Erlebnis Bergjagd. Группа авторов

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Erlebnis Bergjagd - Группа авторов страница 14

Erlebnis Bergjagd - Группа авторов

Скачать книгу

und Kirschen blühten.

      Es war eine Fahrt aus der Welt der winddurchrüttelten Wälder und der kargen, spätwinterlichen Almwiesen in die Fülle des Frühlings hinunter. Hinter mir glühten die Schneefelder der Koralpe, unter mir lag ein Nebelmeer auf halber Höhe, am Hang war alles farbig und frisch. Wie im südlichen Tiroler Land lagen auch hier – in der Weststeiermark – Rebengarten und Hochgebirge in unmittelbarer Nachbarschaft. Unten am Fuße des Bergstockes gedeihen Wein, Edelkastanie und Pfirsich, oben aber herrscht die Gebirgswelt mit Wäldern und Almen, mit Hirschen, Gamswild und Auerhahn. Die Aussicht war überwältigend schön, ich blickte bis zum Gleichenberger Kogel, bis zum südlichen Burgenland, bis in die Windischen Büheln hinunter.

      Zur Abendpirsch war ich dann wieder im Revier auf der Hebalm. Wir verhörten die Hahnen ohne viel Erfolg. Morgens waren wir, der Förster und ich, wieder draußen, wir warteten und spitzten die Ohren. Mein Begleiter saß im Dunkeln neben mir, die Spielhahnfeder an seinem Hut bildete einen komischen Kontrast zu der unter der Hutkrempe herausragenden kräftigen Hakennase; eine Komposition von konvexen und konkaven Linien: Nase, Hutkrempe und Hahnsichel. Er schien sogar mit dem wohlentwickelten Riechorgan zu lauschen, wobei sich die mir wohlbekannten Gesichtszüge im Dunkel völlig veränderten.

      Langsam kam der Morgen über dem Hochwald herauf. Das erste pastellzarte Licht erschien am Himmel. In diesem schwebenden Augenblick zwischen Nacht und Tag ertönte leise, im Abstand mehrerer dröhnender Menschenherzschläge aneinandergereiht, die knappe Ouvertüre. Der Hahn glöckelte. Bedächtig tropften die ersten Töne des Balzliedes. Dann gab es wieder Stille. Erstarrt und verzaubert empfing ich die Zeichen.

      Stille.

      Der Wind spielte leise im Nadelwald. Jetzt meldete der Hahn wieder, das Knappen wurde immer schneller, deutlich hörte ich den Hauptschlag. In immer rascherer Folge ertönten die Balzstrophen. Schon glaubte ich, meines Hahnes in den nächsten Minuten habhaft zu werden. Doch es kam anders. Der Hahn ritt ab, bevor ich ihn anspringen hätte können. Verhext! Und auch die nächsten Tage ging es mir bei der Hahnjagd nicht besser. Ich erlebte die Balz in ihren schönsten Formen, doch zu Schuß war ich nicht gekommen. Ich hatte dabei Zeit genug. Vom Namenstag des hl. Georg an bis Ende Mai ging ich meinem Hahn auf der Hebalm nach. Ich lebte schon mehr im Revier als daheim. Nichts half. Die Hahnbalz erlebte ich zwar intensiver als jemals gedacht, doch nicht ein einziges Mal konnte ich meine Flinte auf den dunklen Recken richten. Es kam einfach nicht dazu.

      Einen Großen Hahn zu erlegen, ist die schwerste Geduldsprobe der gesamten jagdlichen Breite, war mein abschließendes Resümee über den vergangenen Frühling. Es stiegen in mir auch starke Zweifel an den Berichten anderer auf, die erzählt oder geschrieben haben, wie sie nach ein, zwei Pirschgängen ihren Hahn angesprungen und erbeutet hatten. Leute, die einen Großen Hahn erlegten, gehörten in meinen Augen nunmehr zu besonders begünstigten und glückvollen Jägern. Daß ich nie einer von ihnen war, das wußte ich schon lange vorher. Bei mir dauerte jeder jagdliche Erfolg stets eine Ewigkeit; nicht nur beim Auerhahn. Mit Bewunderung gedachte ich meines mütterlichen Großvaters, der dem preußischen Schlesien entstammte, in meinem Geburtsland Ungarn sein Leben verbrachte und von dort aus jagdliche Reisen – stets mit Erfolg! – auf den Großen Hahn unternahm. Die von ihm erlegten Hahnen standen in Balzstellung präpariert in der Diele des großelterlichen Hauses in meiner unvergessenen Heimatstadt. Als kleiner Bursche bewunderte ich sie und beneidete meinen glücklichen Großvater jedesmal, wenn ich bei den alten Herrschaften zum Mittagessen war! Würde ich jemals zu einer solchen Trophäe kommen? Es schien, als hätte die Zeit für mich keinen Großen Hahn mehr übrig gehabt!

      Ein Jahr verging nach dem Hebalm-Frühling. Oft dachte ich daran, ob ich wohl nochmals Gelegenheit zur Jagd auf den Großen Hahn erhalten würde. Meine Chancen beurteilte ich recht pessimistisch. Es kam aber anders. Kaum, daß es wieder Frühling war, sprach mich ein alter Freund und Weidkamerad an. Er bot mir die Vermittlung zu einer Jagd in der Gegend von Mariazell an. Ich nahm mit Freude an. Von einem raschen Jagderfolg wagte ich nicht einmal zu träumen. Meine Frau begleitete mich, und wir nahmen auch unsere beiden kleineren Kinder mit unter dem Motto, daß es hier viel Zeit für Wandern und Besichtigen geben würde.

      Wir kamen spätabends im Hotel an. Dort erwartete mich bereits die Nachricht, daß der Aufsichtsjäger des Reviers mich morgens um drei Uhr abholen würde.

      Es gelang mir dann in der Früh, so lautlos hinauszuschleichen, daß meine Frau gar nicht geweckt wurde. Der mich erwartende Jäger war ein sympathischer, jüngerer Mann; wir waren bald draußen im Revier. „Gestern auf d’ Nacht hab’ i an Hahn verhört, den kriagn ma heut!“ meinte der Jäger voller Überzeugung. Ich aber dachte meinen Teil.

      Es dämmerte leise, als wir den ersten Glöckler wahrgenommen haben. Nun folgten immer rascher die Balztöne. Wir sprangen los. Es war ein großartiger Anblick, als ich den Hahn entdeckte. Er stand in einer hellgrünen Lärche. Das aufsteigende Morgenlicht schimmerte durch den dünnen Vorhang der weichen Nadeln und vergrößerte noch den Körper des dunklen, wuchtigen Urvogels. Ich deutete meinem Begleiter an, daß ich den Hahn allein anspringen wolle. Er hob wortlos den Hut. Beim nächsten Schleifen sprang ich los. Knappen: Atemloses Stehen, erstarrtes Warten mit suchendem Blick. Hauptschlag: Anspannen des Körpers. Schleifen: zwei, drei rasche Schritte. Dann wiederholte sich das Spiel mit der strengen jagdlichen Choreographie im Rhythmus des Balzliedes, zehnmal, zwanzigmal, wer zählt die Strophen und Schritte, wenn er den Hahn vor sich hat, wenn er, wie von einer Urgewalt angezogen, in die Richtung der Balztöne strebt?

      Wieder gab es eine Pause.

      Ist der Hahn vielleicht mißtrauisch geworden? Spürte er die heranschleichende Gefahr? Hat er mich am Ende eräugt? Ich versteckte mein Gesicht hinter einem Baumstamm, damit es nicht zum Hahn hinaufleuchtete. Mein Atem fuhr dabei schwer in Rinde und Moos, ich roch Waldluft und Harzduft. Die nächste Strophe erlöste mich; nach dem Hauptschlag glitt ich weiter.

      Jetzt sang der Hahn wieder, der Zweig erzitterte unter ihm wie von Leidenschaft berührt. Und wieder kam ich näher an ihn heran. Ich traute mich nicht, den großen Vogel mit sehnsuchtsvollen Augen anzustarren. Jetzt kam wieder das Schleifen, abermals kam ich näher. Nun mußte ich zu ihm hinaufblicken, zu dem dunkelgrünen Schild. Der Hahn stand tiefdunkel im Geäst, zeigte seine ganze Breite. Der helle Schnabel öffnete sich weit im Jubel des Liedes, die gesträubten Kehlbartfedern bewegten sich wie die grünen Lärchentriebe.

      Beim nächsten Hauptschlag hob ich langsam die Flinte. Das letzte Schleifen ging im Schuß unter.

      Schwer stürzte der Hahn durch die Äste zu Boden, im Fallen streifte er die Nadeln und schlug dann weich in der kleinen Schneemulde auf. Einige Male zuckte er noch, nachfallende Federn segelten lautlos herunter und legten sich zu ihm. Dann war es still, nur das Schmelzwasser murmelte und der Morgenwind betete leise.

      Ich stand neben meinem erlegten Hahn. Ich spürte, daß ich vor einigen Sekunden aus der Unendlichkeit der Welt ein Stück herausgerissen hatte, dessen Gewicht meine Seele eben noch ertragen konnte. Ich spürte hier in der knisternden Windbrandung, daß ich den Frühling und den Hahn als ein einziges Wunder in mein Leben eingeschlossen hatte. Andacht, leidenschaftliche Freude der Erfüllung, Dankbarkeit und Mitleid hielten mich fest, hefteten meinen Blick abwechselnd auf Hahn und Himmel.

      WILHELM BRENNER (1927–2011), in Steinamanger (Westungarn) geboren; stammt aus einer traditionsreichen Bürgerfamilie. Architekturstudium an der Technischen Universität von Budapest; ab 1956 freischaffender Architekt und Professor an einer höheren Schule in Graz. Autor und Mitautor mehrerer Bücher mit jagdlichen und kunstgeschichtlichen Themen; verbrachte seine ganze Freizeit in „seinem“ Revier im Burgenland; im Reinersdorfer Jagdhaus entstanden seine Erzählungen.

      W. Brenners Erzählungen – eine ganz Österreich umfassende Lyrik der Landschaft – verkörpern den gelungenen Versuch, aus der traditionellen und zum Teil nur der Vergangenheit verschriebenen

Скачать книгу