etwas anderes sagen.«
Er setzte sich wieder hin, seine Miene war sehr ernst.
»Du weißt, daß ich mit meinem Bruder sehr verbunden war, bei aller Verschiedenheit unseres Naturells. Wir verstanden uns, machmal hatten wir vertraute Gespräche miteinander, nur wir zwei. So sagte Michael einmal zu mir: Andreas, wenn mir mal etwas passieren würde und ich Ariane mit dem Kind zurücklassen müßte…«
»Wann hätte er so etwas gesagt?« fuhr Ariane mit weiß gewordenem Gesicht auf. Ihre Brust hob und senkte sich in raschen Atemzügen.
»Das