Sonderlinge, Außenseiter, Femmes Fatales. Michaela Lindinger

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Sonderlinge, Außenseiter, Femmes Fatales - Michaela Lindinger

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die »der einzige Mann am Hof« genannt wurde, beinahe kultische Verehrung angedeihen ließ. In Salzburg wohnte er nicht nur in ihrem Schloss, sondern bewahrte dort auch diverse Erinnerungsstücke und Besitztümer von ihr auf, von denen er sich zeitlebens nicht trennte. Ein riesiges Gemälde der Mutter hing im Treppenhaus und nahm jeden Gast überlebensgroß und gebieterisch in Empfang. Der viktorianischen Trauerseligkeit entsprechend trug Luziwuzi Fotos von Sophie auf dem Totenbett bei sich und verschenkte die Abzüge an Vertraute.

      Später zog der sogenannte militärwissenschaftliche Casinoverein in sein Palais am Schwarzenbergplatz ein, der bis heute unter dem Titel »Neustädter Offiziersverein« dort zu finden ist. Auch die externe Spielstätte des Burgtheaters »Kasino am Schwarzenbergplatz« erinnert an die k. k. Zeit.

      Solange es einigermaßen ging und Ludwig Viktors Ansehen noch nicht allzu sehr in Mitleidenschaft gezogen war, befahl Franz Joseph seinem einzigen noch lebenden Bruder alle nur möglichen offiziellen Repräsentationsauftritte: Blumencorso am Traunsee, Eröffnung von Ausstellungen (der sehr religiöse »Ausstellungs-Erzherzog« Karl Ludwig war 1896 an verseuchtem Jordanwasser gestorben), Wohltätigkeitsveranstaltungen oder die Schirmherrschaft über das österreichische Rote Kreuz. Ludwig Viktor spulte seine Aufgaben ernsthaft und mit Bravour ab, war als Abgesandter des Kaiserhauses allerorten willkommen und erfreute sich beim Volk großer Beliebtheit. Vor allem das Rote Kreuz nahm er äußerst ernst, 10 000 Gulden kamen von ihm als Spende. Er bereiste weite Teile der Monarchie, um die diversen Einrichtungen zu inspizieren und Verbesserungen anzuregen. Beim verheerenden Hochwasser in Salzburg 1899 half er spontan, spendete erneut viel Geld aus seinem Privatvermögen zur Unterstützung der Menschen, die Wohnung und Besitztümer verloren hatten. Er gestattete sogar eine Wohltätigkeitsveranstaltung in seinem Schlosspark, richtete Ausspeisungen für die Mittellosen ein und ersetzte auf diese Weise das nicht vorhandene Sozialsystem. »So unbeliebt er in Wien gewesen war, so beliebt wurde er in Salzburg«, schrieb eine Lokalhistorikerin. Er war jener Habsburger, der mehr für Salzburg tat als je ein anderer zuvor, und die Einwohner zeigten ihre Dankbarkeit. Ein Platz und eine Brücke wurden nach Erzherzog Ludwig Viktor benannt. Heute tragen sie andere Namen. Sehr früh schon (1901) stand in Salzburg eine Statue zur Erinnerung an Elisabeth. Die treibende Kraft hinter der von Edmund Hellmer geschaffenen lebensnahen Plastik war ihr Schwager, der möglicherweise sogar verhindert hat, dass Katharina Schratt bei der Denkmalsenthüllung »einige huldigende Verse« (ursprüngliches Festprogramm) an die Verblichene zum Besten gab. Die Kaiserin wäre wohl über eine feierliche Zeremonie mit 140-köpfigem Chor und einer eigens dafür komponierten Hymne alles andere als erfreut gewesen, hätte auf das baldige Ende derselben gehofft und nur die Nase gerümpft.

      »Queen of Austria«

      image Theater-Fan »Luziwuzi« stand auch selbst in Frauenkleidern auf der Bühne.

      Die Eskapaden seines bis zu einem gewissen Grad pflichtbewussten, folgsamen und vielseitig einsetzbaren Bruders führten schließlich doch so weit, dass der Kaiser den Skandalprinzen vom Hof in Wien verbannte. Dass er ihn am Ende auch noch entmündigte, hatte gar nicht so viel mit dem Betroffenen selbst zu tun. Es ging um große Politik und nicht (nur) um das Privatleben eines eigenwilligen Erzherzogs, der seine Aufgabe im Leben nicht gefunden hatte. Das alte System des österreichischen Kaiserreiches war durch Ereignisse wie den »Eulenburg-Skandal« im militärisch und gesellschaftlich sehr eng verbundenen Deutschland in Mitleidenschaft gezogen und geschwächt worden. Es fielen in diesem Zusammenhang Worte wie »Verschwörerclique«, »Staatsgefährdung«, »Sicherheitsrisiko« (nach Helmut Neuhold). Der Salzburger Historiker Ernst Hanisch hatte darauf hingewiesen, dass in Europa um 1900 eine Art homophobe Panik und Hysterie zu beobachten war, die mit dem Prozess gegen den irischen Schriftsteller Oscar Wilde (1895) begonnen hatte und mit dem angeordneten Selbstmord des Obersten Redl (1913) (vorerst) ein Ende fand. Homosexuelle Angehörige der Oberschicht hätten sich als geheime Elite betrachtet und den Staat zu unterwandern versucht. An dieser Stelle zu erwähnen ist der Fall des jungen Husarenleutnants Franz Joseph von Braganza, der in der habsburgischen Armee diente und, wie sein Name schon sagt, ein Patenkind des Kaisers war. Er wurde bei der Krönungsfeier des notorischen Frauenhelden Edward VII. in London mit drei Burschen in flagranti erwischt, darunter befand sich ein 15-Jähriger. Der »schöne Prinz« Braganza, der laut Magnus Hirschfeld gern Tüllkleider mit Maiglöckchenstickerei trug, verlor Charge und Chancen, weigerte sich aber, ins »feindliche Lager«, wie er die Heterosexuellen nannte, zu wechseln. Eine aufkommende »Macht der Schwulen« wurde herbeigeredet, wobei diese »Abartigen« nichts Besseres zu tun hätten, als das »Verderben des Volkes« zu planen. Während den einen eine Emanzipation oder vielleicht wenigstens eine Entkriminalisierung der männlichen Homosexuellen nahe schien, steigerte sich auf der anderen Seite die Schwulenangst. Nach dem Fall Redl soll Franz Joseph gesagt haben: »Das also ist die neue Zeit? Und das die Kreaturen, die sie hervorbringt? In unseren alten Tagen wäre so etwas nicht einmal denkbar gewesen!«

      Nun, da irrte er doch gewaltig. »In unseren alten Tagen«, als der kleine Bruder noch jung war, dürfte ihn wohl ein Lakai mit der Homosexualität vertraut gemacht haben – so die mündliche, nicht nachweisbare Überlieferung. Ludwig Viktor selbst hat früh verstanden, dass er anders orientiert war als die Brüder und auch seine Mutter war wohl im Bilde. Jedenfalls hat sie ihm keine »hygienische Gräfin« zugeführt, ein Vorgang, der für die anderen Prinzen ein selbstverständlicher Teil der erzherzoglichen Erziehung war. Sorgfältig ausgewählte und wesentlich ältere »Iniciatricen«, oft Schauspielerinnen, wurden zur sexuellen Erstausbildung der männlichen Teenager engagiert und dafür auch bezahlt. Bei Luziwuzi war es eher so, dass ihm elegante, hübsche junge Männer nachliefen, um sich ihm anzubieten – »unbehelligt von allen Behörden«, wie extra betont wurde, denn homosexuelle Handlungen waren strafbar – und in der Hoffnung auf eine kaiserliche Belohnung. Nicht wenige, die sich später auf ihn berufen haben, soll er vor dem Kerker bewahrt oder vor dem Verstoß durch ihre Familien geschützt haben. Marie Larisch, Nichte von Kaiserin Elisabeth und eine von Rudolfs Kurzzeitgeliebten, erinnerte sich an »einen lustigen, klatschfrohen Mann, dessen Gesellschaften zu den beliebtesten Festlichkeiten des eleganten Wien gehörten. Es liefen mancherlei Gerüchte um über die Neigung des Erzherzogs zu Lastern, die nur in den Tagen des Sokrates geduldet waren.« Zu den Inszenierungen des Theaterbegeisterten gehörten auch seine sich oft wiederholenden hypochondrischen Anfälle, in deren Verlauf er sich die letzte Ölung erteilen ließ und sich wort- und gestenreich von der Familie verabschiedete. Kronprinz Rudolf, der seinen Onkel für »einen gar frommen und dabei lasziven Herrn« hielt, war gelegentlich Zeuge der filmreifen Groteske: »Ich fuhr gleich an sein Schmerzenslager und fand ihn in einem eleganten Schlafkostüm in einem parfümierten Zimmer wie eine alternde Cocotte aufgebahrt. Seine Zunge hat die Sprechruhr.«

      Franz Joseph teilte ausnahmsweise die Meinung vieler Untertanen hinsichtlich gewisser Endzeit-Erzherzöge wie Otto oder eben Luziwuzi, die durch »ihre Disziplinlosigkeiten und Extravaganzen die monarchische Gesinnung der Österreicher schwerer geschädigt haben als die unglückliche Staatsführung und die verlorenen Kriege« (nach Helmut Neuhold). 1861 wurde ein Adjutant Ludwig Viktors ausgetauscht, offenbar wegen »gewisser Vorfälle«. »Man müßt’ ihm als Adjutanten eine Ballerina geben, dann tät nix passieren«, seufzte Franz Joseph, der sich auch um solche Angelegenheiten kümmern wollte. Es gab Hofklatsch über ein sexuelles Verhältnis seines Bruders mit einem Fiaker. Ein (hoffentlich) anderer Fiaker hielt einmal auf Befehl des Erzherzogs mitten auf der Prater Hauptallee, da Ludwig Viktor durch das Kutschenfenster einen gefälligen jungen Mann erblickt hatte. Er stieg aus, machte dem Überrumpelten einen unzweideutigen Antrag und – hatte eine schallende Ohrfeige sitzen. Dem Auserwählten dürfte die Identität des Galans verborgen geblieben sein. Für zufriedenstellend abgeleistete Dienste wurden Liebhaber mit goldenen, brillantbesetzten Uhren und anderen gravierten Schmuckstücken ausgezeichnet, die dann im Dorotheum zwecks Versteigerung auftauchten und aufgrund der Gravur leicht identifizierbar waren. Im Gegensatz zu Ludwig II., dem bayerischen »Märchenkönig« mit seinen versteckten Jagdhütten, lebte Ludwig Viktor seine Veranlagung verhältnismäßig locker und selbstbewusst. Manche waren sogar der Ansicht, er hätte

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