Andreas Vöst. Ludwig Thoma
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Neben der Treppe ist ein kleiner Altar aufgebaut; davor leuchtet eine rote Ampel still und feierlich in dem Frieden dieses Hauses.
Aber heute wurde es mit einem Male laut. Jemand riß heftig an der Glocke, daß sie durch den Gang schrillte, und als die Köchin Maria Lechner beim Öffnen der Türe den Ruhestörer zurechtweisen wollte, stapfte er schon an ihr vorbei auf genagelten Stiefeln.
Die Schritte hallten an den Wänden wider, und bei dem ungewohnten Lärm zitterten die Heiligenbilder in ihren Rahmen, und die Englein flüchteten erschrocken durch das geöffnete Fenster.
Auch Fräulein Lechner war aus ihrem Gleichmaße gebracht; während sie sonst, wenn Besuch kam, die Hände sittsam zum Gebete faltete, stemmte sie diesmal die Arme in die Seiten und fragte mit fetter Stimme: »Was ist denn das für ein Lümmel?«
Es war Andreas Vöst, der Schullerbauer von Erlbach, und er stieß jetzt an alle Stufen an, daß die alte Stiege krachte und seufzte. Denn sie war an solche Tritte nicht gewöhnt.
Oben unterbrach der Kooperator sein Gebet und schaute entsetzt auf den Gang hinaus. »Gelobt sei Jesus Christus!« sagte er; der Schuller achtete nicht darauf und ging weiter bis zur vordersten Türe.
Er hatte kein Empfinden für die Heiligkeit dieses Hauses, er klopfte mit groben Knöcheln an und wartete kaum auf das »Herein«. Und drinnen stand er breitbeinig vor seinem Seelsorger und sah ihn mit Blicken an, die keine Demut verrieten.
Herr Georg Baustätter, Pfarrer in Erlbach und Kämmerer des Kapitels Berghofen, ging ihm entgegen und lächelte. Aber es lag Trauer in diesem Lächeln.
Und er sagte: »Ich weiß, warum Ihr kommt, Vöst.«
»Dös is net schwaar zum derraten,« erwiderte der Schullerbauer, »also is 's jetzt soweit, daß ma dös kloa Kind eigrabt, als wia r' an Hund?«
»Es ist die Vorschrift unserer heiligen Religion.«
»So, heilig is dös?«
»Werdet nicht heftig!« sagte der Pfarrer und sah auf seine gefalteten Hände nieder, »ich bin doch heute morgen bei Euch gewesen und habe Euch alles auseinandergesetzt.«
»Ja, aba i hab gmoant, es kunnt no anderst wer'n. Jetzt hat da Kaspar scho 's Loch aufgraben. Mei Knecht hat'n g'sehg'n.«
»Wir dürfen über die Gesetze unserer Kirche nicht murren; wir müssen bedenken, daß sie unsere Mutter ist und unser Bestes will ...«
»Und mi müaßten ins no bedanka ...«
»Unterbrecht mich nicht! Es geht Euch wie dem Sohne, der die Strenge der Mutter fühlt, aber nicht sieht, daß sie heilsam ist.«
»Also is jetzt da gar nix mehr z'macha?«
»Wir wollen hoffen, daß Gott dieses Kindlein in den Vorhof der Seligkeiten gelangen läßt; wir wollen darum beten, aber es steht nicht in unserer Macht, dasselbe in geweihter Erde zu begraben.«
»Aba sinscht grabt's an jeden ei, und bal oana köpft werd, nacha grabt's 'n aa 'r ei, und bal ...«
»Ihr versündigt Euch, aber ich will es verzeihen, weil Ihr schmerzlich bewegt seid.«
»I hab koan Schmerz durchaus gar net,« sagte der Schuller und zog seinen ledernen Geldbeutel aus der Tasche. »I hab durchaus koan Schmerz net. Was koscht's, bal 's Kind in Freithof a richtig's Grab kriagt?«
»Es sind Worte genug geredet, Vöst. Geht jetzt heim!«
Die Stimme des Pfarrers klang noch immer sanft, aber seine Augen waren zornig.
Der Schullerbauer achtete es nicht.
»Wos?« sagte er, »ös mögt's mei Geld aa net? Dös muaß des erscht Mal sei, daß a Bauernmensch sei Geld net o'bringt.«
»Geht heim, Vöst! Ich sage es zum letztenmal. Eure Gesinnung ist mir nicht unbekannt; ich weiß wohl, in welchem Hause die schlechtesten Reden geführt werden, und wo der Geist der Auflehnung waltet.«
Der geistliche Hirte war heftig geworden, und er hatte alle Sanftmut verloren. Er hielt seine Hände nicht mehr gefaltet, sondern streckte die Rechte gebieterisch gegen die Türe aus. Der Schuller blickte ihn an.
Nicht ängstlich und nicht zornig. Die Ruhe kam über ihn; gerade, als wäre er zufrieden damit, daß die geistliche Milde verschwunden war.
Und er redete ohne Aufregung.
»I geh' scho, Herr Pfarra. Sie hamm g'sagt, daß S' mi kenna. I kenn Eahna 'r aa, recht guat kenn i Eahna. Und i woaß aa, warum's g'rad bei mein Kind so hoakli is mit da Tauf.«
Er ging zur Türe und hatte schon die Klinke in der Hand. Da drehte er sich noch einmal um.
»Dös möcht' i no sag'n, Herr Pfarra. I bin net z'wegen meiner da herganga. Es is g'rad weg'n der Bäurin g'wen. Sinscht hätt'n S' mi wohl net g'sehg'n.«
Und nach diesen Worten ging er. Als er auf den Gang hinaustrat, stand der Kooperator wenige Schritte entfernt, und Fräulein Lechner huschte eilig in ein Zimmer.
Vöst merkte es nicht, weil ihm zuviel im Kopfe herumging. Und so entging ihm leider auch die Frömmigkeit des Herrn Kooperators, welcher eifrig in seinem Gebetbüchlein las und mit halblauter Stimme den Inhalt vor sich hin sagte.
»Beschämung meiner selbst ... Unglückseliges Gedächtnis! Wie viele boshafte Gedanken hast du zugelassen! Unglückseliger Wille! Wie viele unordentliche Begierden hast du ausgekocht! O Sünde! Wie lieblich scheinest du, da man dich begeht! Wie bitter und abscheulich bist du, nachdem du geschehen ... Ja ... ich schäme mich ...«
Den anderen Tag in aller Frühe wurde das Heidenkind begraben. Keine Glocke läutete, und kein Priester sprach ein Gebet.
Die Hebamme trug den kleinen Sarg; hinterdrein gingen der Schullerbauer, der alte Weiß und der Haberlschneider.
Sonst war niemand dabei.
Der Totengräber Kaspar legte den Sarg ohne viele Umstände in die Grube und warf Erde und Gras darauf.
»Koa Kreuz derf ma net hi'stecken?« fragte der Schuller.
»Na,« sagte der Kaspar, »dös geht gar it. Was moanst denn?«
»Nacha net. Jetzt is scho gleich. Geath's zua! Mi hamm da