Schreiben und Lesen im Altisländischen. Kevin Müller

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Schreiben und Lesen im Altisländischen - Kevin Müller Beiträge zur nordischen Philologie

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dem Wert vel. Letztere wiedergibt die Attribute SCHREIBER, der wegen des einzigen Belegs im Passiv eine Leerstelle bildet, INHALT als Thema mit dem Wert atburðr und SCHRIFTTRÄGER als Ort mit dem Wert bók. Da die beiden Konstruktionen zwei verschiedene Attribute verbinden, ergeben sich unterschiedliche Konzepte: rita e-t e-m bedeutet ‚ein Skript für jemanden erstellen‘ und rita e-t á e-u ‚etwas auf einem Schriftträger festhalten‘.

      2 Die Konstruktionen rita með e-m / með innsigli sínu / til e-s evozieren hingegen den Korrespondenzframe, welcher aus den Attributen ABSENDER als Agens mit den Werten erkibiskup und páfi, EMPFÄNGER als Ziel (til e-s) mit dem Werten erkibiskup, BOTE (með e-m) mit dem Wert Jón und dem SIEGEL (innsigli). Unsicher sind die BOTSCHAFT mál als Thema und der EMPFÄNGER páfi als Dativ. INHALT und SCHRIFTTRÄGER sind Leerstellen, die sich mithilfe des Kontexts füllen lassen. Für letzteren gibt es die Werte bréf und rit, für ersteren gibt es keine Lexeme als Werte, sondern Sätze. Der SCHREIBER bildet in beiden Belegen eine Leerstelle. Auch für diese Konstruktionen gibt es unterschiedliche Konzepte: rita með e-m bedeutet ‚jemandem einen Brief mitgeben‘, með innsigli e-s ‚einen Brief mit seinem Siegel ausstellen‘ und rita til e-s ‚jemandem schreiben, d.h. einen Brief senden‘.

      3.1.2. L-Redaktion

      Die obige Unterrichtsszene (s. Kap. II.3.1.1.g.) kommt auch in der L-Redaktion vor: a) „sumir laasv heil<a>gar Ritningar. sumir Rituðu. sumir sungv Sumir naamu. sumir kenðu“ (JSH 87). ‚Einige lasen die Heilige Schrift, einige schrieben, einige sangen, einige lernten, einige lehrten‘ (Übers. KM). Hier hat das Verb rita ebenfalls nur eine Ergänzung, das Subjekt, das durch das Indefinitpronomen sumir ‚einige‘ (vgl. Baetke 2002: 618) besetzt ist, welches sich entweder allgemein auf die Geistlichen in Hólar bezieht oder auf das vorher genannte menn til kenslu ‚Leute zur Unterweisung‘. Somit ist wiederum der ZWECK erwähnt mit dem Wert kensla ‚Unterweisung, Unterricht‘ (vgl. Baetke 2002: 323), einem Synonym zu den in der S-Redaktion erwähnten Substantiven nám und læring. Sowohl der ZWECK kensla als auch die Schüler als Agens schränken die Inhalte, Skripte und Schriftträger ein. Schreiben wird hier neben anderen Tätigkeiten wie Lesen, Singen, Lernen und Lehren aufgeführt, die typisch für den geistlichen Alltag sind, so dass auch die Abschreibetätigkeit von Geistlichen als Gottesdienst und zum Zwecke der Buchproduktion gemeint sein könnte. Von diesen Verben hat allein lesa ‚lesen‘ ein Akkusativobjekt, nämlich heilagar ritningar ‚die Heilige Schrift‘. Sowohl syntaktisch als auch semantisch ist es möglich, dass die fünf Verben dieses Akkusativobjekt teilen, so dass die Heilige Schrift den Inhalt der Lektüre, Schreibarbeit, Liturgie und des Unterrichts bildete. Sie wäre somit ein möglicher Wert für das Attribut SKRIPT. Man kann hier also nur mutmassen, wie sich der Frame zusammensetzt. Als Schreiber kommen Geistliche und Schüler als Werte in Frage. Der Zweck kensla ist implizit vorhanden, aber keine Ergänzung von rita. Im ONP (rita) gibt es allerdings einen Beleg aus der Mágus saga jarls mit der Kollokation rita sǫgu til gamans (vgl. Þórðarson 1858: 175), wo das Attribut ZWECK eine Ergänzung von rita ist.

      Nebst diesem Beleg kommt das Verb rita in der L-Redaktion noch sechsmal vor. Da es keinen eindeutigen Beleg von ríta gibt, muss man davon ausgehen, dass es sich auch bei den vier ambigen Fällen um rita handelt. Einer davon gehört ebenfalls in den Schulbetrieb des Bischofssitzes Hólar, welcher in der S-Redaktion fehlt: b) „hafdi hann marga uaska læresueina vndir ser ritandi bækr margar ok merkiligar þær sem tiaz at Holum ok uida annas stadar“ (JSH 87f.). ‚Er [= Jón] hatte viele tüchtige Schüler unter sich, welche viele und bedeutende Bücher schrieben, die in Hólar und anderswo weitherum bezeugt sind‘ (Übers. KM). Rita/ríta hat die Form eines Partizip Präsens, das ein Attribut zu lærisveina ‚Schüler, Jünger‘ (vgl. Baetke 2002: 397) bildet. Das Bezugswort ist gleichzeitig das Agens, somit ist lærisveinar ein Wert für das Attribut SCHREIBER. Das Akkusativobjekt enthält das Lexem bók ‚Buch‘ als Wert für den SCHRIFTTRÄGER oder metonymisch verschoben für das SKRIPT. Der INHALT bleibt eine Leerstelle und ist aus dem Kontext nicht erschliessbar. Die beiden Adjektive margr ‚viel‘ und merkiligr ‚bemerkenswert, ausgezeichnet‘ (vgl. Baetke 2002: 416), sowie der Relativsatz helfen diesbezüglich nicht weiter, machen aber Angaben zur Quantität und Qualität der Bücher. In der S-Redaktion entsprach schon ein solches Attribut góð zu bók dem Adverb vel als Ergänzung zu rita. Die bemerkenswerte Qualität der Bücher gibt Rückschluss auf die Qualität des Schreibens und auf die Fähigkeit der Schreiber.

      Zwei weitere Belege von rita mit dem Akkusativobjekt bók kommen in der gleichen Szene vor wie in der S-Redaktion, wo ein Schreiber und ehemaliger Schüler (lærisveinn) Bischof Jóns ihn bittet, sein Buch zu bewerten (s. Kap. II.3.1.1.a. und b.). Anstelle von ritari steht hier das Synonym skrifari, das zusätzlich ‚Maler, Zeichner‘ bedeuten kann (vgl. Baetke 2002: 564). Das Attribut hinn bezti ‚der beste‘ zeichnet seine Fähigkeit aus. Nachdem Jón das Buch angeschaut hat, sagt er: c) „þetta er god bok. enn annaR man eignaz en sáá sem þu hefir ritað hana“ (JSH 96). ‚Dies ist ein gutes Buch, aber ein anderer Mann wird es in Besitz nehmen als jener, für den du es geschrieben hast‘ (Übers. KM). Das Verb rita hat hier drei Ergänzungen: erstens das Subjekt þú ‚du‘, welches auf den Schreiber (skrifari) verweist, zweitens das Akkusativobjekt hana ‚sie (Akk. Sg. f.)‘, welches für das Buch (bók f.) steht, und drittens die Relativpartikel sem, die sehr wahrscheinlich die Stelle des Dativobjektes besetzt und auf den Auftraggeber des Buches referiert. Es kommen also dieselben Attribute SCHREIBER, SCHRIFTTRÄGER und AUFTRAGGEBER wie in der S-Redaktion vor, mit den gleichen Werten skrifari, bók und prestr. Auffällig ist hier der Kontrast von skrifari und rita, welches im Gegensatz zu skrifa nicht die Bedeutung ‚malen, zeichnen‘ hat (vgl. Baetke 2002: 564), was möglicherweise auf fehlende Illuminationen hinweist, obwohl diese in der Kompetenz des skrifari standen.

      Beim zweiten Beleg bittet der Schreiber Jón trotzdem das Buch zu bewerten, mit der Begründung: d) „þuiat hann bað mik at ek skyllda rett meðr þessum hætti rita honum bockina“ (JSH 96). ‚Denn er bat mich, dass ich das Buch gerade auf diese Weise schreiben solle‘ (Übers. KM). Subjekt von rita/ríta ist ek ‚ich‘, welches auf den skrifari verweist. Akkusativobjekt ist bók und Dativobjekt ist honum ‚ihm‘, also der Auftraggeber. Das Verb hat aber bei diesem Beleg noch eine vierte Ergänzung, das Präpositionalobjekt rétt meðr þessum hætti ‚gerade auf diese Art und Weise‘. Diese Art und Weise (háttr) bezeichnet das Attribut QUALITÄT, das in der S-Redaktion den Wert vel hat, für den die L-Redaktion eine Entsprechung in Jóns Urteil þetta er góð bók ‚dies ist ein gutes Buch‘ mit dem Wert góðr ‚gut‘ hat.

      Der nächste Beleg kommt in der Szene mit dem in einem Buch festgehaltenen Ereignis vor, welche auch in der S-Redaktion erwähnt wird (Kap. Beleg 3.1.1. c.):

      e) Enn hinn næsta dag eptir komu menn aa funð hins h(eilaga) Iohannis. þeir er nykomnir voru af Noregi. færandi honum einn litinn bækling aa huerre bok ritaðr var saa atburdr er monnum var miok ukunnigr […] (JSH 93f.).

      Aber am nächsten Tag danach kamen Leute zum heiligen Johannes, welche eben aus Norwegen angekommen waren, und überbrachten ihm ein kleines Büchlein. Auf diesem Buch war das Ereignis aufgeschrieben, welches den Leuten sehr unbekannt war […] (Übers. KM).

      Rita steht hier im Passiv. Subjekt ist wie schon in der S-Redaktion atburðr ‚Ereignis‘ und der Schriftträger wird als Ort im Präpositionalobjekt á bók wiedergegeben. Das Lexem atburðr ist ein Wert für das Attribut INHALT und bók für den SCHRIFTTRÄGER.

      Im Briefverkehr zwischen dem Papst

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