David Copperfield. Charles Dickens
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»Und war David gut gegen dich, Kind?« fragte Miss Betsey, nachdem sie eine Weile geschwiegen und die Bewegung ihres Kopfs allmählich aufgehört hatte. »Habt ihr euch gut vertragen?«
»Wir waren sehr glücklich«, sagte meine Mutter. »Mr. Copperfield war viel zu gut zu mir.«
»Er hat dich also verzogen?«
»Allein und verlassen zu sein und ohne Stütze in dieser rauen Welt dazustehen«, schluchzte meine Mutter, »dazu hat er mich wohl nicht erzogen.«
»Gut. Weine nicht«, sagte Miss Betsey. »Ihr passtet eben nicht zusammen, Kind, – zwei Menschen können überhaupt nicht zusammenpassen – deshalb fragte ich. Du warst eine Waise, nicht wahr?«
»Ja.«
»Und Gouvernante?«
»Ich war Bonne in einer Familie, die Mr. Copperfield häufig besuchte. Mr. Copperfield war sehr freundlich und aufmerksam gegen mich und machte mir zuletzt einen Heiratsantrag. Und ich sagte ja. Und so wurden wir Mann und Frau«, sagte meine Mutter einfach.
»Ha! Armes Kind!« murmelte Miss Betsey und sah immer noch grimmig ins Feuer. »Verstehst du etwas?«
»Ich bitte um Verzeihung, Madame?« stammelte meine Mutter.
»Von der Wirtschaft zum Beispiel«, sagte Miss Betsey.
»Ich fürchte, nicht viel. Nicht so viel, wie ich möchte. Aber Mr. Copperfield unterrichtete mich –«
»Weil er selber so viel davon verstand«, warf Miss Betsey hin.
»– und ich glaube, ich hätte bald Fortschritte gemacht, denn ich war eifrig im Lernen und er ein sehr geduldiger Lehrer, wenn nicht das große Unglück –«, meine Mutter verlor wieder die Fassung und konnte nicht weitersprechen.
»Schon gut, schon gut«, sagte Miss Betsey.
»Ich führte mein Wirtschaftsbuch regelmäßig und schloss es mit Mr. Copperfield pünktlich jeden Abend ab«, rief meine Mutter mit einem neuen Ausbruch des Schmerzes.
»Schon gut, schon gut«, rief Miss Betsey. »Hör endlich auf zu weinen.«
»Und es war nie ein Wort des Streites dabei oder der Uneinigkeit, außer wenn Mr. Copperfield tadelte, dass meine Dreier und Fünfer einander zu ähnlich sähen, oder dass ich meinen Siebnern und Neunern krause Schwänze gäbe«, begann meine Mutter von Neuem und wieder von einer Tränenflut unterbrochen.
»Du wirst dich krank machen«, sagte Miss Betsey. »Du weißt doch, dass das weder für dich noch für mein Patenkind gut ist. Komm, du musst das bleiben lassen.«
Dieses Argument trug einigermaßen dazu bei, meine Mutter zum Schweigen zu bringen, obgleich ihr zunehmendes Übelbefinden die Hauptursache sein mochte. Eine längere Stille trat ein, die nur unterbrochen wurde von einem gelegentlichen »Ha!« Miss Betseys, die immer noch mit den Füßen auf dem Kamin dasaß.
»David hat sich mit seinem Geld eine Leibrente gekauft«, sagte sie endlich, »und wie hat er für dich gesorgt?«
»Mr. Copperfield«, sagte meine Mutter mit Anstrengung, »war so vorsichtig und gut, mir die Anwartschaft auf einen Teil davon zu sichern.«
»Wie viel?« fragte Miss Betsey.
»Hundertundfünf Pfund jährlich.«
»Er hätte es noch schlimmer machen können«, sagte meine Tante.
Das Wort passte gut für den Augenblick. Meiner Mutter ging es so viel schlimmer, dass Peggotty, die eben mit dem Teebrett und Lichtern hereinkam und auf den ersten Blick sah, wie krank sie war, – Miss Betsey hätte es schon eher sehen können, wenn es hell genug gewesen wäre, – sie so rasch wie möglich in die obere Stube hinaufbrachte und sofort Ham Peggotty, ihren Neffen, der seit einigen Tagen ohne Wissen meiner Mutter als Bote für unvorhergesehene Fälle im Hause verborgen gehalten wurde, nach der Hebamme und dem Doktor schickte.
Diese verbündeten Mächte, die sich im Verlauf weniger Minuten zusammenfanden, waren sehr erstaunt, eine fremde Dame von strengem Aussehen vor dem Feuer sitzen zu sehen, den Hut am linken Arm hängend, und sich die Ohren mit Juwelierbaumwolle zustopfend.
Da Peggotty nichts über sie wusste und meine Mutter nichts über sie hatte fallenlassen, blieb sie ein ungelöstes Rätsel in der Wohnstube, und der Umstand, dass sie ein Baumwollenmagazin in der Tasche trug und sich die Watte auf besagte Weise in die Ohren stopfte, raubte ihr nichts von ihrem Ansehen.
Nachdem der Doktor oben gewesen und wieder heruntergekommen war und offenbar vermutete, dass er mit der unbekannten Dame einige Stunden würde zusammenbleiben müssen, bemühte er sich, höflich und gesellig zu erscheinen. Er war der sanfteste seines Geschlechts, der mildeste aller kleinen Männer. Er drückte sich beim Ein- und Ausgehen seitwärts durch die Türen, um möglichst wenig Raum einzunehmen. Er ging so leise wie der Geist des Hamlet, aber noch viel langsamer. Er trug den Kopf auf eine Seite geneigt, teils aus Bescheidenheit, teils aus Entgegenkommen. Es wäre zu wenig gesagt, dass er nicht einmal für einen Hund ein böses Wort gehabt hätte. Er hätte nicht einmal einem tollen Hund ein böses Wort sagen können. Höchstens ein sanftes oder ein halbes oder ein Bruchstück davon, – denn er sprach so langsam, wie er ging, – aber er würde nicht grob gegen ihn gewesen sein. Nicht einmal ein rasches, nicht um alles in der Welt.
Mr. Chillip sah also meine Tante, den Kopf auf die Seite geneigt, sanft an, machte eine kleine Verbeugung und sagte, auf die Watte anspielend, indem er sein linkes Ohr berührte:
»Lokale Reizung, Madame?«
»Was?« fragte meine Tante und zog die Baumwolle wie einen Kork aus einem Ohr.
Mr. Chillip erschrak so sehr über ihr barsches Wesen, wie