Erlebnis Bergjagd. Группа авторов

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Apfelmahlzeit zu beginnen. Und ebensowenig würde der Aurachhirsch am Morgen unserer dummen Äpfel wegen bis zum Anbruch des Büchsenlichts zuwarten, um sein Rudel über die „drei Linien“ hinweg zurück in den Einstand zu treiben. Oder vielleicht doch? Könnte es nicht sein, daß das eine oder andere Stück, an dem der Hirsch irgendein Interesse hat, sich doch beim „Äpfelklauben“ ein wenig verspäten könnte, nur ein vorlauter Beihirsch vielleicht, und der alte Gespensterhirsch kommt im Morgengrauen wutentbrannt zurück, wenn auch nur für ein paar entscheidende Augenblicke?

      Man wird also sagen dürfen, unsere Tat war keine „Kirrung“ im üblichen und üblen Sinn, wie sie leider so oft angewendet wird. Sie war mehr ein Verzweiflungsakt ohne Erfolgsaussichten, geboren aus der Erkenntnis, daß so, wie die Dinge einmal lagen, mein Bruder trotz aller Ausdauer den Aurachhirsch nie und nimmer vors Rohr kriegen konnte. Aber das soll keineswegs eine Entschuldigung sein. Auch wir waren keine Engel – und etwas mehr als das, was die Rechtsgelehrten „dolus eventualis“ nennen, war auf jeden Fall dabei!

      Die grünen Falläpfel des Fischerbauern wurden also mühsam gesammelt und mittags oben auf der Rhonbergleite verstreut. Viele von ihnen kugelten lustig über die Buckelwiesen bis zum Bahngleis hinunter. Wir erhofften uns nicht viel davon, aber doch immerhin etwas.

      An den nächsten Morgen begleitete ich meinen Bruder nicht mehr bei seinen dem Aurachhirsch geltenden Unternehmungen. Ich konnte ihm dabei nicht viel helfen, eher nur hinderlich sein. So ging ich auf anderweitige Erkundung im Rhonbergrevier.

      Mein Bruder verlegte seinen Ansitzplatz nach den vielen vergeblichen Versuchen am Heustadel in die Eisenbahnunterführung, wo er sich eine einfache Sitzgelegenheit herrichtete. Von hier aus war es viel näher bis zu jener Stelle, wo das Rudel spätabends und frühmorgens über den Bahnkörper wechselte. Durch den „Durchlaß“, den er sich als neuen Lauerposten erkor, zog das Wild, wie schon erwähnt, sehr ungern, wie sich auch am Fehlen von Trittsiegeln im feuchten Boden unschwer feststellen ließ.

      In den nächsten Tagen veränderte sich trotz der ausgelegten Äpfel so gut wie nichts. Mein Bruder behauptete zwar, er habe wiederholt ein auffälliges Knacken von Wildäsern vernommen, das nur von der Aufnahme der Äpfel herrühren konnte. Aber dazu hatten sie während der Nachtstunden, die sie auf der Rhonbergleite verbrachten, ja Zeit genug. Und pünktlich vor vier Uhr früh empfahlen sie sich, wie jeden anderen Morgen auch, über Bahngleis, Straße, Aurach und Jagdgrenze. Nur die erregenden Geräusche konnte der in der Bahnunterführung lauernde und frierende Jäger besser hören, denn er befand sich ein gutes Stück näher am Hauptwechsel, als dies beim Heustadel an der Straße der Fall war.

      Abends ging mein Bruder gar nicht mehr an die Aurach hinunter. Die Straße war doch zu belebt, und das Rudel kam erst zu später Nachtstunde herüber. Aber am Morgen ließ er nicht locker. Mochte ein Erfolg auf den Gespensterhirsch auch in noch so weiter Ferne liegen, jeden Tag saß er noch zu nachtschlafender Zeit in seinem Bahndurchlaß, der infolge des kalten Luftzugs vom Rhonberg herab alles andere als ein gemütlicher Ansitzplatz war. Dafür durfte er sich an der gewaltigen Baßstimme des alten Aurach-Sechsers erfreuen, die dieser, oft sogar aus ziemlicher Nähe, auf den noch nächtlichen Buckelwiesen erschallen ließ.

      Eines Morgens, es muß so um den fünften Oktober herum gewesen sein, ereignete sich dann das Unglaubliche, gänzlich Unerwartete. Das alltägliche Schauspiel – oder besser Hörspiel – war ganz in der gewohnten Weise über die Bühne gegangen. Der Hirsch war mit dem Rudel längst im Nachbarrevier, meldete eifrig und verschwieg ums Tagwerden. Mein Bruder, bar jeder Hoffnung und Erwartung, blieb trotzdem in seinem Durchlaß sitzen. Der heraufziehende Tag versprach ein besonders schöner zu werden, zum Heimgehen noch viel zu früh. Da bleibt man gern noch ein Weilchen sitzen und hängt seinen Gedanken und Träumen nach.

      Wie muß da der besinnliche Jäger im Bahndurchlaß zusammengefahren sein, als urplötzlich ein markerschütternder Donnerschrei in den runden Steinbogen hereindröhnte! Beinahe hätte er vor Schreck die dicht neben ihm lehnende Büchse umgestoßen, denn als er den Kopf hob und hinausschaute, stand da, auf kaum vierzig Meter und schon bei recht leidlichem Büchsenlicht der Aurachhirsch und schrie, daß die Erde erbebte. Mächtig hoch, so berichtete mein Bruder später, steilte das enge Korbgeweih mit den armdicken Stangen, deren weiße Spitzen sich oben fast berührten, in die Höhe.

      Trotz Schreck und Erregung faßte er sich und fuhr langsam, ohne gefährliche Hast mit der Büchse auf: Aber, o weh, der Gespensterhirsch war im Okular des Zielfernrohrs nicht sichtbar! Kein Wunder, die beiden Linsen waren vom kalten Morgendunst beschlagen. Zwei Wischer mit dem Daumen, ein alter Trick, hätten wahrscheinlich genügt. Was aber tat der Jäger im Bahndurchlaß? Er zog sein blütenweißes Taschentuch aus der Hosentasche und begann damit, die Linsen vom lästigen Morgentau zu befreien. Das natürlich ließ sich der Aurachhirsch nicht mehr gefallen: Mit ein paar mächtigen Fluchten war er über Bahngleis, Straße und Aurachbach hinweggesetzt. Und als der verzweifelte Jäger, die Büchse in der Hand, aus dem Durchlaß sprang, war der Spuk längst entschwunden – aus der Traum!

      Was den Hirsch zu diesem ungewöhnlichen Auftritt veranlaßt hatte, wurde nie ergründet. In der Brunft gibt es viele Möglichkeiten. Unsere Falläpfel vom Fischerbauern werden vermutlich nicht viel dazu beigetragen haben!

      Als ein völlig gebrochener Weidmann kam mein Bruder an jenem Oktobermorgen zur Hütte zurück. Alle Bemühungen Haralds, ihn mit einem schmackhaften Frühstück zu trösten, blieben vergeblich. „War das ein Hirsch! Bin ich ein Esel!“ Mehr war zunächst nicht aus ihm herauszukriegen. Erst später erzählte er uns den genauen Hergang der großen Tragödie.

      Der alte Sechser aber erhielt an diesem Tag einen zweiten Namen. Er hieß fortan auch der „Sacktuchhirsch“!

      Die Geschichte im Bahndurchlaß gelangte auf direktem Weg an die Ohren des Benzinger Jagdherrn, der sich darüber halbtotgelacht haben soll und uns schon am nächsten Tag auf der Rhonberghütte besuchte. In einer langen und sehr gemütlichen Plauderstunde wurde – wie könnte es auch anders sein–hauptsächlich über den geheimnisumwitterten „Sacktuchhirsch“ gesprochen. Auch der Nachbar kannte den alten Sechser mit dem Korbgeweih nicht. Seine beiden Jäger hatten ihn nie an einer Fütterung gehabt, keiner besaß einen Abwurf von ihm. Auch in der weiteren Nachbarschaft war er, wie sich später herausstellte, unbekannt. Es wird sich wohl um einen Zuwanderer aus Tirol gehandelt haben, dorthin war es ja nicht allzu weit.

      Als sich der Benzinger Nachbar, es ging schon fast gegen Abend, verabschiedete, sagte er zu unserer großen Freude und Überraschung: „Sie haben sich solche Mühe gemacht um den alten Sechser, bitte, schießen Sie ihn ruhig bei mir herüben, wenn immer sie ihn haben können – er ist für Sie frei! Nur kann ich Ihnen dabei nicht behilflich sein, meine Jäger müssen noch Gäste führen. Also – Weidmannsheil auf den ‚Sacktuchhirsch‘!“

      Wir konnten uns über soviel Großmut kaum fassen. Die Sache hatte aber schon wieder einen neuen Haken. Die Zeit Haralds und meines Bruders war abgelaufen, schon am nächsten Morgen reisten die beiden ab nach Norwegen, wo Harald eine Elchjagd vorbereitete und meinen Bruder dazu eingeladen hatte. Dieser kämpfte – ich weiß es – einen schweren inneren Kampf, den Elch sausen zu lassen und sich weiter seinem „Sacktuchhirsch“ zu widmen, auf den die Chancen ja jetzt dreimal so günstig standen als jemals zuvor. Und in wenigen Tagen würde die Hirschbrunft zu Ende gehen und der alte Sechser wahrscheinlich die „Rückreise“ ins Heimatland Tirol antreten. Aber die Reise nach Norwegen abzusagen, schien unmöglich. Vom Flug – damals noch ein Ereignis – angefangen, hatte Harald alles aufs beste geplant und vorbereitet. So trat mein Bruder schweren Herzens das uns vom Benzinger Jagdherrn eingeräumte Recht auf den „Sacktuchhirsch“ an mich ab, der allein für den Rest der Hirschbrunft auf der Rhonberghütte zurückblieb und über diese unerwartete Wendung der Dinge nicht gerade traurig war!

      Der Rest ist schnell erzählt: Den ersten Tag nach der Abreise der Hüttengenossen benützte ich zur vorsichtigen Erkundung

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