Mami Staffel 12 – Familienroman. Sina Holl
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»Er hatte keine düsteren Vorahnungen, Michael doch nicht«, stammelte Ariane. »Wir haben die Reise froh und unbeschwert angetreten, Andreas!«
»Wie dem auch sei… Ich wollte seine Worte mit einer oberflächlichen Bemerkung abtun, so in der Art, na, wer wird denn an so was denken, Bruderherz. Aber das konnte ich nicht. Da war etwas in seinen Augen, das mich zum Schweigen brachte.«
Der Blick des Mannes in Fliegeruniform ging über Ariane hinweg. Er sah die Szene wieder vor sich: Der strahlende Lichterbaum bei den Eltern, das spielende Kind darunter, alle in Feiertagsstimmung, und der Bruder, der ihn irgendwann beiseite genommen hatte.
»Dann soll Ariane nicht allein bleiben, sagte er«, fuhr Andreas mit dunkler Stimme fort. »Es würde sie niederschlagen, das weiß ich. Aber sie muß sich wieder aufrichten. Die Seelen der Dahingegangenen können keine Ruhe finden, wenn die Lebenden sich an sie klammern.«
Sein Blick kehrte zu der Schwägerin zurück.
»So hat er gesprochen, Ariane. Ich schwöre es dir, daß ich Wort für Wort noch im Ohr habe.«
Ariane hatte ihre Hände zusammengekrampft, wie zu einem Gebet.
»Von dieser Seite habe ich Michael nicht gekannt«, brachte sie mühsam über die Lippen. »Daß er solche Gedanken haben konnte… Wir waren doch eine junge, fröhliche Familie…« Sie starrte vor sich hin.
Andreas hob ein wenig die Hände und ließ sie wieder sinken.
»Er war Arzt, Ariane«, gab er zu bedenken. »Michael ist in seinem Beruf mit dem Tod konfrontiert worden. Das mag ihn tiefer berührt haben, als er sich anmerken ließ.«
Nach einem kurzen Schweigen sagte Ariane: »Und ich habe an jenes Weihnachten nur an ein Fest zurückgedacht. Was ging da nur in Michael vor?«
»Es war ja nur ein Moment des Ernstes«, versicherte Andreas. »Nur wie ein Schatten, der ihn gestreift hatte, mitten im Glück.«
Diesmal war das Schweigen länger. Endlich blickte Ariane wieder auf.
»Warum erzählst du mir das erst jetzt, Andreas?« fragte sie.
»Vorher schien es mir noch zu früh«, antwortete ihr Schwager. »Du brauchtest deine Zeit zum Trauern. Aber daß ich dich jetzt immer noch so vorfinde – so wie von Glaswänden eingeschlossen, fern und gleichgültig allem gegenüber, was mit dir geschieht, das läßt mich erschrecken. Ich mußte es dir einmal sagen, Ariane, daß Michael das nicht wollte.«
Er neigte sich zu ihr, seine Stimme wurde immer eindringlicher.
»Richte dich endlich wieder empor, Ariane, wie er es gewollt hätte. Die Kraft mußt du finden!«
Sie zog die Unterlippe zwischen die Zähne und nickte. »Es wird ja nun auch manches anders werden«, sprach sie dann leise.
Mit gerunzelter Stirn fragte Andreas: »Was ist das für ein Mann, den du heiraten willst, nur weil
er Geld hat?« Es klang brüsk. Es war herauszuhören, was er davon hielt.
»So abwertend mußt du das nicht sagen. Er ist ein angenehmer Mensch. Er ist – ja, ich glaube, er ist ein guter Mensch.«
»Liebt er dich?«
»Nein, davon ist keine Rede. Er wird Vaters Teilhaber sein, und er braucht jemand für sein Kind. Wir werden uns arrangieren.«
Es klang abschließend. Sie wollte nicht weiter über Gerhard Schilling sprechen. Er sollte ihrem Schwager nicht in einem falschen Licht erscheinen. Sie besann sich auf ihre Pflichten als Gastgeberin. Sie ließ einen Imbiß heraufkommen, eine Kanne Tee dazu.
»Danke, Hilde«, sagte sie freundlich zu dem Mädchen, das alles auf einem Tablett brachte. »Greif zu, Andreas. Du hast noch eine lange Nacht vor dir.« Sie schenkte ihm Tee ein.
»Ich bin es gewohnt«, winkte er ab. »Nach Marokko sind es drei Stunden, dann kann ich mich aufs Ohr legen. Ich habe erst den Rückflug am Nachmittag. Übermorgen geht es nach Rio…«
In leichterem Ton wurde die Unterhaltung nun geführt, aber unterschwellig klang es noch in ihnen nach, was sie aufgewühlt hatte.
Ernst wurden sie beide auch wieder, als nun bald der Moment des Abschieds gekommen war. »Laß wieder von dir hören«, bat Ariane den Schwager.
»Das werde ich. Und du wirst es nicht vergessen?«
»Nein, Andreas, wie könnte ich das«, sagte sie, mit gesenkten Lidern vor ihm stehend.
Er küßte sie hauchleicht auf beide Wangen. »Adieu, meine Liebe. Mach’s gut.« Es klang bedeutungsvoll.
Als sie dann wieder allein in ihrer Wohnung war und sich umsah, dachte sie: Ich weiß nicht, ob ich es gut machen kann, Michael. Aber ich will es besser machen. Du sollst es nicht umsonst gesagt haben, als du noch mitten im Leben standest, Michael. Ich werde daran denken, Michael.
*
Irene Keßler schaltete den Fernseher ab. Die Worte des Nachrichtensprechers rauschten doch nur an ihrem Ohr vorbei.
Sie setzte sich wieder und nahm das Buch zur Hand, das zu lesen sie angefangen hatte. Aber nach wenigen Minuten legte sie es beiseite, unfähig, sich darauf zu konzentrieren.
Du bist doch nicht gescheit, so nervös zu sein, schalt sie sich selbst. Ariane wollte an diesem Abend mit Gerhard Schilling zu ihr kommen, na und?
Aber ihr war bange davor. Da konnte sie sich noch so oft einreden wollen, daß gerade eine Vernunftehe nicht unbedingt zum Scheitern verurteilt sein mußte. Doch sie hätte sich so sehr etwas anderes für ihre Nichte gewünscht, nämlich eine Beziehung, die ihr wieder Mut zum Leben geben würde. Mit einem Mann, für den sie nichts empfand, der sie seinerseits auch nur aus Verstandesgründen heiratete, würde Ariane in ihrem dumpfen Schmerz verharren. Und nichts konnte ihr doch die geliebten Verstorbenen zurückgeben, nichts das verlorene Glück.
Die Sorge um diese junge Verwandte war eher schwerer geworden, seit sie von der getroffenen Entscheidung wußte.
Sie hatten sich letzte Woche im Geschäft gesehen, aber es war zuviel zu tun gewesen, um ein persönliches Gespräch zu beginnen. Zwei Angestellte fehlten, es war Urlaubszeit. Dafür waren Touristen in der Stadt. Sie kauften Souvenirs, bebilderte Kunstbände von dieser landschaftlich reizvollen Region, Zeichnungen und Gemälde.
Nur einmal, während eines kurzen Luftholens, hatte Irene gefragt: »Wie war das denn nun am vorigen Sonntag mit dem Kind?«
»Frag mich nicht«, war Arianes Antwort gewesen, und sie hatte ihr Gesicht abgewandt.
Ein Grund mehr für die Tante, bedrückt zu sein.
Irene sprang auf, als sie einen Wagen vorfahren hörte. Sie trat ans Fenster. Ja, das waren sie… Sie holte tief Atem und ging ihnen entgegen.
»Ich darf dir Herrn Schilling vorstellen, Tante Irene.«
Sie reichte ihm die Hand, sie begegnete einem klaren, offenen Blick, sah ein gutgeschnittenes,