Das Internationale Militärtribunal von Nürnberg 1945/46. Rainer Huhle

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Das Internationale Militärtribunal von Nürnberg 1945/46 - Rainer Huhle

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und Erläuterung der Anklagepunkte bilden den Hauptteil der Rede. Aber im Unterschied zur Anklageschrift stellt Jackson an den Beginn eine ausführliche Schilderung des Weges der NSDAP an die Macht. Das ist aus Gründen der Chronologie und auch im Sinne der Verschwörungsthese naheliegend. Er will – wiederum mit den Kriterien des Juristen und nicht denen des Historikers – die verbrecherischen Züge herausarbeiten: Nicht dass eine Partei die nationale Selbstbestimmung gegen die Versailler Verträge auf ihre Fahnen schreibt, ist sein Vorwurf, sondern dass von Anfang an klar war, dass sie die Revision von Versailles und die weitergehenden Ziele unbedingt und notfalls mit Aufrüstung und Krieg102 durchsetzen will; dass Juden von Anfang an unter diskriminierende Gesetze fallen und aus öffentlichen Ämtern entfernt werden sollen; dass die Zeitungen von Anfang an als Systempresse angegriffen werden; dass gegen Gemeinschaftsschädlinge gehetzt wird; dass der Glaube an die germanische Rasse als neue Religion durchgesetzt werden soll. Die NSDAP ließ sich nicht auf die Konkurrenz der Parteien in einer pluralistischen Demokratie ein, sie verfolgte ihre Ziele notfalls gewaltsam. Jackson verweist auf die Doppelstrategie von Gewalt und parlamentarischem Weg. Das erste Ziel im Rahmen des Gesamtplanes war der totalitäre Polizeistaat,103 das nächste die Befestigung der Nazi-Macht, dann die Herrschaft über Europa.

      Den größten Raum und die größte Emphase reserviert Jackson bei seiner Beschreibung des Nazi Plans jedoch den Juden. Fast ein Sechstel seiner gesamten Rede ist den „Verbrechen gegen die Juden“ gewidmet, mit dem er nach der Pause am Nachmittag des 21. November seine Rede fortführt. Diese besondere Hervorhebung der „meisten und wildesten Verbrechen“ der Nazis, wie Jackson gleich eingangs die Judenverfolgung bezeichnete, ist umso bemerkenswerter, als diese gar nicht in seinen eigentlichen Aufgabenbereich, die Darstellung der Verschwörung, fielen. Entgegen der später im Prozess allgemein akzeptierten Beschränkung des Verschwörungsvorwurfs auf die Kriegsvorbereitung bezieht Jackson hier noch sehr klar die Vernichtung der Juden mit ein:

      Wie kaum an einer anderen Stelle seiner Rede zeigt Jackson hier auch persönliche Gefühle, wenn er sich direkt an die Richter (und indirekt an Alle) wendet und erklärt, es falle ihm schwer, in die Gesichter von Menschen zu blicken, die solcher Taten fähig waren. Doch gerade dieses Zugeständnis an seine eigene emotionale Reaktion und die der Zuhörer ist ihm sogleich Argument für seine prinzipielle Linie, Emotionen aus dem Verfahren soweit als möglich herauszuhalten. „Wenn ich diese Greueltaten mit eigenen Worten wiedergäbe, – sagt er – würden Sie mich für maßlos und unzuverlässig halten.“ Und „glücklicherweise“ brauche man kein anderes Zeugnis als das der Deutschen selbst, um diese Verbrechen nachzuweisen. Und damit ist Jackson zurück im sicheren Geleis der dokumentarischen Beweisführung. Mit für die Zeit beachtlicher Detailkenntnis zeichnet er dabei nicht nur die Geschichte des deutschen Antisemitismus und dessen fortschreitender Radikalisierung nach, sondern nennt auch Zahlen, die erstaunlich nahe an denen liegen, die später die historische Forschung ermittelt hat. Inhaltlich folgt er dabei, wie oben gezeigt, den Analysen Neumanns.

      Aber die Kehrseite des Verschwörungsbegriffes liegt darin, dass damit nicht die breite und vielfach freiwillige Beteiligung an den Kriegsverbrechen und den Verbrechen gegen die Menschheit völkerrechtlich erfasst werden kann. Die viel kritisierte Anklage nicht nur von Personen, sondern auch von „verbrecherischen Organisationen“ erklärt sich von daher als der Versuch, neben der Feststellung der Schuld von Individuen auch die kollektive Dimension zu erfassen, in der diese Verbrechen erst möglich wurden. Wenn die vor Gericht sitzenden Angeklagten die Verschwörer waren, dann bildeten die angeklagten Organisationen den Rahmen, in dem diese Verschwörung realisiert wurde.

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