Mit gläubigem Herzen und wachem Geist. Reinhold Stecher

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Mit gläubigem Herzen und wachem Geist - Reinhold Stecher

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Zweites möchte ich die Geleise in die Weite nennen, in die geistige und in die pastorale Weite. Da müssen wir Züge mit Aussichtswagen zusammenstellen. Für die Zukunft braucht die Kirche Menschen mit Horizont, sonst werden wir abgestellt, wie eine Sekte. Wir müssen auf den Hauptstrecken bleiben, uns nicht auf Nebengeleise abdrängen lassen. Das können wir aber nur, wenn wir Menschen mit Horizont, mit geistiger Weite haben. Es braucht eine wache und wachsame Auseinandersetzung mit dieser Welt, in der wir leben. In einer Welt, die alle zehn Jahre ihr Wissen verdoppelt, brauchen wir Menschen mit Horizont, mit Kenntnissen und Kompetenz. Wir können selbst nicht alles wissen, müssen aber eine große Offenheit gegenüber allem bewahren. Die Kirche braucht geistig wache Leute in allen Bereichen. Wir brauchen darum in der Kirche einen Zug, der in Richtung eines Bildungsstandes fährt. Wir brauchen eine gute Theologie und dabei eine Unterscheidung zwischen dem, was wesentlich ist, und dem, was unwesentlich ist.

      Wir brauchen Geleise in eine pastorale Welt, weil heute viele, viele Menschen auf dem Weg sind. Die Schäflein weiden nicht mehr in der grünen Mulde. Viele sind am Rande, viele am Wege. Es ist nicht alles in das Schema der praktizierenden Katholiken einzuordnen. Eine Frage ist die Zulassung zu den Sakramenten von wiederverheirateten Geschiedenen. Es sind oft gute Leute. Die Statistik gibt nicht die geistige Situation unserer Leute wieder.

      Vergessen wir nicht auf die Zusammenstellung von Zügen pastoraler Weite. Wir müssen schauen, dass wir den Leuten nicht unnötigerweise das Einsteigen in die Züge erschweren oder verweigern. Wir müssen in der Seelsorge auch Leute ansprechen, die nicht zu den treuen Sonntagsgottesdienstbesuchern zählen. Der Schafhirte auf der Alm hat die Schafe während der Alpungszeit einige Male gesalzt, damit sie nicht ganz wild werden. Wir werden auch mit ähnlichen Formen und ähnlichem Erfolg in der Pastoral zufrieden sein müssen (Saisonchristen), einige Begegnungen und etwas „Salz“, wonach sie Verlangen haben, damit sie nicht ganz „wild“ werden.

      Geleise in die Geborgenheit

      Auf dem Bahnhof der Kirche der Gegenwart müssen Geleise in die Geborgenheit angeboten werden. Christentum besteht gewiss nicht nur in Streicheleinheiten. Es gibt aber eine unausrottbare Sehnsucht des Menschen nach Geborgenheit. Ich glaube, dass dieses Angebot an Geborgenheit zutiefst dem entspricht, was der Herr gesagt hat, aber in der Kirche von heute zu wenig gepflegt wird. Wir sind unzählige Male in den Beichtstühlen gesessen. Was hat es da für Fixierungen gegeben. Für zahlreiche ganz brave Christen ist die Todsünde der normale Zustand gewesen, aus dem sie vielleicht zu Ostern, Portiunkula, Allerheiligen, Weihnachten herausgekommen sind. Wir haben die Züge in die Geborgenheit blockiert.

      Züge in die Geborgenheit sind deshalb so wichtig, weil die Menschen von heute in einer entbergenden Welt leben. Schauen Sie die Kinder an, die aus zerbrochenen Ehen kommen. Schauen Sie die Städte an mit ihrer Dichte und ihrer Hast. In diesem Vielerlei gibt es eine Entbergung durch Vermassung und Isolation. Je mehr die Zusammenballung der Menschen erfolgt, umso mehr gibt es Isolation, die Entbergung ist, mangelnde Geborgenheit. Dann gibt es Entbergung durch ständige Überproblematisierung. Wenn der Glaube immer nur ein Problem ist, dann geht einem das auf die Nerven. Es gibt dann Entbergung durch optische Kaskaden und Lärm, durch mangelndes Wertebewusstsein. Werte bieten Geborgenheit. Verfall der Werte nimmt dem Menschen die Heimat. Dann gibt es die Entbergung durch praktischen Gottesverlust. Makaber und symbolisch zugleich ist es, dass das Urbild der Geborgenheit durch Kultur und Theologie herauf der Mutterschoß ist. Dies ist der gefährlichste Ort heute. Nicht in Kroatien, nicht im Zweiten Weltkrieg, nicht in Somalia starben und sterben die meisten Menschen, sondern im Mutterschoß. Deshalb muss die Kirche auf dem Bahnhof der Gegenwart Züge in die Geborgenheit anbieten. „Schalom“4 drückt diese Geborgenheit aus. Wir kennen aus dem Alten und Neuen Testament das hebräische Wort: „Rächäm“. Wir übersetzen es mit Gnade. „Denn ewig währet seine Huld.“ Dieses Wort begleitet uns durch die ganze Offenbarung hindurch. Damit ist alles ausgedrückt, was aus liebender Zuneigung Gottes für den Menschen da ist. „Rächäm“ bedeutet Mutterschoß. Ein mütterliches Element ist zum Ausdruck der Liebe Gottes geworden. Der Sprache nachzuforschen, führt zum Kern.

      Schreiben wir uns aus der Schrift heraus, wie oft Christus als der Bergende auftritt. „Kommet alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid …“ Dieses Wesentliche des Bergenden müssen wir betonen. Wir dürfen aber auch das menschlich Bergende nicht vergessen. Bergende Bezüge wie Wiederholung gehören zum Menschen. Wenn es jedes Mal anders wird, wird der Mensch verunsichert. Es gibt viele Formen des Bergenden, aber jeder weiß, dass der Mensch, damit er sich geborgen fühlt, gewisse bleibende Formeln braucht. Sie sollen einfach sein, nicht theologisch überladen. Das Glaubensbekenntnis, das Vaterunser, das Ave Maria sind solche Formeln. Dies darf zwar nicht übertrieben werden. Nehmen Sie einem Tier den Rhythmus, den es hat. Wenn man dem Wild mit einem Zaun den Wechsel verändert, reagiert es aggressiv. Manche Tiere sterben.

      Das Kind braucht bergende Vollzüge, die bleiben müssen. Das heißt nicht, wir bleiben die Alten. „Singt dem Herrn ein neues Lied“ habe ich vergangene Woche hier im Priesterseminar gesagt. Es braucht aber auch die bergende Weise, die das alte Weiblein vor 70 Jahren gehört hat. Es braucht Dinge, die den Leuten vertraut sind: die bergende Formel, das bergende Bild, die bergende Musik. Die Heilige Schrift hat, Gott sei Dank, sich mehr mit Bildern befasst als mit Begriffen.

      Ich bin überzeugt, dass der Zug in die Geborgenheit voll wird. Nur wenn der Mensch ein gewisses Maß an Geborgenheit hat, kann er auch Mut entwickeln, hinausgehen, aufeinander zugehen. Es ist wie beim Eisklettern. Ich kann eine Extremität nur bewegen, wenn die drei anderen Extremitäten an der Wand kleben. Das ist im Spirituellen ganz gleich. Nur der Mensch, der eine innere Beheimatung hat, kann etwas wagen. Papst Johannes XXIII. hatte eine tiefe traditionelle Frömmigkeit und einen Mut, der nicht nachvollziehbar ist.

      Geleise ins neue Kirchenbewusstsein

      Ein weiteres Geleise in die Zukunft ist das neue Kirchenbewusstsein. Dieses neue Bewusstsein heißt: Die Kirche sind wir. Zum Teil ist es schon vorhanden. In der traditionellen Sprechweise verstand und versteht man unter Kirche vielfach nur Papst, Bischöfe, Geistliche, die höheren Etagen. Die anderen sind nur katholisch. Das geistert heute noch herum. Es ist zu bedauern, wenn die Hierarchie überbetont wird. Aber der Unterbau des Geleises, „Die Kirche sind wir“, ist da. Denken Sie an die Pfarrgemeinderäte, Erstkommunionhelfer, Firmhelfer usw. Es gibt den Mangel an Priesterberufen. Ich frage mich oft, warum lässt der Herrgott das zu?

      Die Kirche sind wir alle und nicht nur eine Gruppe. Die Laien übernehmen viele Aufgaben. Was da an Verantwortung in den Pfarreien vom Bibel- bis zum Liturgiekreis, von der Caritasgruppe bis zum Arbeitskreis für Altenarbeit wahrgenommen wird, ist fast nicht aufzuzählen. Freilich, auf dem Bahnhof der Kirche kommen viele Züge auch mit Verspätung an. Das neue Kirchenbewusstsein „Die Kirche sind wir“ gibt Hoffnung.

      Geleise der Hilfsbereitschaft

      Auf dem Geleise der Hilfsbereitschaft ist am Bahnhof der Kirche etwas los. Da brausen die EC- und die IC-Züge in alle Welt hinaus, so wie noch nie. Wie ist doch in den letzten Jahren die Hilfsbereitschaft gestiegen. Da ist Unterbau und Wagenmaterial nicht alt. Der Staat schließt sich heute der Caritas an. Die Staaten verfügen nicht über Bodenmaterial, ganz abgesehen davon, dass der Staat oben vielerorts mit Lumpen besetzt ist. Wir kennen viel Bedrückendes in der Kirche. Doch am Bahnhof der Kirche ist etwas los, vor allem auf dem Geleise der Hilfsbereitschaft. Da rauschen die Züge nach Jugoslawien, nach Somalia, nach Bangladesch und Peru. Da dürfen wir uns wohl an das Wort der Schrift erinnern: „Die Liebe deckt eine Menge Sünden zu.“ Die Hilfe, die geleistet wird, ist nicht nur ein Löcherstopfen. Man denkt ganz ernstlich und fest nach, wie man den Menschen in diesen Ländern das Leben in Zukunft möglich machen kann. Eine Kuh für Peru, lautete das Sammelwort. „Ich spendiere allein eine Kuh“, sagte ein Bauer aus dem Zillertal, „aber sie muss Tirol heißen.“

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