Klein-Doritt. Charles Dickens

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Klein-Doritt - Charles Dickens

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      »Ich denke«, sagte Klein-Dorrit – »das Zweite ist, Sir, – ich denke, Mrs. Clennam muß mein Geheimnis entdeckt haben und muß wissen, woher ich komme und wohin ich gehe. Wo ich wohne, meine ich.«

      »Wirklich?« versetzte Clennam lebhaft. Er fragte sie nach kurzer Überlegung, warum sie dies vermute. »Ich denke«, antwortete Klein-Dorrit, »Mr. Flintwinch muß mich beobachtet haben.«

      Und warum, fragte Clennam, indem er seine Augen auf das Feuer richtete, seine Brauen zusammenzog und wieder überlegte, warum sie das vermute?

      »Ich bin ihm zweimal begegnet. Beide Male in der Nähe meiner Wohnung. Beide Male bei Nacht, wenn ich nach Hause ging. Beide Male dachte ich (ich kann mich jedoch leicht darin täuschen), daß es kaum ausgesehen, als ob er mir durch Zufall begegnete.«

      »Sagte er etwas?«

      »Nein, er nickte bloß und neigte den Kopf auf die Seite.«

      »Der Teufel hole diesen Kopf!« dachte Clennam, noch immer in das Feuer blickend: »er hängt stets zur Seite.«

      Er stand auf, um sie zu nötigen, etwas Wein über ihre Lippen zu bringen und etwas Speise zu berühren – es war sehr schwierig, denn sie war so ängstlich und scheu – und dann sagte er, wieder nachdenkend:

      »Ist meine Mutter irgendwie verändert gegen Sie?«

      »O keineswegs. Sie ist ganz wie zuvor. Ich war ungewiß, ob ich ihr nicht lieber meine Geschichte erzählen sollte. Ich war ungewiß, ob ich – ich meine, ob Sie es gerne sähen, wenn ich sie ihr erzählte. Ich hätte gern gewußt", sagte Klein-Dorrit, indem sie ihn bittend ansah und ihre Augen immer mehr von ihm abwendete, je mehr er sie anblickte, »ob Sie mir andeuten wollten, was ich tun sollte.«

      »Klein-Dorrit«, sagte Clennam, und dieses Wort hatte bereits begonnen, die Stelle von hundert freundlichen Worten zu vertreten, je nach dem verschiedenen Tone und der Verbindung, in der es ausgesprochen wurde, »tun Sie nichts. Ich werde mit meiner alten Freundin Mrs. Affery sprechen. Tun Sie nichts, Klein-Dorrit – als sich mit solchen Mitteln erfrischen, wie sie hier vorhanden sind. Ich bitte Sie, tun Sie das.«

      »Ich danke, ich bin nicht hungrig. Und nicht«, sagte Klein-Dorrit, als er ihr sanft das Glas zuschob, »auch nicht durstig. Vielleicht hat Maggy zu etwas Appetit.«

      »Nun, wir wollen Sie gleich für alles, was da ist, Taschen finden lassen«, sagte Clennam, »aber ehe wir sie aufwecken, ist noch etwas Drittes zu sagen.«

      »Ja, aber Sie werden nicht beleidigt sein, Sir?«

      »Ich verspreche Ihnen das ohne Rückhalt.«

      »Es wird seltsam klingen. Ich weiß kaum, wie ich es sagen soll. Halten Sie es nicht für unvernünftig oder undankbar von mir«, sagte Klein-Dorrit mit wiederkehrender und wachsender Aufregung.

      »Nein, nein, nein. Ich weiß gewiß, es wird recht und natürlich sein. Ich fürchte nicht, daß ich es falsch auffassen werde, was es auch sein mag.«

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      Arthur Clennam bei seiner Mutter.

      »Ich danke. Sie werden wieder zu uns kommen und meinen Vater besuchen?«

      »Ja.«

      »Sie waren so gut und aufmerksam, meinem Vater ein Billett zu schreiben, daß Sie morgen kommen würden?«

      »O, das ist nicht der Rede wert. Allerdings.«

      »Können Sie ahnen«, sagte Klein-Dorrit, die kleinen Hände fest ineinander faltend und ihn mit dem ganzen Seelenernst, der aus ihren Augen sprach, ansehend, »um was ich Sie jetzt ersuchen will?«

      »Ich glaube wohl, aber ich kann mich täuschen.«

      »Nein, Sie täuschen sich nicht«, sagte Klein-Dorrit, ihren Kopf schüttelnd. »Wenn wir es gar so sehr bedürften, daß wir nicht ohne dasselbe existieren könnten, so lassen Sie mich darum bitten.«

      »Gern – gern.«

      »Ermutigen Sie ihn nicht zu dieser Bitte. Verstehen Sie ihn nicht, wenn er bittet. Geben Sie es ihm nicht. Ersparen Sie ihm das, und Sie werden besser von ihm zu denken imstande sein!«

      Clennam sagte, freilich nicht sehr ehrlich, als er Tränen in ihren besorgten Augen glänzen sah, – ihr Wunsch solle ihm heilig sein.

      »Sie wissen nicht, was er ist«, sagte sie, »Sie wissen nicht, was er wirklich ist. Wie sollten Sie auch, mein Gott, Sie, der ihn ganz plötzlich sieht, und nicht nach und nach wie ich. Sie waren so gut gegen uns, so zart, so wahrhaft gut, daß ich ihn in Ihren Augen besser als in irgendeines andern dastehen sehen möchte. Und ich kann es nicht ertragen, zu denken«, sagte Klein-Dorrit, ihre Tränen mit den Händen bedeckend, »daß Sie ihn nur in den Augenblicken seiner Entwürdigung sehen sollten!«

      »Bitte«, sagte Clennam, »verscheuchen Sie Ihren Schmerz. Bitte, bitte, Klein-Dorrit! Ich verstehe ganz, was Sie meinen.«

      »Dank Ihnen, Sir. Dank! Ich habe alles mögliche versucht, mich von dieser Bitte abzuhalten; ich habe Tag und Nacht darüber nachgedacht. Als ich aber gewiß wußte, daß Sie wiederkommen würden, nahm ich mir vor, mit Ihnen zu sprechen. Nicht weil ich mich seiner schämte«, sie trocknete rasch ihre Tränen, »sondern weil ich ihn besser kenne als irgend jemand und ihn liebe und stolz auf ihn bin.«

      Von dieser Last befreit, trieb es Klein-Dorrit zu gehen. Da Maggy wieder ganz wach war und aus der Ferne über das Obst und die Kuchen im Vorgeschmack des Genusses schmatzend hinstarrte, bereitete ihr Clennam die beste Erquickung, die in seiner Macht stand: er schenkte ihr ein Glas Wein ein, das sie in einer Reihe von lauter Schlücken austrank, und bei jedem ihre Hand auf die Luftröhre legte, während sie beinahe atemlos und mit weit hervorstehenden Augen sagte: »O wie köstlich! Ach! es ist wie im Hospital.« Als sie den Wein ausgetrunken und ihre Lobsprüche beendet hatte, hieß er sie ihren Korb (sie war nie ohne ihren Korb) mit allen Eßwaren auf dem Tisch zu füllen und zusehen, daß kein

      Brocken übrigbleibe. Die Freude, mit der Maggy dies tat, und die Freude, mit der ihr Mütterchen Maggy vergnügt sah, war die beste Wendung, die das Gespräch unter solchen Umständen nehmen konnte.

      »Aber die Tore werden längst geschlossen sein«, sagte Clennam, plötzlich auf diesen Gedanken verfallend. »Wo gehen Sie hin?«

      »Ich gehe nach Maggys Wohnung«, antwortete Klein-Dorrit. »Ich bin dort ganz gut aufgehoben, ganz sicher.«

      »Ich muß Sie dahin begleiten«, sagte Clennam. »Ich kann Sie nicht allein gehen lassen.«

      »Bitte, lassen Sie uns allein gehen. Bitte!« sagte Klein-Dorrit.

      Sie bat mit solchem Ernst, daß Clennam zu zartfühlend war, sich ihr aufzudrängen; um so mehr, als er klug genug war einzusehen, daß Maggys Wohnung von der geringsten Art sein müsse. »Komm, Maggy«, sagte Klein-Dorrit freundlich, »wir werden schon fortkommen. Wir kennen den Weg zu dieser Zeit, nicht wahr, Maggy?«

      »Ja, ja, Mütterchen, wir kennen den Weg«, kicherte Maggy, und sie gingen fort. Klein-Dorrit kehrte sich an der Tür um und sagte: »Gott segne Sie!« Sie sagte es sehr leise, aber – wer weiß – sie wurde vielleicht so gut oben im

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