Erlebnis Bergjagd. Группа авторов

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Erlebnis Bergjagd - Группа авторов

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      Neue Ansichten und Absichten der Nutzung durchdringen den Bergwald. Im Tal dehnen sich die bebauten Flächen immer mehr aus; sie stoßen Tag für Tag tiefer in die Abgeschlossenheit der Gebirgswelt vor. Aus der Naturlandschaft entsteht schrittweise die Kulturlandschaft, und dennoch balzt der Urhahn – jetzt noch.

      Mein herzbester Freund, Pate beim Sohn, Beistand der ersten niedergeschriebenen Erlebnisse, Hüter und Wahrer der Weidgerechtigkeit, sinnierender Dichter unserer wunderbaren jagdlichen Welt, fragte mich einmal, ob ich einen Großen Hahn erlegen möchte. In einer in der Nähe seines Reviers liegenden Jagd wäre ein Hahn frei, lautete die Nachricht, ich könnte sofort kommen.

      „Tagwache! Aufstehen!“ – eine völlig fremde Stimme brummte in meinem Zimmer. Eine rätselhafte Figur macht Licht; es dauerte einige Minuten, bis ich die in der langen Unterhose umhergeisternde Gestalt als den Oberförster Bacher und den eigenen Standort als das Bett im Gästezimmer des Forsthauses der Malteser auf der Hebalm identifizierte.

      „Zwei Uhr vorbei, wir müssen uns beeilen“, brummte die verrauchte Stimme. Der wuchtige Mann polterte im Zimmer umher. Nicht um die Welt, ich bin doch erst vor einigen Minuten eingeschlafen! – haderte der eigene schläfrige Geist. Es gibt wahrlich keinen Berufsjäger auf dieser Erde, für den man früh genug aufstehen könnte. Eben wollte ich mich wieder zur Wand drehen und die Augen schließen, da fiel mir der Hahn ein – und schon war ich draußen aus dem Bett. Ich richtete mich zur ersten Pirsch auf den Großen Hahn. Das Zimmer war ungeheizt, ich fröstelte vor dem Waschtisch. Gähnend schlüpfte ich in die Kleider, suchte lange nach dem rechten Wollstutzen. Das Gesicht bekam ein kaltes, der Magen in der Küche ein heißes Wasser, mit Teeblättern, Zucker und etwas Obstbrand angereichert. Dann verteilte ich vier Patronen auf verschiedene Rocktaschen, hängte die Flinte um und schwenkte den Loden darüber.

      „Gemma!“ Die Dachsbracke begleitete uns bis zur Gartentür, dann traten wir aus dem Lichtkegel der Lampe hinaus in die Nacht. Die Sterne blinkten zwischen den dunklen Spitzen des Nadelwaldes. Von Süden wehte ein warmer, milder Nachtwind, der „Jauk“. Kleine Geräusche begleiteten uns, unsichtbare Frühlingsregungen und rinnende Schneeschmelze. Wir gingen bergauf. Einige Baumstämme knisterten im Wind. Überall murmelte Wasser, das machte es schwierig, den Hahn zu verhören. Die Lärchen trieben schon grün, doch schattseitig lag noch überall hoher Schnee.

      Der Tag ruhte noch in der Ferne hinter den Bergen, als wir den bereits am Vorabend erkundeten Balzplatz erreichten. Die letzten Schritte dämpfte ein weicher Nadel- und Moosteppich. Den Loden legte ich auf einen Baumstock, ließ mich darauf nieder, lehnte die Flinte an das Knie und steckte die Hände in die Rocktasche. Der Förster rauchte neben mir eine gräßliche „Austria 3“.

      Das erste Dämmerlicht kam. Aus der Tiefe der Nacht stieg ein Grau am Osthimmel auf, dann folgte ein helles Glühen, später liefen Lichtstrahlen über den Himmel. Die milde Morgenluft war prickelnd. Bis zum Sonnenaufgang blieb der Hochwald eine dunkle Wand. Die Bäume bildeten nur Silhouetten, zweidimensionale Erscheinungen ohne Tiefe, sie wirkten wie Kulissen aus Pappmaché. Mit wachsender Helligkeit erwachten dann die bisher verborgen gebliebenen Farben meiner Umwelt, und aus der Baumkulisse entstand allmählich das bekannte Bild des Waldes. Rötlich leuchteten die Stämme im ersten Morgenlicht auf, einige Zapfen strahlten wie Kerzen. Der Boden war naß und weich, im Westen erlosch der letzte Stern. Es lag etwas unendlich Traumhaftes in dieser ersten Stunde des Tages.

      Wir beide konzentrierten uns besonders auf die Laute dieses Morgens. Mit geschlossenen Augen hört man besser, man riecht, atmet und spürt das Land ganz anders als mit offenen. Auch mein Begleiter saß regungslos wie eine Statue, nur zeitweise drehte er den Kopf in eine andere Richtung, um besser horchen zu können. Von Minute zu Minute wurde es im Wald lebhafter, kleine Sänger zwitscherten, der Kuckuck rief den Morgen aus, und ringsum tröpfelte, plätscherte und gluckste das Schmelzwasser.

      Meine Kehle war ganz ausgetrocknet. Manchmal mußte ich schlucken, und selbst dieser kleine Laut störte mich jetzt. Alles in mir war nur ein selbstvergessenes Warten, ein angespanntes Horchen, ein Sich-Auflösen im Bergmorgen.

      Fast wie ein Traum, zaghaft, leise und in längeren Abständen, ertönte zwischen dem Flüstern des Windes und dem Raunen des Wassers dann der erste Glocker. „Dck – dck“, kam es aus der Tiefe des Waldes. Der Hahn meldete.

      Es waren nur einige Töne, dann wurde es wieder still. Der Jäger nickte mir einmal wortlos zu. Jetzt ertönte wieder das leise Balzlied, die zaghafte Ouvertüre. Der schwere Mann neben mir sprang lautlos auf. Er winkte mir kurz zu, und schon stand ich neben ihm. Sein Gesicht war ganz verzerrt von Aufregung und Jagdfieber. „Den können mir angehn, schau, daß d’ ihn nit verschiaßt.“ Die flüsternde Stimme klang heiser, der Mann schaute und horchte inzwischen in die Richtung des noch nicht sichtbaren Hahnes, sein Körper zitterte. Gestern noch hatte er zu mir gesagt, daß er kein Jagdfieber mehr kenne, da er so viele Hahnen erlebt oder erlegt habe! Jetzt aber „riß“ es ihn ganz ordentlich. Am liebsten hätte ich gelacht. Jetzt duzte er mich sogar, obwohl wir sonst streng per „Herr“ waren! Wir schlichen bergauf.

      Erst nach etlichen Strophen, die wir ausnutzten, um ihn anzuspringen, erblickten wir ihn. Der Hahn balzte auf einer dunklen Fichte. Der sich flaschenartig verjüngende Stingel ragte in den hellen Himmel, die Schwingen hingen zwischen Zweigen herunter. Bevor ich aber auf Schußentfernung herangekommen war, ritt der Hahn ab und fiel in einiger Entfernung auf dem Boden ein. Deutlich konnte ich den Bremsflug der Schwingen hören. Dann war es so still wie zuvor.

      Nach etwa hundert schleichenden, atemgespannten Gängen war ich wieder in seiner Nähe. Er tänzelte auf Kugelschußentfernung umher, schlug den Fächer auf und ließ die Schwingen bis zum Boden heruntersinken. Die Lichtung, auf der er stand, war eine breite, im Sonnenlicht leuchtende Schneefläche. Den Hintergrund bildete die dunkle Wand der Fichten. Auf dieser Naturbühne, vor dieser mächtigen Kulisse, spielte der Hahn seine einzigartige Rolle. Majestätisch glitt er über den Schnee, wie ein Fabelwesen. Der Wald, der Morgenhimmel hielten ihren Atem an, nur der meine ging schnell und stoßweise: dunkel, hell, dunkel – Wald, Schnee und Hahn. In der prachtvollen Bodenbalz hob der schwarze Vogel den weißgesprenkelten Fächer, wölbte bei jedem Schritt den grünblauen Schild, und der himmelwärts gerichtete Kopf mit den dunkelroten Rosen und dem gesträubten Kehlbart zuckte beim Schleifen.

      Plötzlich verstummte er. Ich stand regungslos, balancierte auf einem Bein. Dann begann der Hahn wieder. Ich kam wieder etwas näher an ihn heran. Doch im nächsten Augenblick war der Zauber zu Ende: Eine Henne strich plötzlich polternd vor mir ab, der Hahn war gewarnt und folgte ihr. Aus war es!

      An diesem Morgen und auch an den nächsten hatten wir kein Weidmannsheil. Wir bekamen zwar noch zwei Hahnen in Anblick, doch strichen sie vorzeitig ab.

      Nun folgten Tage auf der Alm, die ich nie vergessen werde. Das Gebirge glitzerte und glänzte in der Frühlingssonne, der Himmel war hellblau, die Sonne brannte heiß herunter, die Schneehänge leuchteten im Licht, und ein warmer Wind weckte die Lebensgeister. Jeden Morgen und jeden Abend waren wir im Revier. Der Hochwald brauste im Föhnwind wie aufgebracht. Stämme ächzten, Äste schlugen und knisterten, es gab keinen Augenblick lang Stille. Manchmal glaubten wir, den Hahn melden zu hören, dann war es aber doch nur der Wind.

      „Wie verhext!“ brummte mein Begleiter mißgelaunt. „Bei dem Wind is nix zu machen.“ Dennoch harrten wir stets bis zur Dunkelheit aus, jedoch vergeblich. Kein einziger Hahn war klar zu verhören. In der Früh strömte der Südwind, der Sonnenaufgang war unbeschreiblich schön, doch außer dem Knistern und Stöhnen des Windes im Astwerk war nichts zu hören. Bei den abendlichen Pirschgängen, beim üblichen „Verhören“ der Hahnen, hatten wir ebenso Pech. Nichts schien zu stimmen, nichts gelang.

      Nun mußte ich einmal herunter vom Berg, um daheim nachzusehen. Zu dieser Zeit führte ich noch ein ziemlich „freies Leben“ als Architekt und

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