Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
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Eine Unmenge Menschen promenierte in Familien, in grösseren Trupps oder auch paarweise und einzeln dem Ufer entlang. Sie pflückten Blumen im Grase stiegen an’s Wasser herunter, kletterten wieder auf den Weg herauf, und warteten massenweise an einer bestimmten Stelle auf den Fährmann. Unaufhörlich fuhr das geräumige Boot herüber und hinüber, um die Ausflügler auf der Insel abzusetzen.
Der Flussarm, (der tote Arm genannt) auf welchem der Kahn den Verkehr vermittelte, schien zu schlafen, so schwach war seine Strömung. Ganze Flotten von Yollen, Skifs, Seelentränkern, Segelbooten, Gigs und Fahrzeugen aller Art und Form glitten über die stille Fläche, bald sich kreuzend, bald sich mit dem Kurs der anderen vereinend; hier stiessen zwei Boote aneinander, dort machte ein anderes durch einen kräftigen Gegenstoss des Ruders plötzlich Halt, um dann von Neuem unter den schwellenden Armmuskeln seines Führers lebhaft vorwärts zu gleiten. Das Ganze glich einem Gewimmel von muntren, grünen, blauen, roten, gelben und weißen Fischen.
Unaufhörlich kamen neue Fahrzeuge heran, die einen stromaufwärts von Chatou, die anderen stromabwärts von Bougival; Gelächter, Rufen, Fragen, Antworten und auch laute Flüche mitunter schallten über das Wasser. Die Ruderer liessen sich ihre schon gebräunten muskulösen Arme noch mehr von der Sonnenglut verbrennen, während auf dem Wasser schwimmenden exotischen Blumen gleich die rot-, grün-, blau- oder gelbseidenen Sonnenschirme der Damen, am Steuerruder das Hinterteil der Boote zierten.
Hoch am Himmel stand die brennende Julisonne; die Luft schien mit lautem Jubel erfüllt, und kein Windhauch bewegte die Blätter der Pappeln und Weiden.
Geradeaus da unten türmen sich die überall sichtbaren mächtigen Umrisse des Mont-Valerien auf, während zur Rechten die liebliche Hügelkette von Louveciennes sich im Halbkreis an den Lauf des Flusses anlehnt, und bald hier und dort aus dem reichen saftigen Grün ihrer Gärten die blinkenden Mauern der Landhäuser hervorragen.
Vor den Zugängen des Café Froschteich bewegten sich zahlreiche Spaziergänger unter den riesigen Bäumen, welche diesen Winkel der Insel zu einem der angenehmsten von der Welt machen. Blondhaarige Halbweltdamen mit üppiger Brust und unverhältnismässigen Hüften, bemalten Wangen, geschwärzten Wimpern und gefärbten Lippen, enggeschnürt und auffallend angezogen, verunzierten mit ihren geschmacklosen schreienden Toiletten das saftige frische Grün des Rasens, während neben ihnen junge Herrchen in allen Übertreibungen der Mode, hellen Handschuhen, Lackstiefeletten und fadendünnen Spazierstöckchen zu glänzen suchten, ihr albernes Lächeln mit einem täppischen Fallenlassen des Monocles begleitend.
Gerade bei dem Froschteich wird die Insel schmal und am anderen Ufer, von dem aus ebenfalls eine Fähre den lebhaften Verkehr mit Croissy vermittelt, wälzt der lebendige Flussarm voller Strudel, Wirbel und Schaumwellen seine brausenden Fluten vorüber. Die Mannschaften eines drüben stationierten Pionier-Detachements in ihren blauen Uniformen hatten sich nebeneinander auf eine lange Planke gesetzt und sahen dem Spiel der Wellen zu.
In dem schwimmenden Restaurant wogte eine tolle lärmende Menge auf und ab. Die hölzernen Tische, auf denen das verschüttete Getränk kleine schmutzige Pfützen bildete, waren mit halbgeleerten Gläsern bedeckt, vor denen angetrunkene Gäste sassen. Alles schrie, sang und brüllte. Die Männer, den Hut im Nacken, das Gesicht gerötet und die trunkenen Augen glänzend, fanden in diesem Geschrei eine Befriedigung der dem Rohen eigenen Sucht nach Lärm. Die Weiber gingen auf Beute für den Abend aus und liessen sich einstweilen von irgend einem Dummen ihre Zeche bezahlen; zwischen den Tischen und Stühlen trieb sich eine Schar lärmender Kahnfahrer mit ihren Begleiterinnen in kurzem Flanellrock herum.
Einer von ihnen setzte sich an das Klavier und schien es mit Händen und Füssen zu bearbeiten; vier Paare tanzten eine Quadrille, und junge Leute, modern und elegant angezogen, die bis auf ein gewisses Etwas für was Besseres hätten gelten können, sahen ihnen zu.
Man findet eben dort in vollen Haufen den ganzen Abschaum der Gesellschaft, die ganze vornehme Verbrecherwelt, die ganze Fäulnis des Pariser Lebens. Ein Gemisch von Krämern, Schiffern, verkommenen Schriftstellern, verlumpten Edelleuten, verkrachten Börsianern, leichtsinnigen Tagedieben und alten übersättigten Lebemännern; die ganze Bande von verdächtigen Personen, halb geachtet, halb schon untergegangen, halb noch geehrt, halb schon der Schande verfallen, Spitzbuben, Tagediebe, Zuhälter, Industrieritter mit respektablem Äussern, Gauner mit der Miene eines Bramarbas, die zu sagen scheint: »Den ersten, der mir quer kommt, mache ich kalt.«
An diesem Orte herrschte die Roheit, die Verkommenheit und die freie Liebe. Aber den Männern und Weibern ist wohl dabei. Eine sinnliche Luft weht durch diesen Raum, man schlägt sich um ein Butterbrot, um ein Nichts, um jenen wurmstichigen Rest von Ehre noch zu wahren, den man förderhin mit Pistole oder Degen nicht mehr vertreten kann.
Hin und wieder erscheinen dort Sonntags einige neugierige Bewohner der Nachbarschaft; junge Leute, sehr jung noch, treffen sich dort jährlich, um das Leben kennen zu lernen. Harmlose Spaziergänger verirren sich nur vorübergehend in dieses Lokal.
Nicht ohne Grund führt das Etablissement den Namen »Froschteich.« Neben dem überdachten Flosse und ganz nahe bei dem »Blumentopf« befindet sich die Badeanlage. Diejenigen Mitglieder der dort verkehrenden »Damen«-Welt, denen die Fülle ihrer Formen es gestattet, pflegen hier so ziemlich in Evas Kostüm sich zu zeigen und ihre Kundschaft anzulocken, während die übrigen, weniger bevorzugten, obschon sie im Bademantel voller erscheinen und an ihren Formen bald hier etwas ergänzt bald dort etwas beseitigt haben, mit Entrüstung diesem Treiben ihrer Kolleginnen zusehen.
Auf einer kleinen Estrade drängen sich die Taucher um den Kopfsprung zu machen; sie sind teils mager wie die Schakale, teils rund wie die Kürbisse, knorrig wie die Zweige der Olivenbäume, vorwärts gekrümmt oder rückwärts gebeugt je nach der Entwicklung ihres Leibes und alle durch die Bank hässlich; bei ihrem Sprunge spritzt das Wasser oft bis zu den Zechern im Café herauf.
Trotz