Seele auf Eis. Reiner Laux

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Seele auf Eis - Reiner Laux Klarschiff

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wurde eine Konferenz mit der entscheidenden stellvertretenden Anstaltsleiterin Preter einberufen, von der ich ausgeschlossen war, und auf der das Fräulein Kachel ihre „Exploration“ vortrug. Die stellvertretende Anstaltsleiterin nahm die Beurteilung wider naiven Erwartens an und verweigerte mir aufgrund der psychologischen Stellungnahme den Urlaub und die Verlegung in den offenen Vollzug.

      Ich ließ vom Anwalt die mir verweigerten Kopien des Konferenzbeschlusses und des psychologischen Gutachtens einfordern, und führte ein anderthalbstündiges Gespräch mit dem Anstaltsleiter, in dem er mir gegenüber versicherte, er würde mich, im Gegensatz zur Psychologin Kachel, als „ganz und gar nicht arrogant“ empfinden, und er sähe bei mir „ebenso wenig die“ – im psychologischen Gutachten behauptete – „Fluchtgefahr, wie die Notwendigkeit für therapeutische Gespräche“, die das Fräulein Kachel in ihrer Beurteilung für ein Jahr gefordert hatte, bevor man mich erneut bewerten sollte. Er stellte fest, dass es augenscheinlich wäre, dass „die Psychologin und Sie sich ja offensichtlich überhaupt nicht verstanden und grün gewesen“ wären. Dennoch hatte er nicht die Courage, die Konsequenz zu ziehen und den von der Schmähschrift der Dame Kachel bestimmten negativen Konferenzbeschluss außer Kraft zu setzen.

      Nach einer heftigen Auseinandersetzung mit der stellvertretenden Anstaltsleiterin Preter erhielt ich von ihr eine ausschließlich auf dem psychologischen Gutachten der Psychologin Kachel basierende negative Bewertung zur vorzeitigen Freilassung, auf die sich infolge die über die 2/3-Entlassung entscheidende Strafvollstreckungskammer Wuppertal alleinig berief und meine 2/3-Entlassung ablehnte. Die Kammer stützte sich dabei ausschließlich auf das auch für jeden Laien erkennbare Verunglimpfungsgutachten und ließ die Bewertungen der Arbeits- und Vollzugsbeamten aus dem vielmonatlichen Vollzugsalltag völlig außer Acht, die mich einhellig als „zurückhaltend, freundlich, höflich, hilfsbereit und korrekt“ beurteilt hatten.

      Während der wenige Minuten währenden 2/3-Anhörung hätte ich auch gegen eine Mauer reden oder mich mit meiner Klobürste unterhalten können, da das Ergebnis von vorneherein feststand, wie auch die Anstaltsleitung wusste.

      Der Anstaltsleiter verweigerte mir infolge ein Gespräch über eine weitere, sogenannte Vollzugsplanung mit dem Hinweis, „Ich kann für Sie keine Perspektive entwickeln, für die es sich lohnen würde ,bei der Stange zu bleiben’, statt sich über Vollzugslockerungen der Strafverbüßung zu entziehen, die Sie seit Erreichen des 2/3-Zeitpunktes für völlig ungerechtfertigt halten.“ (Schriftliche Eröffnung Anstaltsleiter)

      Die Anstaltsleitung formulierte hiermit in zynischer Machtarroganz, dass man mir jede Lockerung, Perspektive, Aussicht auf Freiheit und sogar Ansprechpartner verwehren und mich auf Jahre über den 2/3-Entlassungszeitpunkt hinaus einmauern würde, da ich die von Seiten der Anstalt gegen jede Wahrheit, Gerechtigkeit und Folgerichtigkeit zerstörte 2/3-Entlassung nicht als gerechtfertigt ansehen würde. Somit folgte eine Ungerechtigkeit aus der vorausgegangenen und deckte und rechtfertigte sie; ein Kausalitätszug, der sich verselbstständigte und mich in seiner Eigendynamik, die kein Verantwortlicher zu durchbrechen die Courage hatte, auf ein Abstellgleis schob, auf dem ich auf Jahre, ohne Freiheitsaussicht, festgeklemmt war.

      Natürlich hätte ich wissen müssen, dass die drei ausschlaggebenden Entscheidungsträger – Anstaltsleiter, Stellvertretende Anstaltsleiterin, Psychologin – sich gerade im Zweifelsfall gegen einen Gefangenen gegenseitig decken und zu einer einzigen gemeinsamen Abwehrmauer verdichten würden, so sehr sie auch im Einzelnen entgegengesetzter Meinung sein mochten, wie mir der Anstaltsleiter ja offen demonstriert hatte. Um das System im Gesamten zu schützen, mussten Wahrheit und Wahrhaftigkeit dann eben gebrochen werden.

      Ich war mit meinem Anwalt beim Vollzugsamt gegen die Lockerungsverweigerung in die Beschwerde gegangen und begann Fachliteratur zur Praxis der Kriminalprognose zu studieren und die Erkenntnisse in die Beschwerde einzubringen.

      Auch nach den minimalsten Maßstäben der Praxis der Kriminalprognose erfüllte das Gutachten des Fräulein Kachel weder die grundsätzlichen Voraussetzungen noch eines der vorgegebenen Kriterien eines prognostischen Gutachtens, sondern trug alle Züge eines „emotionalisierten Verunglimpfungsgutachtens“, dessen unappetitliche Einzelheiten ich dem geneigten Leser hier ersparen möchte.

      Obwohl die Gutachterin Kachel die Frage, warum sie in ihrem Gutachten weder die Voraussetzungen noch die Kriterien eines psychologischen Diagnosegutachtens erfüllte, in einer sie selbst entlarvenden Weise beantwortete, konnte sie mich dennoch, aus niederen Motiven, mit einem solchen Verunglimpfungsgutachten auf Jahre, gegen alle Wahrheit und Gerechtigkeit, in Gefangenschaft halten. Die Gutachterin in ihrer unangreifbaren Allmachtposition selbst wurde nicht zur Verantwortung gezogen und konnte weiterhin unbehelligt die Psychologie und ihre Funktionalisierung, als Diagnostikerin, missbrauchen, weil man ihr im Gefängnis unverantwortlicherweise einen unkontrollierten Freiraum gegeben hatte, in dem sie marodierend ihre Verstörungen ausleben konnte.

      Umgekehrt wird eine solche Gutachterin wirklich lockerungsungeeignete Gefangene in ihrer Gefahr ebenso wenig erkennen und sie verantwortungslos in die Lockerung und Freiheit entlassen, solange sie sich ihr nur in heuchlerischer Verstellung unterwerfen, ihren leicht durchschaubaren Erwartungen nachkommen und ihr verwüstetes Ego hofieren.

      Das Problem bei psychologischen Begutachtungen ist: Die einzelne Gewichtung und das Wechselspiel von natürlicher Veranlagung, sozialen Einflüssen und dem Ermessensspielraum des individuellen Willens sind viel zu vielschichtig, um Ursachen für Delinquenz klar benennen, bewerten und bearbeiten zu können. Dementsprechend schwer lassen sich die Wirkungen von absolvierten Therapien auf den Gefangenen beurteilen. Das lässt die Gutachter im Nebel stochern, und wenn sie noch von schweren eigenen Persönlichkeitsstörungen, von Aversion und Hass, getrieben zu werden scheinen, wie meine psychologische Gutachterin, wird das ganze zum Desaster.

      Der Gefangene, der der Maschinerie Gefängnis ohnehin total ausgeliefert ist, findet sich bei seiner „Begutachtung“ gleich zwischen mehrere unentrinnbare Mühlsteine gequetscht: Zum einen ist er auf Gedeih und Verderb einem einzigen „Sachverständigen“-Individuum, mit seinen ganz eigenen Stärken, Schwächen, Vorlieben, Aversionen und möglicherweise Verstörungen ausgeliefert. Zum anderen ist er dem Nebel einer als Wissenschaft daherkommenden Spekulation ausgesetzt, gegen die er sich nicht wehren kann. Darüber hinaus wird er fast immer (Ich war da mit Sicherheit eine naive Ausnahme) versuchen, der Erwartungshaltung seines Gutachters bezüglich einer positiven Prognose zu entsprechen und sich demgemäß unterwerfen und verstellen. Der Gefangene wird sich im Vollzug wie bei Therapie- und abschließenden Begutachtungsgesprächen immer mit einer neutralen, unauffälligen Maske zu bewegen versuchen, in dem Wissen, dass jedes Verhalten gegen ihn ausgelegt werden kann: Sagt er z. B., dass er nicht oft an seine Straftat denke, wird ihm vorgeworfen, er verdränge seine Tat und habe sich nicht ausreichend mit ihr und seiner Schuld auseinandergesetzt – Lockerung abgelehnt. Sagt er, er denke täglich an seine Tat, wird ihm vorgeworfen, er hätte sie und seine Ursachen noch nicht ausreichend bearbeitet – Lockerung abgelehnt. Die Sache ist, dass man bei solch einer unscharfen Spekulationswissenschaft wie der Psychologie immer etwas findet, wenn man denn will.

      Ein über 30 Mal vorbestrafter Mitgefangener, der von meinem Kampf gegen die Psychologin Kachel und die Anstaltsleitung gehört hatte, sprach mich einmal in der Freistunde an.

      „Sach ma, Zorro, warum macht es sich ein cleverer Bursche wie du so schwer? Ich hab’ bei der Vogelscheuche (Psychologin Kachel) ’n bisschen geschleimt und ihr gesagt, was sie hören wollte. Das gleiche bei der Preter (Die stellvertretende Anstaltsleiterin) und schon hatt` ich meine positive Prognose und geh in` Urlaub. Meinst du, die glauben deswegen wirklich ich hör’ mit der Shore (Heroin) und den Brüchen auf?! – Du dagegen bist wahrscheinlich der Einzige hier, der nicht wieder einfährt. – Das ist doch alles Scheiße, Alter!“

      Ich versuchte nochmals mit der stellvertretenden Anstaltsleiterin zu sprechen. Als ich das Gutachten in bedachter Weise problematisierte, stellte sie sich mit dem schlichten Satz vor die Dame Kachel,

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