Seele auf Eis. Reiner Laux

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Seele auf Eis - Reiner Laux Klarschiff

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ihrer Mandanten. Sie versäumen wichtige Termine, reichen Schriftstücke zu spät ein, beraten ihre Mandanten irreführend, und verlängern künstlich sinnlos gewordene Verfahren, nur um noch mehr Geld aus den Mandanten zu schlagen.“ − Als ich damals mit ungläubigen Augen gelauscht hatte, war ich davon überzeugt gewesen, er selbst würde sich nicht zu diesen 80 % Prozent zählen.

      Eine andere sich harmonisch ins Bild dieses „Rechtsanwalts“ fügende Begebenheit: Als ich, noch während des laufenden Verfahrens, über meinen zweiten Anwalt eine Anzeige wegen uneidlicher Falschaussage gegen den Denunzianten Gaumeier gestellt hatte, ließ sich Gaumeier in dieser Sache durch die Anwaltskanzlei Feiner vertreten. Wie ich der Akte entnehmen konnte, hatte „mein Anwalt“ Feiner einen Schriftverkehr, in Vertretung, sogar eigenhändig abgezeichnet, bevor ihn mein ermittelnder Kriminalbeamter Nachtigall auf eine anwaltliche Interessenskollision hinwies und Feiners Kanzlei darauf das Mandat niederlegte.

      Mein Kölner Rechtsanwalt Fuchs, − der letztlich mein einziger Anwalt war, der diesen Namen verdient −, war hingegen, im krassen Gegensatz zu Feiner, ein aufrichtig kämpferischer Alt-68er-Anwalt, der sein ehrliches, oftmals selbstloses Engagement in einen desillusionierten, knorrigen Sarkasmus hüllte. Er arbeitete seit dem Ende des Prozessverfahrens 1999 unentgeltlich für mich, da es für ihn „eine Frage der Ehre“ war, gegen die fortwährenden Ungerechtigkeiten der staatlichen Organe gegen mich vorzugehen.

      Statt bei einer rechtzeitig erfolgten, korrekten Strafzeitberechnung, die mein Anwalt Feiner aus niederen egoistischen Motiven verhinderte, im Februar 2000 von der Einweisungsanstalt Hagen direkt in den offenen Vollzug verbracht zu werden, von wo aus ich nach spätestens drei Monaten in die Freiheit entlassen worden wäre, musste ich nun, da ich mich mittlerweile im geschlossenen Vollzug befand, durch das Prozedere des geschlossenen Vollzugs gehen, das erneute psychologische Begutachtung nötig machte und, im Falle einer positiven Bewertung, zunächst nur Wochenendurlaube vorsah und erst dann die Verlegung in den offenen Vollzug. Daran änderte auch nichts, dass meine Beschwerde gegen die Strafzeitberechnung nach einer Ablehnung durch das Landgericht Wuppertal in der letzten Instanz vom Oberlandesgericht Düsseldorf nach Monaten anerkannt und die über dreizehnmonatige Gießener Untersuchungshaft angerechnet wurde, unter der Voraussetzung, dass ich die von meinem früheren Anwalt eingeforderte Entschädigung zurückzahlte.

      Ich kam in den sogenannten Lockerungsvorgang und die Anstaltsleitung versicherte mir, dass ich noch vor dem 2/3-Entlassungszeitpunkt des 9. 4. 2001 in den offenen Vollzug verbracht würde, um meine 2/3-Entlassung sicherzustellen – falls das psychologische Gutachten positiv ausfallen würde.

      Zur Information: Als sogenannter Ersttäter, also jemand der nicht vorbestraft war, erhielt ein Gefangener, wenn er sich denn nichts Gravierendes während der Haft zu Schulden kommen ließ, automatisch die sogenannte 2/3-Entlassung, das heißt, er wird nach Verbüßung von 2/3 der abzugeltenden Strafzeit entlassen. Ausnahmen sind Prominente wie Uli Hoeneß, der nicht nach zwei Dritteln, sondern schon nach der Hälfte der zu verbüßenden Strafe in die Freiheit entlassen wurde, nachdem man ihm zuvor ohnehin einen beschützten Komfortvollzug angedeihen ließ, der mit der wahren Gefängnishölle, und damit der eigentlichen Bestrafung, nichts zu tun hat.

      In der ersten Januarwoche 2001 ging ich an drei aufeinander folgenden Tagen in die sogenannten psychologischen Diagnosegespräche mit der Anstaltspsychologin Kachel. Ich hatte mir vorgenommen, offen und unvoreingenommen in die Gespräche zu gehen, obwohl mir die Warnungen verschiedenster Anstaltsoffizieller doch zu denken gaben („Eine Persönlichkeit wie Sie und Fräulein Strohkopf, vergessen Sie`s“, „Die müsste man aus dem Verkehr ziehen, da hat man den Bock zum Gärtner gemacht“, „Die sitzt in der Kantine immer allein und verkrampft in der Ecke, qualmt eine nach der anderen und kann keinem in die Augen sehen“, „Die ist doch völlig krank, die klebt die abgefallenen, trockenen Blätter von ihren verwelkten Blumen mit Tesafilm wieder an die Stängel“. O-Ton Sozialarbeiter: „Mir hat sie mal erzählt, ,Mit 18 hat mein Liebesleben aufgehört zu existieren. Ich verabscheue Männer, denn Männer sind eklig …’“.

      Die Psychologin Kachel antwortete bei unserer Begegnung weder auf meinen Gruß, noch konnte sie mir in die Augen schauen. Fräulein Kachel schien undefinierbar zwischen 40 und 60 Jahre alt zu sein. Alles an ihr war grau und abgestorben, ein Eindruck, der durch den modrigen Geruch abgestandenen Zigarettenrauchs, den sie ausströmte, noch verstärkt wurde. Sie wirkte bewusst geschlechtslos.

      Während der Gespräche, die mir völlig surreal erschienen, hatte ich das Gefühl, einer grauen, kalt lauernden Spinne gegenüberzusitzen, die in ihrem eigenen modrigen Netz gefangen war. Von Beginn der Gespräche an fühlte ich Fräulein Kachels abwehrende Spannung, die in manchen Gesprächssituationen in unverhohlene Abscheu umschlug. Gleich anfangs überlegte ich, das Gespräch abzubrechen, da ich seine Ausweglosigkeit ebenso wie sein Ende ahnte, doch wusste ich, dass ich zu den Gesprächen mit dieser „Psychologin“ gezwungen war, da ich mir den Diagnosepsychologen nicht aussuchen konnte, der den Gefangenen nach dem Namensanfangsbuchstaben zugeordnet wird.

      Das Grundproblem in diesem ohnehin abgeschlossenen Mikrokosmos Gefängnis ist, dass der Gefangene der Willkür eines einzigen Psychologen ausgeliefert ist und kein kontrollierendes, absicherndes Alternativgutachten von einem zweiten Gutachter möglich ist.

      „Was unterscheidet den normalen Bürger, der keine Banken überfällt, von Ihnen?“, stellte die „Gutachterin“ ihre erste Frage.

      „Der fehlende Mut“, lächelte ich sie ironisch an. An ihrem sich noch mehr verdüsternden Gesicht musste ich erkennen, dass sie offensichtlich keinen Funken Humor hatte, unabhängig von dem Wahrheitsgehalt meiner Aussage.

      Ich führte die Gespräche dennoch fort, blieb die gesamte Zeit über gedanklich ruhig und besonnen, öffnete mich soweit es mir möglich war, ließ mich weder provozieren, noch ging ich auf ihre eingestreuten Zynismen und Gehässigkeiten ein, sondern versuchte, erhobenen Hauptes, so differenziert und offen als möglich, meine Situation zu schildern.

      Immer wieder unterbrach mich Fräulein Kachel, um mir vorzuwerfen, dass ich mich ihr „überlegen fühlen“ würde, worauf ich sie freundlich darauf verwies, dass das offensichtlich ein Problem ihrerseits wäre und nicht meines.

      Die von der Psychologin Kachel abgestrahlte abwehrende Spannung, die den Raum durchzog wie ein zähes Geflecht, verdichtete sich. Als ich auf ihre Frage nach meiner Idee von Liebe, in schwärmerischem Überschwang und glühenden Farben, eine wild romantische Landschaft leidenschaftlicher, hingebungsvoller, befreiender Emotionalität, Erotik und Sexualität in wechselseitiger Achtung in den verspannten Raum malte, zog sich das in verkrampfter Abwehr eingerichtete Gesicht des Fräulein Kachel zu offenem Abscheu zusammen, dass mir diese von Lebens- und Männerängsten gepeinigte lebensunfrohe Frau fast leidtat.

      Immer klarer die Ausweglosigkeit, das kommende Ende und die Auswirkungen dieser „Diagnosegespräche“ sehend, begann ich langsam die Situation zu kippen und problematisierte zunächst die absolutistische, von keiner Kontrollinstanz einsehbare Machtposition der Psychologin, die es ihr ermögliche, eine entscheidende Stellungnahme so zu formulieren, wie immer es ihr gefiele.

      Die Explorationssituation völlig drehend thematisierte ich nun ihre tief verstörte Persönlichkeit und ihre von Lebensund Menschenfurcht getriebenen, mehr oder minder latenten Macht- und Zerstörungswünsche. Fräulein Kachel schien die Zitrone im Hals stecken zu bleiben, während sie verzweifelt nach Luft schnappte.

      Ich teilte ihr mit, dass ich davon ausginge, dass sie eine negative Stellungnahme schreiben würde, die Anstaltsleitung die Zusammenhänge jedoch erkennen würde und so souverän wäre, dennoch eine positive Beurteilung für meine Lockerung in den offenen Vollzug und die 2/3-Entlassung zu fixieren. Damit diktierte ich der Psychologin Kachel faktisch ihre negative Stellungnahme in die Feder, die sie letztlich, nur um vieles grotesker und haarsträubender, auch so formulierte. Am Ende brach sie das Gespräch mitten in meinem

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