Seele auf Eis. Reiner Laux

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Seele auf Eis - Reiner Laux Klarschiff

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Schweigepflicht des Psychologen – im Gegenteil, alle Äußerungen des Gefangenen werden für die zu erstellende Kriminalprognose verwertet.

      Ich wartete auf das Ergebnis meiner Beschwerde und hatte zudem eine Beschwerde an den Kontrollausschuss für die nordrhein-westfälischen Gefängnisse im Düsseldorfer Landtag geschrieben, die an den Petitionsausschuss weitergeleitet wurde.

      Die Monate vergingen. Ich arbeitete in meinem Gefängnisjob als Kammerarbeiter, machte Sport, schrieb − immer in erstickender Spannung unterdrückter unbändiger Wut.

      Der Gefangene, der in eine Beschwerde gegen die Anstalt geht, muss sich damit zunächst an das Vollzugsamt wenden. Erst nach dem Erhalt des gewöhnlich negativen Bescheids kann er in den rechtlichen Beschwerdegang gehen. Da das Vollzugsamt, obwohl als Kontrollinstanz gedacht, in Absprache mit den Anstalten, fast immer gegen den Gefangenen entscheidet und die Entscheidung der Anstalt bestätigt, ist diese langmonatige Wartezeit auf die Negativentscheidung des Vollzugsamtes praktisch ein Zustand der Rechtlosigkeit, in dem dem Gefangenen die Hände gebunden sind und er noch mehr Zeit verliert.

      Da ich nach einem halben Jahr, bis zum Jahresbeginn 2002, immer noch keine Entscheidung vom Vollzugsamt erhalten hatte und mittlerweile ein Jahr seit der Lockerungsverweigerung vergangen war, beantragte ich eine erneute Lockerungsprüfung, über die in einer wenige Minuten währenden Konferenz – in meiner Abwesenheit − entschieden wurde („Dauer der Konferenz: 10 Minuten“ laut Protokoll).

      Die stellvertretende Anstaltsleiterin Preter hatte sich, wie mir der Sozialarbeiter vertraulich mitteilte, vor der Konferenz telefonisch von der Vorsitzenden des Vollzugsamtes, die niemand anderes war als die vormalige, für mich zuständige stellvertretende Anstaltsleiterin der JVA Köln, mit der ich in Köln einen mehrjährigen Kampf als Gefangenensprecher geführt hatte, die Bestätigung eines negativen Beschwerdebescheids eingeholt. Darauf lehnte sie eine Vollzugslockerung, ein Jahr nach der ersten Ablehnung, mit der folgenden Begründung wieder ab:

      „Der Gefangene hat sich gegen die negative Vollzugsentscheidung wiederholt beschwert … Gründe, die es rechtfertigen könnten den psychologischen Dienst erneut zu beteiligen, sind nicht erkennbar. An den äußeren Bedingungen hat sich nichts geändert. Hiesige (therapeutische) Behandlungsangebote nimmt der Gefangene nicht wahr. Erneute Wiedervorlage in einem Jahr.“

      Dass die Wahrnehmung des Rechts auf Beschwerde gegen negative Vollzugsentscheidungen unverblümt als Begründung einer erneuten negativen Vollzugsentscheidung herangezogen wird, spricht für den Geist und den Charakter dieser Anstalt und seiner Protagonisten. Was den anderen Ablehnungsgrund anbetraf – ich würde die hiesigen Behandlungsangebote nicht wahrnehmen – hatte ich mich bereits acht Monate zuvor, sofort nach der von der Anstalt bewirkten Ablehnung der 2/3-Entlassung, wohlweislich um die Führung psychologischer Gespräche bemüht und auf die Warteliste setzen lassen. Dass ein Gefangener mindestens ein Jahr warten muss, bevor ein Psychologe frei wird, ist nicht zynischerweise dem Gefangenen zur Last zu legen, sondern der unzulänglichen Organisation der Anstalt.

      Mein Anwalt hatte bei der Vollzugsamtsvorsitzenden Lüdenscheid die längst bekannte schriftliche Negativentscheidung über meine Beschwerde bis zum 17. 1. 2002 angemahnt. Am 17. 1. 2002 rief die Juristin Lüdenscheid bei meinem Anwalt an, mit der Zusicherung, noch am gleichen Tag den negativen Bescheid zu übersenden, auf den ich dringend wartete, um endlich in den rechtlichen Beschwerdegang gehen zu können. Um in diesen Beschwerdegang zu gehen, reichte es nicht von der Entscheidung zu wissen, sondern er muss dem Gefangenen schriftlich vorliegen. Andererseits reichte der Anstalt das Wissen um eine Negativentscheidung, um selbst einmauernde Negativentscheidungen zu treffen, zumal wenn die Kontrollinstanz eine ehemalige stellvertretende Anstaltsleiterin und damit eine vormalige Kollegin ist, mit der man sich unter der Hand austauscht, wie hier geschehen. – Die Wochen und Monate vergingen, ohne dass uns ein Bescheid erreichte.

      Im Februar 2002 kam der Petitionsausschuss des Landtages in die Anstalt. Man ließ mich unverblümt widerrechtlich und gegen alle meine Proteste nicht vor, sondern schloss mich in meiner Zelle ein. Ich wurde auch nicht vom Petitionsausschuss abgerufen, dem mein Fall hätte bekannt sein müssen. Wie mir Mitgefangene am nächsten Tag erzählten, hatte sich der Ausschuss geduldig Beschwerden von Gefangenen angehört, die einen zusätzlichen Blumentopf auf ihrer Zelle wünschten, oder eine besondere Kondommarke, die es im offiziellen Gefängniseinkauf nicht zu erstehen gab.

      Ich hatte seit Monaten auf diesen Ausschuss gewartet, in der Hoffnung, die Situation im Angesicht und in der offenen Auseinandersetzung mit dem mich hier einmauernden Dreigestirn – Anstaltsleiter, Psychologin, stellv. Anstaltsleiterin – erläutern zu können, das zu feige war, sich mir einzeln oder gemeinsam zu stellen, und von dem die Dame Kachel mittlerweile weggebrochen war, da sie sich sicherheitshalber in die JVA Rheinbach hatte versetzen lassen.

      Die stellv. Anstaltsleiterin Preter, die im März 2002 die Anstalt verließ, um an anderer Stelle ihre Karriere fortzusetzen, empfing mich am letzten Tag vor ihrem Weggang zu dem Gespräch, um das ich sie seit Monaten ersucht hatte.

      Das Gespräch wurde ein Monolog meinerseits. Ich erklärte der Dame Preter, wie ich den Geist und Charakter dieser Anstalt und sie sehen würde:

      „Sie unterstützen und belohnen Heuchelei, Unterwürfigkeit und Denunziation, sind jedoch nicht in der Lage, sich offen mit einem kritischen Gefangenen auseinanderzusetzen, der sich diesem Geist widersetzt, und den Sie darob, aus niederen Revanche- und Disziplinierungsgelüsten, über unsachgemäße und vernichtend negative Vollzugsentscheidungen, über alle Zeit und gegen jede Wahrheit und Gerechtigkeit, einmauern. Andererseits entlassen Sie Gefangene vorzeitig in die Freiheit, deren Lockerungsqualifizierung einzig darin besteht, den Unterwerfungserwartungen der Schließerschaft und Anstaltsleitung hinterherzukriechen und sich für Spitzeldienste anzudienen. Damit verstoßen Sie gegen Ihre Sorgfaltspflicht sowie gegen die elementarsten Prognoseprinzipien, was sich auch darin äußert, dass viele dieser vorzeitig entlassenen Gefangenen, besonders bei Sexualstraftätern, Betrügern und Junkies auffällig, bald wieder rückfällig werden und in Ihre empfänglichen Arme zurückkehren.“

      Das Gesicht der Dame Prater verfinsterte sich während meiner Ausführungen kontinuierlich. Sie presste zwischenzeitlich immer mal wieder ein lahmes „Das sehen Sie so“/ „Das ist Ihre Sicht“ heraus, sodass ich enttäuscht war, nicht einmal einen Gegner vor mir zu haben, der sich einer offenen Auseinandersetzung stellte. Am Ende kam nur noch das von allen kontrollierenden Mächten so gern verwandte wie lächerlich bedrohliche „Wir werden ein Auge auf Sie werfen“, worauf ich lächelte:

      „Endlich sind wir einmal in der gleichen Lage. Ich habe ein Auge auf den Arsch von Emmanuelle Béart geworfen und werde ihn auch nicht bekommen.“

      Weit über ein Jahr nachdem ich sie angefragt hatte, begann ich mit den Therapiegesprächen. Der Psychologe Besser, ein schlaksiger, freundlicher Mann von Anfang fünfzig, war souverän, friedlich, von einem lebensbejahenden Humor und selbstironischer, kritischer Offenheit, der sich bei all den menschlichen Abgründen, all dem Elend und Grauen, dem er sich täglich aussetzen musste, eine kindlich unschuldige Lebensfreude bewahrt hatte. Er war von fachlicher Kompetenz, die sich über einen scharfen Verstand, differenziertes Wissen und eine sensible Zurückgenommenheit ausdrückte.

      Nach meiner Entlassung trafen der Psychologe Besser und ich uns manchmal zufällig in der Kölner Stadtbibliothek. Wir setzten uns dann auf einen Cappuccino ins Bibliothekscafé und plauderten für eine Weile wie alte Bekannte, die sich lange nicht mehr gesehen hatten.

      Es lag nur in der Logik und Dynamik meiner ganzen Situation, dass die Vorsitzende des Vollzugsamtes, die ja bereits Anfang des Jahres 2002 der stellv. Anstaltsleiterin Preter den negativen Bescheid bestätigt hatte, die für den rechtlichen Vorgang notwendige schriftliche Aushändigung noch auf Monate verschleppte. Eine erneute Mahnung blieb ohne Antwort. Erst nachdem ich mit meinem Anwalt Beschwerde wegen Verschleppung beim Landgericht

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