Schreiben und Lesen im Altisländischen. Kevin Müller

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Schreiben und Lesen im Altisländischen - Kevin Müller Beiträge zur nordischen Philologie

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      Der Causer ist Þorgils skarði, Agens und Thema sind Leerstellen. Nur das Präpositionalobjekt á vaxspjǫld ‚auf Wachstafeln‘ kommt noch hinzu. Gerade bei diesem Objekt weichen die Papierabschriften von einander ab, in Stockh. pap. 8, 4to steht vaxspjǫld (Akk. Pl.), aber in Brit. mus. Addit. 11,127, fol., in Advoc. library 21–3–17 aber vaxspjaldi (Dat. Sg.). Letztere entsprechen der Konstruktion rita e-t á e-u aus der Jóns saga helga mit dem Schriftträger als Ort, erstere einer Konstruktion rita e-t á e-t mit dem Schriftträger als Ziel. Dieser Unterschied ist oben in den Kommentaren mit dem Präpositionalobjekt í sǫgu (Akk./Dat.) schon vorgekommen. Der SCHREIBER kann nicht aus dem Kontext erschlossen werden. Auch hier muss man wieder mit einem Defaultwert Geistlicher rechnen. Der INHALT wird im nachfolgenden Satz var þat þar á, at […] ‚darauf stand, dass […]‘ beschrieben. Aus dem Kontext ergibt sich auch der EMPFÄNGER des Schreibens, König Hákon Hákonarson, aus dem Satz ok sendi konungi ‚und sandte [sie] dem König‘. Der BOTE der Nachricht bleibt unbekannt. Obwohl hier Attribute des Korrespondenzframes vorhanden sind, darf rita hier nicht metonymisch verschoben betrachtet werden, denn bei rita til e-s ist das Agens der ABSENDER, bei láta rita ist aber der Causer der AUFTRAGGEBER und somit in diesem Beleg mit dem ABSENDER identisch, das Agens bleibt aber der SCHREIBER.

      Die drei Belege im Kausativ sind sehr unterschiedlich zusammengesetzt. Im Subjekt ist immer der Causer, welcher für das Attribut AUFTRAGGEBER steht. Da die Auftraggeber in allen drei Fällen Sturlungen sind, ist der Wert sturlungr anzusetzen. Das Agens ist in allen drei Belegen eine Leerstelle, so dass keine Werte für den SCHREIBER bekannt sind. Es bleibt bei allen drei Belegen offen, wie stark Auftraggeber und Schreiber in die Textproduktion involviert waren, am wenigsten wohl Sturla Sighvatsson, der Snorris Werke abschreiben liess. Er war höchstens bei der inventio beteiligt, indem er die Texte oder Stoffe auswählte. Þórðr kakali und Þorgils skarði hatten sicher Einfluss auf die inventio, und möglicherweise auch auf die dispositio. So fragt sich zudem, welchen Anteil der unbekannte Schreiber an der dispositio und elocutio hatte und ob noch weitere Personen am Text mitarbeiteten. Dies entscheidet mit, ob man beim Thema von SKRIPT oder gar TEXT sprechen kann, das in zwei Fällen die Werte rolla und sǫgubók hat, die eigentlich Schriftträger sind, aber metonymisch zum SKRIPT oder gar TEXT verschoben werden. Ein dritter SCHRIFTTRÄGER vaxspjald ist als Ort (á e-u) oder Ziel (á e-t) belegt. Der INHALT kommt nur einmal als Füllung mit dem Präpositionalobjekt um skipti vor. Die Konstruktion rita e-t um e-t ist neu und verbindet die Attribute SCHREIBER, SKRIPT bzw. TEXT und INHALT. Das Präpositionalobjekt eptir e-u verweist im Gegensatz zur Jóns saga helga präziser auf die VORLAGE und hat den Wert sǫgubók, d.h. ein Wert eines Attributs SKRIPT, SCHRIFTTRÄGER aus dem Attributframe.

      Es lässt sich abschliessend für die drei Belege festhalten, dass die Diathese Kausativ für sich betrachtet lediglich die Valenz um eine neue thematische Rolle erweitert, welche auf das Attribut AUFTRAGGEBER referiert. Die Konstellationen des Aktivums bleiben bis auf die Kasus unverändert. Sie umfassen folgende Konstruktionen und Konzepte: rita e-t (um e-t / eptir e-u) für das Herstellen des Skripts (mit einem Inhalt und einer Vorlage) und rita e-t á e-t/e-u für das Festhalten eines Inhaltes auf einem Schriftträger.

      3.3. Die Frames von rita/ríta der Jóns saga helga und Sturlunga saga im Vergleich

      Die Sturlunga saga weist im Gegensatz zu den beiden Frames der Jóns saga helga eine grössere Vielfalt an Attributen und Konstruktionen auf. Die Konstruktion rita/ríta e-t bildet sowohl syntaktisch als auch semantisch den Kern. Sie verbindet in der Sturlunga saga ebenfalls die Attribute SCHREIBER mit den Werten prestr ‚Priester‘ und prior ‚Prior‘ und SKRIPT mit den Werten saga ‚Saga, Geschichte‘, sǫgubók ‚Buch mit Sagas/Geschichten‘ und rolla ‚Schriftrolle‘. Das Attribut SCHREIBER ist in den meisten Belegen eine Leerstelle. Die Werte prestr und prior bezeichnen wie in der Jóns saga helga Ränge von Geistlichen. In Belegen aus dem ONP (rita) verhält es sich ähnlich. Das Agens ist häufig eine Leerstelle. Wenn nicht, handelt es sich meistens um Geistliche. Belege aus norwegischen Rechtstexten des 13. und 14. Jh. deuten – besonders in einem administrativen Bereich – auf einen Defaultwert klerkr ‚Geistlicher‘ oder notarius ‚Notar‘ hin (vgl. Halldórsson 1970: 288, Hødnebø 1960: 57). Ersterer kann sicher auch in einem administrativ weniger ausgebauten isländischen Kontext erwartet werden.

      Das Thema ist hingegen meistens eine Füllung mit verschiedenen Werten, so dass bei einer Reihe von Belegen nicht sicher entschieden werden kann, ob es für die Attribute SKRIPT oder INHALT steht. Dies betrifft die Werte ártíð ‚Jahrzeit‘, ekki ‚nichts‘, fleira ‚mehr‘, orð ‚Wort‘ und saga. Sie können ebenso zum zweiten Frame mit der Konstruktion rita/ríta e-t + Ort/Ziel gehören, wobei die thematische Rolle Ort/Ziel leer bleibt. Bei dieser Konstruktion steht das Thema für den INHALT und der Ort bzw. das Ziel für den SCHRIFTTRÄGER oder das SKRIPT.

      Eindeutige Werte für den INHALT sind draumr ‚Traum‘ und fyrirburðr ‚Vision‘. In den Kommentaren kommen zwei Attribute, STOFF (efni) im Präpositionalobjekt mit af und TEIL mit der Bezeichnung hlutr als Thema hinzu, mit denselben Werten wie beim Attribut INHALT. Rückblickend kann diese Aufteilung in TEIL, INHALT und STOFF auf die Jóns saga helga übertragen werden, wo ebenfalls das Lexem hlutr als Thema von rita in einem Kommentar belegt ist. Die Konstruktion rita e-t af e-u ist in der Sturlunga saga zwar nur in frühneuzeitlichen Abschriften erhalten, der Beleg rita sǫgu af vitran (vgl. Johnsen 1922: 80) ‚die Geschichte von der Vision schreiben‘ aus der Óláfs saga helga im ONP (rita) aus dem zweiten Viertel des 13. Jh. beweist aber, dass die Konstruktion durchaus in mittelalterlichen Texten vorkommt. Die Konstruktion steht im ONP (ríta) aber nicht nur für das Verarbeiten von Stoffen, sondern auch für das Abschreiben, wie ein Beleg aus einer undatierten Urkunde von ca. 1300 zeigt: „letom ver ríta af orð æftir orðe, ok her j. sætia a. þænna haatt“ (Hødnebø 1960: 126) ‚wir liessen es Wort für Wort abschreiben und hier auf diese Weise einsetzen‘ (Übers. KM). Es ist bei diesem Beleg allerdings nicht ganz sicher, ob af ein Adverb oder ein elliptisches Präpositionalobjekt af [bréfi] ‚vom Brief‘ ist. Wenn Ersteres zutrifft, handelt es sich um ein Partikelverb rita af e-t, das keine weiteren Belege hat und gesondert zu behandeln ist, bei Letzterem stünde das Präpositionalobjekt für ein Attribut VORLAGE oder QUELLE. Entscheidend wäre dann die Semantik des Werts.

      Die thematischen Rollen Ort oder Ziel verweisen nicht wie in der Jóns saga helga nur auf das Attribut SCHRIFTTRÄGER – die Sturlunga saga hat hierzu nur den in neuzeitlichen Abschriften überlieferten Wert vaxspjald ‚Wachstafel‘ im Präpositionalobjekt á e-t/-u –, sondern auch auf das SKRIPT mit dem Wert saga ‚Saga‘ im Präpositionalobjekt í e-t/-u. Beim Adverb hér ‚hier‘ kann nicht sicher entschieden werden, ob es sich auf den SCHRIFTTRÄGER oder das SKRIPT bezieht. Die Belege sind zwar spärlich, es scheint aber, dass die Konstruktion rita/ríta e-t á e-t/e-u SCHREIBER, INHALT und SCHRIFTTRÄGER und rita/ríta e-t í e-t/e-u die Attribute SCHREIBER, INHALT und SKRIPT verbindet. Obwohl die Werte für ein Attribut INHALT sprechen, ist in diesem Kontext das Attribut TEIL treffender, weil in das Skript ein neuer Teil eingefügt wird. Belege aus dem ONP (rita) mit den gleichen Konstruktionen führen zum gleichen Resultat. Im Präpositionalobjekt á e-t/e-u gibt es typische Werte für das Attribut SCHRIFTTRÄGER wie blað ‚Blatt‘ oder legsteinn ‚Grabstein‘ (vgl. Jónsson 1925: 15f.), während in í e-t/e-u typische Werte für das Attribut SKRIPT oder Text wie guðspjall ‚Evangelium‘ (vgl. Indrebø: 1931: 49) oder lǫg ‚Gesetze‘ (vgl. Unger 1877: 304) vorkommen. Bók ‚Buch‘ kommt in beiden Konstruktionen vor, was darauf hindeutet, dass á bókum

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