Erlebnis Bergjagd. Группа авторов

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Erlebnis Bergjagd - Группа авторов

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lieber in die Fremde zogen, als ihren Glauben aufzugeben, als hiezu der gestrenge Befehl des Fürstbischofs kam. Sie fanden damals in der kargen Einsamkeit dieses Tales Heimat und Zuflucht. Der Boden und die Besitzverhältnisse ließen keine bäuerliche Entwicklung zu.

      Die Zuwanderer mußten sich daher zur Arbeit im Walde verdingen. Holzknechte, Flößer und Jäger wurden sie. Dieser naturnahe, zähe, stille Menschenschlag hielt dann bis heute dem unwirtlichen Boden der kleinen Heimat die Treue, bewahrte trotz der Abhängigkeit von der Grundherrschaft ein unaufdringliches Selbstbewußtsein, den Glauben der Vorfahren und das innige Verhältnis zu Wald und Wild. Kommt man aus dem Inneren der Steiermark, aus diesem leidenschaftlichen Land hierher, so hat man ein wenig den Eindruck, zu Puritanern gekommen zu sein. Und der Tonfall der Leute ist eine Mischung der Gebirgsmundart mit der Klarheit der Pastorensprache, die bei uns in Österreich immer noch ein wenig nach dem Norden klingt.

      „Am besten, wir setzen uns oben zwischen Roßgraben und Krautgraben an“, hatte mir der Jäger nach den obligaten Probeschüssen schon vor der ersten Pirsch geraten. Nun saßen wir schon das dritte Mal an dieser Stelle. Es war ein Bodensitz, wie im Gebirge üblich, wenn man von irgendeinem geeigneten Punkt auch ohne Überhöhung der eigenen Position guten Ausblick hat. Unser Sitz befand sich auf einer Schneid‘ und bot nicht nur auf mehrere Hänge gute Sichtmöglichkeiten, sondern auch einen weiten Blick ins umliegende Land, auf die dunklen Fichtenbestände, auf die leuchtenden Buchen mit dem rotdunklen Bodenteppich, auf den Föhrenhochwald am Gegenhang, auf den kahlen, schildkrötenförmigen Rücken des Göller, auf den niedrigeren Sulzberg, auf den bald steigenden, bald fallenden Jägersteig, der uns hierhergeführt hat. Es war später Nachmittag.

      Kaum hatte ich eine Viertelstunde oben gesessen, zog ein Tier mit Kalb ganz in meiner Nähe durch. Es gibt kaum einen friedlicheren Anblick, kaum ein eindrucksvolleres Bild der Mutterschaft in der Tierwelt als ein vertraut äsendes, führendes Rottier. Eine verborgene Schönheit liegt immer in diesem Anblick, wie eine Erfüllung der immerwachen Sehnsucht nach Leben und nach Fortpflanzung.

      Der Oktober färbte bereits kräftig das Laub. Das klare Licht des Herbstes glänzte, und der sanfte Harzduft der Föhren und Fichten lag in der Luft. Ich roch direkt, wie die Nadeln wochenlang den Sonnenschein und den Sprühregen filtrierten, um diesen eigenen frischen Duft hervorzubringen, der sich dann mit dem Geruch des Harzes vermischte.

      Das Tier mit dem Kalb verließ jetzt den Schlag. Die beiden wechselten in den Hochwald der Gegenseite ein. Ich ließ meinen Blick über die weitere Umgebung streichen, über die Bergrücken im Abendlicht.

      Die Berge dieser Gegend stehen nicht, sie liegen im wahrsten Sinne des Wortes. In langgezogenen Linien schneiden sie scharf in den Himmel und setzten allem Irdischen eine betonte Grenze. Im Randgebiet der Alpen findet man echte Bergspitzen recht selten, eher Züge und Massive; es fehlt hier die Gotik der Gipfel und Zacken des Alpenhauptkammes, die Individualität der Bergformationen des Hochgebirges.

      Die Ostalpen wirken oft schroff und schwer durchschaubar, weil es nur von wenigen Punkten einen weiten Ausblick gibt. Hier herrschen die Konturen annähernd gleich hoher Berge, zeichenhaft klare Formen bieten sich aus verschiedenen Blickwinkeln. Man braucht eine gewisse Vorstellungskraft, um Wesen und Ausdruck dieser Landschaft zu erahnen, die Sprödigkeit der oft schattigen Steilgräben nicht zu mißdeuten. Es ist eine rauhe Gegend, doch trotz ihrer kargen Verschlossenheit nicht hintergründig.

      Am alten Buchenstamm neben meinem Sitz hörte ich ein Rasseln und Kratzen. Zwei Eichkätzchen liefen in nimmermüden Spiralen um den Stamm auf und ab. Sie spielten Fangen. Das eine, ein graugefärbter kleiner Missetäter mit dunkler Fahne, blickte mich im Vorbeihuschen jedesmal an. In den winzigen dunklen Augen lag eine Schelmerei, der man nicht widerstehen konnte. Ich hätte mich nicht gewundert, hätte der Kobold plötzlich mit einem Zweig, mit einer Eichel nach mir geworfen, um auch mich zum Spiel aufzufordern.

      Später zog ein Kahlwildrudel durch den Jungwald unter dem Schlag und in den Hochwald ein. Ein auffallend helles Schmaltier stand beim Rudel. Kälber sah ich keine. Kaum war das Wild durchgewechselt, erblickte ich weit außer Schußweite oben am Kahlschlag des Hofberges ein zweites Rudel. Es waren vier Tiere, ein Spießer und drei Kälber. Manchmal schienen sie in den verdorrten Fratten des Schlages zu verschwinden, dann wieder leuchtete in der Abendsonne ein Wildleib oder ein heller Spiegel auf. Hirsche sahen wir nicht, diese hatten sich nach der Brunft in heimliche Bestände verzogen.

      In die Gräben und Hänge legten sich allmählich die Schatten, nur in der Höhe leuchtete noch das Licht. Von diesem umflutet, stand oben die mächtige Föhre, ein einsamer Überhälter. Der Stamm glänzte dunkelrot. Unter mir trat jetzt ein recht guter Rehbock aus. Es war die schönste Stunde des späten Tages, sie offenbarte den tiefen Zusammenhang von Landschaft, Tier, Pflanze und menschlichen Gedanken. Sie kannte auch die Einsamkeit nicht, die uns so häufig überkommt, wenn träge Stille zwischen Tag und Nacht liegt. In solchen Stunden erlebt man, daß der Mensch ein antwortendes Wesen ist, selbst der Natur gegenüber.

      Der Bock warf plötzlich auf und verhoffte zum Wald. Ein Häher rätschte und kreischte. Plötzlich stieg Spannung hoch; mir schien, als würde der Bach unten im Graben viel lauter rauschen. Dann aber zog der Bock behutsam fort. Ein Rudel Muffelwild kam zum Vorschein, das hat ihm offenbar nicht gefallen.

      „Das macht nix, morgen werden wir wieder in diese Gegend kommen, hier hat man immer irgendeinen Anblick!“ meinte der Revierjäger, als wir bergab zogen.

      Schön ist es, in einem hübschen, gepflegten Jagdhaus den Abend nach einer Pirsch zu verbringen. Schön ist es aber auch, Zeit für solche ausgedehntere Jagdaufenthalte zu finden. Dem ruhigen Pirschen ohne Zeitdruck wurde längst schon ein Garaus gemacht: Viele Jagdgäste möchten schon am Tag ihrer Ankunft im Revier, sozusagen beim Aussteigen aus dem Wagen – welches Glück! –, den Bruch auf ihren Hut stecken. Nichts aber verdirbt die Freude des Jagdpersonals mehr als die Hast, als der Mangel an Gelegenheiten, das Beste aus einer Pirsch herauszuholen, die Schönheit des von ihnen betreuten Reviers dem Gast zu zeigen. Und vor allem braucht der Jagdgast Zeit, um Sympathie und Vertrauen des Berufsjägers zu gewinnen, denn ohne die beiden gibt es kaum einen befriedigenden Erfolg.

      Vor Morgengrauen saßen wir schon mit Oberförster Theubenbacher wieder draußen im Revier. Ein unbeschreiblich schöner Sonnenaufgang kam. Merkwürdig, daß die meisten Landschaftsmaler der Alpen das Tagwerden so vielfärbig, fast störend bunt sahen. Das liegt wohl daran, daß das Bunte und Grelle für Einheimische nicht alltäglich sind; sie wollen aber das Nicht-Alltägliche sehen und auch darstellen.

      Mich aber faszinierte die rote Farbe dieses Morgens, dieses herbstlichrötliche Flammen ohne Rauch am Himmelssaum und über den Wäldern, und auch das Grün vielfältigster Variationen, das von endlosen Höhen zu den Bergen herunterzufließen schien. Wieder einmal erlebte ich durch die Jagd, wie sehr Bilder Gedanken und Gedanken Bilder sein können.

      Mein Begleiter berührte behutsam meinen Arm. „Dort steht ein schwacher Hirsch, vielleicht zieht er näher!“

      Das Wild schien soeben aus dem Hochwald oben an der Bergkante herausgezogen zu sein. Es war ein „Hirscherl“, ein recht schwacher Sechser. „Den könnten wir nehmen!“ meinte Theubenbacher bedächtig, während er den Hirsch mit dem Spektiv gustierte. „Gemma ihn an, der kommt nicht näher“, meinte er nach einer Zeit, da die Sonne den Berghang zu erwärmen begann und zu befürchten war, daß der Aufwind einsetzt.

      Wir plagten uns gehörig, jede Deckung, jede Mulde, jeden Baumstock des Hanges auszunützen, um in die Nähe des Hirsches zu kommen. Dann lagen wir hinter einer kleinen Bodenerhöhung: Der Hirsch stand auf etwa fünfzig Gänge mit dem Spiegel zu uns – und äste.

      Den Rest der Geschichte möchte ich nicht in die Länge ziehen.

      Der Hirsch drehte sich nicht ein einziges Mal um, er stellte sich beim

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