Erlebnis Bergjagd. Группа авторов

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Erlebnis Bergjagd - Группа авторов страница 9

Erlebnis Bergjagd - Группа авторов

Скачать книгу

nichts. Und selbst das wenige hatte er uns nur durch seine Stimme verraten.

      Zu einer meiner neu gesammelten Erkenntnisse gehörte der Umstand, daß der einzige Steg, der über die Aurach führte, für mich einen Umweg von mindestens einer halben Stunde bedeutete. Zum Glück lag er für mich, der von der Rhonberghütte herunterkam, bachabwärts, so daß eine nächtliche Störung des auf den Wiesenleiten stehenden Wildes nicht zu befürchten war.

      Der zweite Morgen brachte den ersten ernsthaften Versuch im Benzinger Revier. Das Rudel stand, genau wie ich vermutet hatte, schon vor Büchsenlicht nach Durchquerung des schmalen Hochmoors im Bergwald und zog langsam aufwärts. Der Hirsch meldete gut, aber ich kam, wohl infolge zu großer Vorsicht, zu spät an die entscheidende Stelle, einen Streifen Altholz und einen anschließenden schmalen Schlag. Als ich dort anlangte, fand ich alles leer. Die große, gleich oberhalb gelegene Dickung hatte den Hirsch samt seinem ganzen Rudel bereits verschluckt!

      Auch am dritten Tag meines paradiesischen Jagens auf den „Sacktuchhirsch“ brach ein Morgen an, wie man ihn sich schöner nicht denken kann. Es gab einen starken Reif, bestes aller Vorzeichen. Mit dem Berg im Benzinger Revier fühlte ich mich schon ein wenig vertraut, aber natürlich noch längst nicht genug. Immerhin, mein Hoffnungsbarometer stand auf schön. Wie oft mag ich im Zwielicht des grauenden Morgens den Mittelfinger in den Mund gesteckt, wieviele Gräslein bei Tagesanbruch fliegen lassen haben, um nur ja keine mögliche Laune des Windes zu übersehen.

      Es war noch sehr früh. Drüben, noch jenseits der Aurach, schrie der Hirsch auf „unserer“ Rhonbergleite, aber wie es mir, besonders im Angesicht des ideal schönen Morgens vorkam, bei weitem nicht mehr so eifrig wie an den Vortagen. Eine Ewigkeit schien zu vergehen zwischen dem Zeitpunkt, als er drüben verschwieg, bis zu jenem, da er endlich herüben den ersten Schrei im Benzinger Bergwald hören ließ.

      So gut wie lautlos war das Rudel, wie alltäglich noch lang vor Büchsenlicht durch das kleine Moor wechselnd, eingezogen. Als es grau wurde, meldete der Hirsch, ließ aber an Eifer stark zu wünschen übrig. Immerhin erzählte er mir genug, um daraus zu schließen, daß das Rudel voraussichtlich den gleichen Wechsel annahm wie am Vortag.

      Ich hatte nicht weit bis zu der Stelle, wo der bewußte Hochwaldstreifen anfing. Nur eine gute Viertelstunde früher als gestern mußte ich oben sein, darauf hatte ich meinen Plan genau aufgebaut. Heute wird es gelingen, das hatte ich, so, wie alles von Anfang an abrollte, fest im Gefühl. Es war der neunte Oktober, also auch insofern allerhöchste Zeit!

      Ich erreichte ohne Zwischenfall, nur ein wenig atemlos, den vorgesehenen Platz und kauerte mich am Stamm einer alten Wetterfichte nieder.

      Durch sein abermaliges Verschweigen stellt mich der Hirsch auf eine lange, bitterharte Probe. Sollte das Rudel wider Erwarten doch schon durchgezogen sein? Es ist schon lange gutes Büchsenlicht. Ein schneller Blick auf die Uhr. Da – ein deutliches Steineln zu meiner Rechten, etwas ober mir. Der Wind steht vorzüglich gerade auf mich herab, genau aus der Richtung, von wo das erregende Geräusch herkam. Nach kurzer Stille ein mürrisch tiefer Brummer, gar nicht weit. Sie kommen!

      Das Herz schlägt mir bis über die Schläfen herauf, als das Leittier, nicht weiter als achtzig Schritt entfernt, mit unheimlich hochgestellt erscheinenden Lauschern den Hochwaldstreifen betritt. Dann geht es wie an einer Perlenschnur aufgereiht, Tier – Kalb – Tier – Kalb – Schmaltier – Tier, in solcher Reihenfolge ziehen sie zügig, aber vertraut durch den Bestand. Wieviele mochten es sein? Es ist wahrlich keine Zeit, sie zu zählen. Denn jetzt müßte der Hirsch kommen!

      Er kommt nicht, er läßt mich sitzen und bangen. Das Rudel ist durch, genau so wie gestern von der großen Dickung aufgenommen.

      Minuten scheinen zu vergehen. Es ist mäuschenstill. Enttäuschung, ja Wut will mich überfallen.

      Eine rasche Bewegung etwas oberhalb der Stelle, wo das Rudel eben durchzog. Ein kleines, fast schwaches Schmaltier erscheint, verhält und äugt zurück: Und da steht „er“, frei und breit in einer Baumlücke, das Haupt mit dem steilen Korbgeweih, dessen helle Spitzen sich fast berühren, hoch erhoben, der alte Sechser mit den armdicken Stangen, der Aurachhirsch, der Sacktuchhirsch! Unbemerkt bringe ich die Büchse hoch, will ihm gerade ins Leben fahren – da, ein markerschütternder Schrecklaut aus unmittelbarer Nähe dicht hinter und unter mir: Leer ist die Bühne! Hirsch und Schmaltier sind verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt, zwei Sekunden, bevor mein Schuß brach.

      Ein anderes, verspätetes Stück Hochwild wollte unter mir durchziehen und bekam mich voll in den Wind!

      Ganz ähnlich, wenn nicht ganz gleich, muß mein Bruder sich gefühlt haben, als er vor ein paar Tagen nach seiner Niederlage mit dem „Sacktuchhirsch“ den Bahndurchlaß verließ. Bis zum heutigen Tag habe ich die meine nicht verwunden. Dieser alte, freie Berghirsch von „nur“ sechs Enden wäre für mich der „Hirsch des Lebens“ gewesen!

      Von jenem Morgen des 9. Oktober an war er fort und wurde nie mehr in der Gegend gesichtet. War er, ein unsteter freier Wanderer, abgebrunftet und weggezogen, oder war jener furchtbare Schrecklaut ihm vielleicht ebenso stark in alle Glieder gefahren wie mir, seinem Verfolger, und hatte ihn vergrämt? Niemand hat es je ergründet. Der „Aurachhirsch“ blieb für immer verschollen.

      Heute noch bin ich dem Benzinger Jagdherrn tief dankbar für jene drei Jagdtage in seinem schönen Revier. Würde er aus dem Grab aufstehen und zu mir sagen: „Los, auf –, versuch’ es noch einmal mit dem alten Sechser an der Aurach!“ – mit tausend Freuden würde ich hinziehen, würde mir liebend gern, genauso wie damals, ein Dutzend Nächte auf der Rhonberghütte – ob sie wohl noch steht? – für ihn um die Ohren schlagen, und würde ihn wahrscheinlich eines schönen Morgens schießen. Danach würde ich sein Haupt mit dem engen Korbgeweih hinauf zur Hütte schleppen.

      Ich würde es im Brunnentrog wässern und zuschauen, wie gelbe Blätter in das glasklare Wasser des eintönig murmelnden Brunnens fallen, aus dem die Geweihspitzen, die sich oben fast berühren, und wahrscheinlich auch die halbarmlangen Augenenden herausragen.

      Ich würde das endenarme Geweih mit den prügeldicken Stangen in der Hütte selber auskochen und genauso eifersüchtig wie der rote Schweißhund darüber wachen, daß ja kein anderer zu nahe daran kommt oder mir beim herrlichen Tun helfend und werkend zur Seite steht.

      Ich würde nicht müde werden, es zu betrachten, zu befühlen, zu wägen. Ich würde den unvergleichlichen Duft, jene einmalige Mischung aus Regen und Erde, Baum und Wild durch die Nase einsaugen.

      Und ich würde lachen über alles, was man heute unter vielerlei Vorwand und grauer Theorie mit dem Hirsch und dem Rehbock der kargen Berglandschaft anstellt. Ich würde alle vielendigen Kapitalgeweihe, die man dem armen Berghirsch angemästet und anbiologisiert hat, diese Rekordgebilde, welche die Natur dem Hirsch und dem Rehbock nie und nimmer hätte wachsen lassen, ich würde das alles im Angesicht des starken Sechsergeweihs im Brunnen froh und guten Gewissens dahin wünschen, wo es hingehört!

      Daß wir dem Wild ersetzen müssen, was wir ihm aus Profitgier im Wald und auf dem Feld weggenommen haben, ist doch eigentlich nichts anderes als eine selbstverständliche Pflicht. Eine Anstandspflicht, nicht nur des Jägers allein, sondern aller, die mit dem Wald und mit dem Acker noch etwas zu tun haben. Es ist eine schwerwiegende Frage menschlicher Moral, für uns Jäger ein Prüfstein jagdlicher Gesittung und Kultur. Gerade darum aber sind ungesunde Übertreibungen, wie sie heute so oft vorkommen, besonders gefährlich. Denn sie kommen gerade denen so schön zupaß, bei denen Anstand und Moral schon lange nicht mehr an erster Stelle stehen. Also – alles mit Maß und nie zur Unzeit!

      Die Geschichte vom „Aurachhirsch“ sollte auch zeigen, wie ich mir einen „Trophäenkult“ vorstelle. Ein Berghirsch von „nur“ sechs Enden und vermutlich

Скачать книгу