Erlebnis Bergjagd. Группа авторов

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zwei jagdbaren Hirsche pro Jahr standen natürlich den zwei Pächtern, Harald und meinem Bruder zu. Geschossen wurden sie nie, sie standen praktisch nur auf dem Papier – und im Winter an der Fütterung! Das freute uns zwar sehr, aber ansonsten glänzten sie zumeist durch Abwesenheit. Mein Bruder bevorzugte im Herbst die westliche Schmalseite des Rhonberges für seine jagdliche Tätigkeit, und das mit einer Ausdauer, welche diejenige Haralds am „Hochgraben“ beinahe noch übertraf. Das hatte aber auch einen besonderen Grund, und mit der Stelle, die er immer wieder mit an Verbissenheit grenzender Unverdrossenheit und Zuversicht aufsuchte, eine ganz besondere Bewandtnis.

      Wenn ich heute an dem Platz stehe – das kommt zuweilen vor, denn mein Wohnsitz am Tegernsee ist nur fünfzehn Kilometer davon entfernt –, dann mag ich es kaum glauben, und es will mir einfach nicht mehr in den Kopf hinein, daß hier mein Bruder damals viele Morgen auf jenen Hirsch gelauert hat, von dem ich jetzt so einiges berichten will. Doch ich war selbst einige Male mit dabei und irre mich nicht: Es war fast genau da, wo heute die große, supermoderne Straßenkreuzung außerhalb des Ortes Neuhaus bei Schliersee das Haupteinfallstor in die bekannten, von München aus am schnellsten zu erreichenden Skigebiete bildet: Rechts Spitzing-Suttengebiet, geradeaus Bayrischzell, Sudelfeld, und wie sie alle heißen.

      Abertausende von Autos ergießen sich jedes Wochenende aus der Großstadt in diese Gegend. Wer dort einen richtigen Autostau selbst erlebt oder auch nur mit eigenen Augen gesehen hat, und ein solcher ereignet sich beileibe nicht selten, der hat einen Vorgeschmack vom Skiwochenende von heute.

      Aber nicht nur vom eigenen Auto ist der Skifahrer aus der Großstadt, der da draußen auf vierundzwanzig Stunden Erholung hofft, gefangen. Er ist weiter ein Gefangener der Bergbahn, des Skilifts – wie lange dauert es, zwei Stunden oder drei, bis man an der Reihe ist – und dann vor allem der Piste! Ein Gefesselter, nicht zuletzt auch an die Ungetüme seiner Skistiefel, natürlich dem letzten Schrei der Industrie, mit denen aber ein vernünftiger Mensch keine zwanzig Meter weit normal gehen kann. Doch das braucht man ja auch nicht mehr!

      Zu meiner Zeit gab es auch gute Skistiefel, die waren noch aus Leder gemacht. Man konnte mit ihnen aufsteigen – das Wichtigste und Erholsamste von allem – man konnte abfahren, ohne Scheu richtig gehen und abends sogar tanzen!

      Damals, es war jene Zeit, als wir auf den Hirsch jagten und das Auto gerade erst seinen Siegeszug begann, fuhren die meisten Menschen mit der Eisenbahn ins Skigebiet und sehr viele mit dem Fahrrad; am Samstag früh sechzig Kilometer hin, am Sonntag abend sechzig Kilometer zurück. Trotz der enormen körperlichen Anstrengung hatten sie alle viel fröhlichere Gesichter als jene, die sich heute im Schneckentempo und Benzinmief im eigenen Auto heimwärtsquälen.

      Der größte Verlust im Vergleich zu damals ist, wie gesagt, der Aufstieg: Er war ebenso schön, wenn nicht schöner als die Abfahrt. Man sprach und lachte miteinander. Man hörte den Kolkraben rufen und den Schwarzspecht trommeln. Man genoß Sonne, Wolken und Bäume. Und kreuzte ein Scharl Gams oder ein anderes Wild unseren Weg, dann blieb man stehen und hielt das Maul, bis sie drüben waren. Und freute sich!

      Der Aufstieg des Skifahrers ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen, tot, eines der vielen Opfer von Industrie und Technik, die den Menschen das Leben schöner und leichter machen sollten. Dafür ermöglichen Bergbahn und Skilift dem Erholungsuchenden, daß er dreimal oder viermal am Tag die Piste herunterrasen kann, vorausgesetzt, daß er nicht an der Talstation jedesmal drei Stunden anstehen muß. Und die genußreiche Abfahrt? Sie ähnelt in vieler Hinsicht schon verblüffend dem Verkehr in der Großstadt.

      „Wie lange brauchst du für die Lyra-Abfahrt?“ – „In sechs Minuten schaff’ ich sie leicht!“ – „Ich brauche nur fünf. Meine Bestzeit steht auf vier!“ – „Wo ist eigentlich die Marie? Die Marie müßte doch längst schon da sein!“

      Die Marie hat sich bei der Abfahrt ein Bein gebrochen. Außerdem nur eine kleine Gehirnerschütterung. In längstens einer Stunde ist der Hubschrauber da und bringt sie ins Spital, nach Tegernsee oder gleich nach München.

      Großartig, wie weit wir es gebracht haben, oder vielleicht nicht?

      Wer da glaubt, der Skisport sei vor dreißig Jahren um kein Haar schöner gewesen als heute, sondern im Gegenteil, heute sei er viel schöner und eröffne ganz andere Möglichkeiten, der werfe doch einmal einen kurzen Blick auf den alpinen Ski-Rennsport, das durch das Fernsehen in unvorstellbarem Ausmaß hochgepeitschte Idol unserer Zeit und seine rasante Entwicklung. Da ich selbst, ehrlich zugegeben, nicht allzu viel mit der Faszination der Hundertstelsekunden und dem um sie erschallenden Begeisterungslärm anfangen kann, hier nur eine kleine, aber doch recht typische, erst kürzlich selbst erlebte Geschichte:

      Ich saß abends nach der Jagd in einer gemütlichen Runde im Wirtshaus beim Abendessen. Neben mir ein nett und keineswegs dumm aussehender junger Mann von etwa zwanzig Jahren, Student aus München, wie sich später herausstellte. „Stellen Sie sich vor, was für ein Glück ich am vorigen Sonntag hatte“, so begann er voll Eifer seine Erzählung. „Wir waren in X-Dorf und wollten bei Herrn B. Kaffee trinken. Gar kein Darandenken! Hunderte von Autos, Tausende von Menschen in und um das Haus, ein unvorstellbares Gewimmel!“ In dem Haus wohnte die Tochter B., eine berühmte Skikönigin. Verständlich, jeder von den Tausenden wollte ein Autogramm von ihr ergattern mit dem vielsagenden Begleitwort „Skiheil!“, auch wenn wir jetzt Hochsommer hatten. So weit, so gut. „Trotz des Menschengewühls“, so fuhr mein Tischnachbar fort, „konnten meine Freundin und ich uns bis zur Garage von Fräulein B. durchkämpfen, in der ihr Sportwagen steht. Und es gelang uns tatsächlich, die Garagentür anzufassen!“

      Ich bin weit davon entfernt, dem Irrtum zu verfallen, wir wären in meiner Jugendzeit gescheiter gewesen als die Jungen von heute. Aber ein solches Maß an Begeisterung für eine aus allen Fugen geratene Sportart wäre damals doch schwer denkbar gewesen. Erfolg der Massenmedien!

      Zurück zu unserem Hirsch und ins Rhonbergrevier! Da, wo es vom Haupttal Schliersee-Bayrischzell berührt wurde, wies es eine besondere, auch jagdlich problemreiche Eigenart auf, die sich ungefähr so beschreiben läßt: Stand man oben am Waldrand und schaute auf den weiten Hang der Buckelwiesen hinab, fielen einem sofort drei gerade, parallel verlaufende Linien auf, die, nur wenig voneinander entfernt, unten das Tal durchzogen. Die oberste, also die dem Beschauer am Waldrand zunächst liegende Linie, war das stark aufgeschotterte Eisenbahngleis der Linie München-Schliersee-Bayrischzell. Unweit davon und nur ein wenig tiefer gelegen, zog sich die Staatsstraße in gleicher Richtung entlang. Und weitere fünfzig Meter rechts von ihr floß die Aurach, ein ungefähr drei Meter breiter, tiefer, forellenreicher Bach mit braunem, aber sauberem Moorwasser seiner Mündung in die Leitzach entgegen. Fuhr oder ging man nun auf der Hauptstraße, sah die Sache ungefähr so aus: Zur Rechten, kaum einen Schrotschuß von der Straße entfernt, floß gemächlich die Aurach dahin. Sie bildete auch die Jagdgrenze zum großen „Benzingrevier“, von dessen Inhaber wir bald noch hören werden. Auf der drüberen Seite der Aurach erstreckte sich ein langgezogenes, nur wenige hundert Meter breites Hochmoor, das bis an den Fuß der hier ansteigenden „echten Berge“ heranreichte. Zur Linken sah man, wie erwähnt, zur westlichen Schmalseite des Rhonberges über die steilen Wiesenhänge bis zum etwa vierhundert Meter entfernten Waldrand hinauf. Die gleich oberhalb der Staatsstraße verlaufende Eisenbahnlinie wies noch eine kleine, aber für uns Rhonbergjäger bedeutsame Besonderheit auf: Eine kleine Bahnunterführung, auch „Durchlaß“ genannt, in Form eines halbkreisförmigen Betonbogens. Durch diesen Durchlaß führte ein schlechtgepflegter Feldweg, der nur land- und forstwirtschaftlichen Zwecken diente und merkwürdigerweise vom Wild nur ungern als Wechsel benützt wurde.

      Ich kann nicht mehr beschwören, war es im ersten oder zweiten Herbst der Rhonberg-Pachtzeit. Es muß aber wohl im zweiten Jahr gewesen sein, denn trotz des Umstandes, daß man verhältnismäßig nicht allzu oft und allzu lang im Revier weilen konnte, und obwohl, wie bereits erwähnt, die nötige Zusammenarbeit mit dem übernommenen Jagdaufseher stark zu wünschen

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