Mit gläubigem Herzen und wachem Geist. Reinhold Stecher
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Wir müssen positiv gepolt sein
Das möchte ich zum Schluss noch sagen. Es scheint mir wichtiger als der eine oder andere Appell. Sie werden manche Dinge, die ich jetzt anklingen habe lassen, vielleicht schärfer und differenzierter sehen. Aber hier möchte ich um der christlichen Grundhaltung wegen insistieren: In einer Zeit einer nicht ganz leichten inneren Situation der Kirche, eines schleichenden Frustes und Erscheinungen der Resignation, in einer Zeit, in der es in der Gesellschaft, in der Politik, im Bereich von Medien und Literatur so etwas wie eine „Lust am Negativen“ gibt, muss man als Christ einen anderen Ton hineinbringen, sonst sind wir reif zum Verschwinden.
Wer sich bemüht, den Willen Gottes aus seinem Wort und den Zeichen der Zeit zu erkennen, der kann doch getrost ans Werk gehen. Und zwar mit einer Motivation, die aus dem Ewigen kommt, und einer Diktion, die selbst in der harten Kritik noch einen Hauch von Liebe birgt, die eben auch aus dem Ewigen kommt, und mit dem Vertrauen, dass man von Christus begleitet ist, mit der Hoffnung, dass grundsätzlich nichts umsonst ist, und mit der realistischen Erwartung, dass heute in vielen Menschen unheimlich viel guter Wille da ist und dass gegen alle erkannten Defizite auch immer wieder Gegentrends auftreten, in die man einsteigen und die man verstärken kann. Wir können und müssen als Christen positiv gepolt sein, das gilt auch dann, wenn wir im sozialen Engagement da und dort gegen Missstände auftreten müssen. Wir müssen Salz der Erde sein, aber bitte nicht jammernde, anklagende, keifende und fanatische Salzsäure. Nicht die humorlose Verbissenheit darf uns kennzeichnen, sondern das heimliche Urvertrauen. Das ist „témoignage chrétien“, christliches Zeugnis.
Natur und Heimat
An den Beginn dieses Kapitels sei ein Text aus dem Buch der Weisheit gestellt: „Du schonst alles, weil es dein Eigentum ist, Herr, du Freund des Lebens. Denn in allem ist dein unvergänglicher Geist.“ (Weish 11,26–12,1)
Immer wieder wurde Reinhold Stecher auch zu säkularen Anlässen und Feierlichkeiten eingeladen, die Festrede zu halten. Dabei hat er seine Zuhörer in deren Lebenswelt abgeholt und Tiefendimensionen unseres Daseins erhellt.
Auch wenn „Tirol braucht Fenster“ als schriftlicher Beitrag für die 50. Jubiläumsnummer der Tiroler Kulturzeitschrift „Das Fenster“ verfasst wurde, ist er ein beeindruckendes und tiefsinniges Gedankenspiel mit dem Bild des Fensters; es folgen Jubiläumsansprachen zu „100 Jahre Tourismus in Tirol“ und „150 Jahre Oesterreichischer Alpenverein“; „Wasser – Schatz der Zukunft“ und „Forstexkursion in die Bibel“, die fast wie ein Hohes Lied auf Natur und Heimat klingen. Wie ein Wünschelrutengänger hat Reinhold Stecher Natur und Heimat abgewandert, um die unterirdischen Ströme ewigen Lebens in das Hier und Heute seiner Zuhörer einfließen zu lassen.
Tirol braucht Fenster
50 JAHRE TIROLER KULTURZEITSCHRIFT „DAS FENSTER“
INNSBRUCK (1991)
Die Wahl des Namens „Das Fenster“ für eine Kulturzeitschrift ist mir immer schon wie ein sprachlicher Wurf vorgekommen, zu dem man gratulieren muss. „Fenster“ ist ein Wort, das die Gedanken kreisen lässt. Vor und hinter Fenstern und durch Fenster hindurch bewegt sich viel. Die alten Germanen hatten für „Fenster“ das Wort „Augentor“ (ahd. augatora) oder „Windtor“ (woher das englische „window“ stammt). Durch die Fenster wandern die Blicke, weht das Leben.
So mag es erlaubt sein, zum Jubiläum dieser Zeitschrift mit dem Bild des Fensters zu spielen, mit den vielen Fenstern, die Tirol hat oder haben sollte, Tore für die Augen des Herzens und den Windhauch des Geistes, seien es nun Scheiben, durch die die Sonne funkelt, oder Läden, die man vor dem Wetter schließt. Es sind viele Arten von Fenstern im Lauf der Jahrhunderte in unserem Land gewachsen, und hinter jedem ist auch ein wenig Tiefsinn verborgen, angefangen von der kleinen Luke, durch die man hinauslugt, oder gar der Schießscharte, durch man misstrauisch auf den Fremden oder das Fremde äugt. Im Allgemeinen sind sie größer geworden, die Fenster in den Häusern der Menschen, und man könnte das als gutes Omen für die Fenster des Geistes nehmen.
Grüßende Blumenfenster
Aber ich möchte doch bei den kleinen Fenstern beginnen, die zwar aus der Zeit stammen, in der Glas noch teuer war und Wärme im Winter das Wichtigste, und die darum nicht ganz den Prinzipien moderner Wohnkultur entsprechen. Aber die zu klein geratenen Augen in den alten Mauer- oder Holzwänden bekommen mit den leuchtenden Pelargonien und Hängenelken so lachende Wimpern, dass sie sozusagen ein tausendfaches, freundliches „Grüß Gott“ übers Land rufen. Die Blumenfenster Tirols könnte man als Symbol einer gewissen Herzlichkeit verstehen, von der man nur wünschen muss, dass sie nicht stirbt. Die Fassaden gewaltiger Bettenburgen können das niemals ausstrahlen. Man weiß, dass besagte Blumenkästen an den Fenstern von innen heraus gepflegt werden müssen – die damit beschäftigten Hausfrauen wissen ein Lied davon zu singen. Und so muss auch jene Herzlichkeit, die Gäste hierzulande erwarten, von innen heraus gepflegt werden. Man kann es im Lande des hochprofessionellen Tourismus nicht oft genug sagen, dass das Gelingen eines Dienstes am Menschen nie nur die Sache perfekten Managements sein kann, sondern eben wiederum einer gewissen menschlich-gelösten Atmosphäre bei den Beherbergern und ihren Mitarbeitern. Man kann die Atmosphäre der Herzlichkeit nicht herbeischauspielern. Sie muss von innen kommen, wie die Pflege der Pelargonien.
Aber die kleinen Fenster, die sich hinter den farbigen Buschen verstecken, lassen mich noch nicht aus. Sie sagen nicht nur ein herzliches Grüß Gott, sie pfeifen sozusagen in charmant-unbekümmerter Weise noch eine andere Parole übers Land. Sie können zwar nicht Englisch, sondern nur Zillertalerisch, Stubaierisch oder Defreggerisch, aber die Parole, die sie verkünden, ist nun einmal in Englisch über die Welt gezogen und hinein in die anthropologische und politische Literatur gewandert, und so schreib ich sie in dieser Sprache nieder: Small is beautiful.
Diese Erkenntnis ist kein spätromantisches Seelenrülpserchen. Das Humanum stirbt heute nicht so sehr an der Verkümmerung, sondern an den Wucherungen. Das Leben wird von Karzinomen der Maßlosigkeit befallen: dem Traum vom grenzenlosen Wachstum, den Zusammenballungen gewaltiger Wirtschaftsmächte, der Megalomanie der Pläne, der Einebnung gewachsener Besonderheiten, der Degeneration der Abendlandsidee zum Supermarktkonzept. Bei aller Notwendigkeit gewisser Zusammenschlüsse und ihrer friedenserhaltenden Bedeutung bleibt doch das Grundgesetz, dass funktionierendes menschliches Leben und Zusammenleben eine geheime Verbindung zu überschaubaren Größenordnungen hat. Und deshalb hat die fröhliche Hymne der kleinen Fenster vom Glück des Begrenztseins ihre Aktualität: Klein ist schön. Die Rangordnung der Staaten der Welt nach Lebensqualität sagt übrigens in nüchterner Form genau dasselbe. Wenn die Bürotürme und Schaltzentralen derer, die in allem das Sagen haben wollen, noch so imposant in den Himmel wachsen und die Mammutkonzerte der Macht intonieren, das Lied „Tirol isch lei oans, isch a Landl, a kloans“ müsste sich dagegen behaupten, und zwar nicht aus folkloristischer Sentimentalität, sondern aus der nüchternen Erkenntnis humaner Lebensgesetze.
Die kleinen Blumenfenster sind wirklich mehr als ein Fotomotiv, wir brauchen sie als Botschaft.
Erker der Wachheit
Seit eh und je waren Fenster auch Ausdruck des Bedürfnisses, das Leben einzufangen, die Isolation zu