Erlebnis Bergjagd. Группа авторов

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sie starke Hirsche betrafen, weit herabschrauben mußten. Dies empfand aber keiner von ihnen als besonderes Unglück. Und nebenbei – wie lächerlich billig waren in jenen Jahren die Jagdpachtpreise, wenn man sie mit den verrückt hohen von heute vergleicht.

      Also, der zweite Herbst, Ende September, Anfang der Hirschbrunft. Harald hielt unverbrüchlich seinem geliebten „Hochgraben“ die Treue. Ich selbst, soweit ich nicht bis zu meinem ebenso abgelegenen wie zur Hirschbrunft wenig verheißenden „Kobel“ vordrang, versuchte, meinem Bruder bei seinem schwierigen jagdlichen Vorhaben behilflich zu sein. Denn ausgerechnet die Gegend der „drei parallelen Linien“ hatte er sich für die hohe Zeit der Hirsche auserkoren. Doch das sicher nicht ohne guten Grund!

      Ziemlich lange lebten wir in dem Irrtum befangen, auf jener westlichen Schmalseite unseres Rhonberges ziehe das Hochwild trotz der unten vorbeiführenden Bahnlinie und Hauptstraße und der damit verbundenen Unruhe spätabends vom Wald herunter auf die Wiesenhänge und Buckelwiesen.

      Die einmahdigen Flächen, wegen Bahn und Straße größtenteils nicht als Herbstweide verwendet, boten noch gute Äsung. Kamen wir nun spät am Abend mit Haralds Auto – er besaß schon eines – aus München, um den nächtlichen Aufstieg zur Hütte anzutreten, sahen wir zuweilen, wenn der Mond hell genug schien, das Hochwild als undeutliche Schemen oben auf den Buckelwiesen stehen. „Unser Rhonbergwild“, dachten wir dann natürlich. Manchmal flüchtete auch ein Stück Wild vor den Scheinwerfern über die Straße. „Das kam vom Rhonberg herunter, wo sonst sollte es herkommen?“

      Der Verkehr auf dieser Hauptstraße im Fremdenverkehrsgebiet war damals schon rege, hauptsächlich im Hochsommer und im Winter; aber selbst da noch lächerlich gering im Vergleich mit heute, der Zeit nie abreißender Autoschlangen. Im Herbst und zur Zeit der Hirschbrunft war er von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang kaum in Rechnung zu stellen. Und das war natürlich von großer Wichtigkeit.

      Immerhin dauerte es bis zum zweiten Herbst der Pachtzeit, daß wir die wahren Gewohnheiten des Wildes einigermaßen richtig zu beurteilen verstanden.

      Während der Brunftzeit hatten wir nur wenig Hochwild im Revier stehen. Was an Hirschen einigermaßen mannbar war, zog über die Aurach hinüber ins Benzinger Revier oder über die Leitzach in die Hundhamer Berge. Denn dort waren die guten Brunftplätze. Unserem Rhonberg blieb die Stille, die uns aber keineswegs verdrossen machte, geschweige denn die Hoffnung sinken ließ. Und als der zweite Herbst ins Land zog, hatten wir eine große und aufregende Entdeckung gemacht:

      So gut wie jeden Abend zog ein starkes Rudel Hochwild vom Benzinger Revier herüber auf die westlichen Wiesenhänge des Rhonberges. Freilich, bis es vom Berg, wo es seinen Einstand hatte, herunterkam, das ganze, immerhin einige hundert Meter breite Hochmoor mit der üblichen Vorsicht überquerte, um endlich über die Aurach, zugleich Jagdgrenze, dann über die Staatsstraße und das darüberliegende Bahngleis zu wechseln, das dauerte jedesmal eine wahre Ewigkeit für den der Dinge, die da kommen sollten, harrenden Jäger. Und dieser Jäger, so wurde es gleich nach der „Entdeckung“ beschlossen und ausgemacht, war mein Bruder.

      Daß ein starker Hirsch beim Rudel stand, war seit dem 20. September klar, denn an diesem Tag ließ er uns zum ersten Mal seine Stimme hören – und was für eine Stimme! Ihn in Anblick zu kriegen oder gar ihn einigermaßen sicher anzusprechen, das war eine ganz andere Sache, obwohl er pünktlich jeden Abend hinter seinem kopfstarken Rudel erschien, aber nie vor zehn Uhr abends! Die Nacht verbrachte er mit seinem Harem ungestört auf den steilen Buckelwiesen zu Füßen des Rhonberges und schrie, daß die Erde zu erbeben schien.

      Ende September wird es, je nach Wetter, zwischen halb sechs und sechs Uhr früh schußlicht. Unser „Aurach-Hirsch“, wie wir ihn alsbald tauften, verließ unsere Gefilde am Morgen ebenso pünktlich, wie er am Abend kam, nämlich schon gegen halb vier. Das war um gute zwei Stunden zu früh!

      Von dem kleinen Heustadel aus, der gleich neben der Straße stand, wo wir das aufregende Geschehen jeden Morgen mit Auge und Ohr, aber viel mehr mit dem Ohr verfolgten, nahm es sich ungefähr so aus: Oben vom Rhonbergwaldrand, in dessen Nähe sich das Rudel während der Nacht mit Vorliebe aufzuhalten schien, stieg die Stimme, wenn es gegen Morgen ging, tiefer und tiefer langsam herab ins Tal. Entweder dröhnte der Kampfruf in die Benzinger Berge hinüber, dahin, wo die anderen Hirsche meldeten, oder, ewig unvergeßlich, schallte der urige Sprengruf einmal da, einmal dort über die schlafenden Buckelwiesen: Dumme, trügerische Hoffnung, wenn es noch weiter oben war, enttäuschendes Verzagen, wenn er schon zu weit herunterkam, bis die Resonanz der steinernen Bahnunterführung die mächtige Stimme des Geisterhirsches noch verstärkte.

      Dann wird es plötzlich still. Totenstill. Der Wind steht gut, nicht nur gut, er ist todsicher. Wäre es anders, hätte man ja hier beim Stadel nie und nimmer gelauert! Blick auf das Leuchtblatt – halb vier! Der Hirsch verschweigt. Dann geht es Schlag auf Schlag in programmmäßiger Folge: Knirschende, rutschende Schottersteine auf dem Bahnkörper, einmal, zweimal, zehnmal. Nach zwanzig Sekunden Pause hastiges Klappern von Schalen über die harte Straße. Und schließlich seltsam saugende, dumpfe Laute – das Rudel setzt über die Aurach! Vielleicht noch ein gewaltiger Platscher im Wasser des Bachs. Das war wohl „er“, der schnell ein erfrischendes Morgenbad mitnimmt nach der kräftezehrenden Nacht. Jetzt sind sie alle drüben, jenseits der Aurach, jenseits der Jagdgrenze. Adieu, Aurachhirsch! Vielleicht auf morgen, wenn der Angrenzer uns nicht einen Strich durch die Rechnung macht. Er hätte es viel leichter als wir, wenn das Rudel bei ihm zu Berg in den Tageseinstand zieht.

      Doch drüben fällt kein Schuß. Um halb sechs fängt der Hirsch wieder eifrig zu melden an. Wir hören ihm eine Zeitlang zu, dann gehen wir. Bis zur Rhonberghütte haben wir etwas mehr als eine Stunde.

      Harald wartet schon mit dem Frühstück, das er jeden Morgen trefflich zubereitet. Er hat nichts gesehen in seinem „Hochgraben“ und auch nichts gehört. Und ist trotzdem bei bester Laune!

      Unsere Aussichten auf den Gespensterhirsch an der Aurach waren alles andere als rosig. Da er die Wiesenleite am Rhonberg nur während der Nacht mit seiner mächtigen Stimme beehrte, schien seine Erlegung uns bald so gut wie unmöglich, ihn in Anblick zu kriegen, schwierig genug. Bei letzterem kam uns, völlig unerwartet, ein Zufall zu Hilfe. An einem der letzten Tage im September fuhren wir wieder einmal spät abends, von Schliersee kommend, nach Fischbachau. Als wir die bewußte Stelle unterhalb der Bahnunterführung absichtlich mit stark verminderter Geschwindigkeit passierten, überfiel plötzlich ein Hirsch mit anscheinend gutem Geweih hochflüchtig die Fahrbahn – dicht hinter ihm, aber trotz unserer gedrosselten Geschwindigkeit schon wesentlich näher, ein zweiter, der offensichtlich den Rivalen in Richtung Rhonberg hinauf sprengte.

      „Das war er!“ riefen wir alle drei außer uns vor Erregung wie aus einem Mund. Und alle drei hatten wir, obwohl der ganze Vorgang nicht länger als höchstens drei oder vier Sekunden gedauert haben kann, genau das gleiche festgestellt: Der Verfolger war in seiner Gestalt ein Riese von einem Hirsch im Vergleich mit dem Verfolgten. Während dieser aber ein vielendiges Geweih auf dem Haupte trug, also zumindest ein Kronenzehner oder -zwölfer war, stach uns beim Verfolger die Endenarmut sofort ins Auge: Ein unheimlich hohes Geweih mit sehr starken Stangen, halbarmlangen, weit nach aufwärts geschwungenen Augenenden, aber sonst ziemlich nackt und leer. Ein alter Sechser, höchstens ungerader Achter, so lautete unsere übereinstimmende Meinung. Auf jeden Fall aber ein Prügelhirsch, geradezu ein Stier in seiner ganzen wuchtigen Erscheinung. Hier schien der Name „Stier“, wie die Graubündener Jäger jeden Hirsch, auch den Spießer vom ersten Kopf nennen, wahrlich nicht unangebracht. Es war ein überwältigendes Erlebnis, diese nächtliche Begegnung auf der Schlierseer Landstraße. Und auf dem kurzen Rest der Fahrt und auch noch beim Aufstieg zur Hütte wurde nicht viel gesprochen. So stark hatte uns die Erscheinung des Aurachhirsches in ihren Bann geschlagen.

      Wer hätte es geahnt oder erhofft, die zweite Begegnung mit dem Gespensterhirsch sollte schon kurze Zeit später stattfinden. Nach einigen weiteren vergeblichen

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