Maschinenraum. Walter Gröbchen

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Maschinenraum - Walter Gröbchen страница 5

Автор:
Серия:
Издательство:
Maschinenraum - Walter Gröbchen

Скачать книгу

Videokonferenzen im Web ermöglicht. Gut, das tun andere Programme auch – von Microsoft Teams bis Skype –, aber tatsächlich scheint es mir via Zoom simpler, unkomplexer und in puncto Audio- und Videoqualität besser zu funktionieren als mit den genannten Alternativen (eine brauchbare Netzbandbreite vorausgesetzt). »Die Coronakrise wirkt wie eine gigantische Werbekampagne für die Software«, konstatierte Der Spiegel. Und warnte zugleich, wie viele andere Medien dieser Tage, vor ihrem Gebrauch. Aus Datenschutz- und Sicherheitsgründen. Man kann beim geringsten Zweifel dazu die Details – nebst unzähligen mahnenden Stimmen – im Netz finden.

      Bin ich, sind wir also einmal mehr Opfer eines Herdentriebs? Oder sollten wir jetzt nicht zu kleinlich oder gar latent panisch sein mit all unseren Bedenken? Zoom hält gerade meine kleine Firma am Laufen, das funkt. Aber ob ich in ein, zwei Jahren immer noch diesem Pragmatismus anhänge und meine Liebe überlebt, wird sich erst weisen.

      HANDSHAKE MIT DEM GROSSEN BRUDER?

      An einer potenziell hilfreichen App entzündet sich das Misstrauen der Staatsbürger. Ausgerechnet!

      Extra noch mal nachgezählt: Ich habe aktuell 106 Apps auf meinem Smartphone installiert. Seit vorgestern eine mehr, aber dazu später. Von diesen Apps greift mehr als die Hälfte ungeniert auf mein Adressbuch oder meine Facebook-Freundesliste zu, schaltet nach Bedarf Kamera und Mikrofon ein, zeichnet meinen Standort auf, die Bewegungsdaten und den Browser-Verlauf. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie sich für mein Gewicht, den Pulsschlag und die Blutdruckwerte interessieren. Freilich kann man das Gros der Greifarme dieser Datenkraken ausschalten, aber die Werkseinstellung ist zunächst auf Neugier programmiert. Und nicht wenige Nutzer vergessen, den Auslieferungszustand nicht wörtlich zu nehmen und die entsprechenden Um- und Einstellungen vorzunehmen. Aus Bequemlichkeit, aus Schlendrian, aus Unwissen. Oder auch (oft gehört!), weil man »eh nichts zu verbergen« hat. Für Konzerne, deren Geschäftsmodell sich in Big-Data-Schürfrechten erschöpft, ein gefundenes Fressen. Dass generell kaum eine Applikation unseres digitalen Lebensstils den Implikationen der Datenschutzgrundverordnung genügt, ist Allgemeingut.

      Umso erstaunter war ich, als in den letzten Tagen einer potenziell hilfreichen, ja lebensrettenden App besonderes Misstrauen und vorauseilender Hohn entgegenschlug. Sie wird vom Österreichischen Roten Kreuz angeboten, allein das sollte vertrauensstiftend sein. Die App, leger »Stopp Corona« benannt, ist dazu gedacht, den Verbreitungswegen des Virus auf die Schliche zu kommen. Und User zu warnen, wenn sie mit Menschen in Berührung waren, die später positiv getestet werden. Relativ unkompliziert, elegant und unbestechlich. Dass Nationalratspräsident Sobotka – ein Oberlehrer vor dem Herrn – vorschnell hinausposaunte, er spräche sich für eine verpflichtende Installation auf dem Handy jedes Staatsbürgers aus, war kontraproduktiv. Allein die Idee ließ unzählige Bedenkenträger und Querulanten hinter den Büschen hervorspringen. Dass Fachleute zwar forderten, den Quellcode (die DNA des Programms) offenzulegen und einige Details nachzuschärfen, sonst aber wenig Übles diagnostizierten, beruhigte die Gemüter kaum. Misstrauen rules OK. Nun denn: Teert mich, federt mich, sprecht Gebete und politische Bannflüche! Ich habe es getan. Ich habe die Corona-App runtergeladen.

      Um sie zu testen. Sie macht eigentlich nichts anderes, als per digitalem »Handshake« auf Knopfdruck eine Art anonymisiertes Begegnungstagebuch anzulegen. Sollte ich eine Benachrichtigung erhalten, weiß ich, dass ich potenziell angesteckt wurde. Mehr nicht. Es werden weder meine Spaziergänge getrackt noch mein YouPorn-Konsum entlarvt, und es gibt auch, pardon!, keine Direktverbindung mit dem Führerbunker von Sebastian Kurz. Lästern mag man eventuell über die Finanzierung der App-Entwicklung durch einen Versicherungskonzern. Oder darüber, dass man einmal mehr einen eigenen Weg geht und nicht auf ähnliche, rückhaltlos transparente Konkurrenzprodukte im EU-Ausland setzt. Da wir freilich im Zeitalter des ritualisierten Misstrauens leben, solche Apps aber einer gewissen Verbreitung bedürfen, um zu funktionieren, ist das Ding leider schon tot. Derweil Covid-19 noch quicklebendig unter uns weilt.

      WELTMASCHINE, HALT!

      Allerorten wird ein Neustart beschworen. Sollte man nicht zuvor die Fahrtrichtung festlegen?

      Was ich gelernt habe: dass einer Pandemie menschliche Meinungsverschiedenheiten egal sind, in ihrer Vorhersehbarkeit eventuell sogar todlangweilig. Wobei: Das harmlose Wort »Meinungsverschiedenheit« trifft es nicht ganz. Die Bannflüche, Justament-Standpunkte, Expertisen und Gegenexpertisen, die akut von allen verfügbaren Kanzeln im Glaubenskrieg des 21. Jahrhunderts verkündet werden, lassen die Vermutung zu, dass neben Covid-19 noch ein zweites Virus grassiert, das vorrangig Gehirnzellen angreift. Die einen orten es in Menschenschlangen, die erwartungsfroh vor Baumärkten in Reih’ und Glied stehen. Das sind eher die harmloseren Fälle. Die anderen ordnen es Kassandrarufern zu, die lautstark das dicke Ende kommen sehen, aber die Implikationen genauso verdrängen (müssen) wie ihre vermeintlichen Widersacher. Ich frage Sie: Sitzen wir nicht alle im selben Boot? Es leckt gewaltig, so viel ist sicher.

      Was ich noch gelernt habe: Der Götze unserer Zeit ist »die Wirtschaft« – etwas, das ich bislang für ein eher banales Mittel zum Zweck hielt. »Ziel der Wirtschaft«, schlage ich umgehend in Gablers Wirtschaftslexikon nach, »ist die Sicherstellung des Lebensunterhalts und, in ihrer kapitalistischen Form, die Maximierung von Gewinn und Lust mithilfe unternehmerischer Freiheit, zugleich die Erzeugung von Abhängigkeit, ob von Anbietern oder Produkten, bis zum – nicht unbedingt gewünschten, aber erwartbaren – Kollaps des Systems.« Na bitt’-schön. Das klingt jedenfalls nicht nach einem Werbefuzzi der Wirtschaftskammer. Wenn der Kollaps eines Systems »erwartbar« ist – und man muss jetzt weder Bill Gates, den Club of Rome, Naomi Klein oder Greta Thunberg bemühen –, dann sollten wir den Warnschuss, den die Menschheit gerade abbekommen hat, doch nicht ungehört verhallen lassen. Sofern man überhaupt an einen glücklichen Ausgang der Geschichte glaubt. Wenn die Wiedergeburt eines schwer rekonvaleszenten Patienten darin besteht, dass er in den nächsten Konsumtaumel verfällt, darf man ruhig daran (ver)zweifeln. Aber vielleicht hilft ja frisch geernteter Spargel mit Schmierspuren virulenter Profitgier über die nächste Depression.

      Was ich weiters gelernt habe: Menschen lösen sich nicht von ihren kleinlichen Problemchen, Psycho-Defiziten und Sichtweisen, selbst wenn ringsum die Welt untergeht. Zu wenig persönlicher Freiraum beim strikt lebensnotwendigen Fitnesslauf im Schlosspark? Skandal! Unvollständig ausgefüllte Formulare im Kampf mit der Krisen-Bürokratie? Abmahnung! Immer noch Autos, die in den weithin leeren Begegnungszonen der Gegenwart unterwegs sind? Sofort das Waffenrad gesattelt! Selbst die Warnrufe der ewigen Kämpfer für das Wahre, Gute, Schöne (und die perfekte Demokratie sowieso) bekommen mitunter einen schneidenden Ton. Das Falter-Abo bleibt trotzdem aufrecht!

      Was ich nicht gelernt, aber geträumt habe: dass Gsellmanns Weltmaschine – bitte googlen, wenn Ihnen das gar nichts sagt – das perfekte Kunstwerk und Sinnbild für unser Dasein ist. Die Maschine läuft nie rund, man kennt ihren Zweck nicht, ihr Erbauer hat sich längst absentiert. Sie produziert auch nichts. Aber das Ding lässt uns ahnen, dass jemand einst einen Plan hatte. Er ist verloren gegangen.

      ALLTAG

      »Jede hinreichend fortschrittliche Magie ist von Technologie nicht zu unterscheiden.«

      Arthur C. Clarke

      »Wenn ich die Folgen geahnt hätte, wäre ich Uhrmacher geworden.«

      Albert Einstein

      »Die verdammte Technik verändert unser aller Leben, fragt uns aber nie, ob sie das darf. Ich prangere das an.«

      Vanessa Wieser

      CAT

Скачать книгу