Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant

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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant Gesammelte Werke bei Null Papier

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Sin­nen be­gann er mit ihr da­von­zu­lau­fen, wo­bei er sie im­mer wie­der auf Wan­ge, Schlä­fen, Hals und Lip­pen küss­te. Keu­chend mach­ten sie schliess­lich vor ei­nem Ge­bü­sche Halt, wel­ches die letz­ten Strah­len der Abend­son­ne ver­gol­de­te und, noch ganz aus­ser Atem, kos­te­ten sie dar­in den Be­cher der Lie­be bis zur Nei­ge, ohne dass sie ih­rer­seits sich die­ses plötz­li­che Über­wal­len sei­ner Ge­füh­le er­klä­ren konn­te.

      Hand in Hand ka­men sie zu­rück, als sie plötz­lich durch das Laub der Bäu­me hin­durch auf dem Flus­se das Boot der vier Les­bie­rin­nen be­merk­ten. Auch sie wur­den von der di­cken Pau­li­ne be­merkt, die sich um­wand­te und Ma­de­lei­ne Kuss­hän­de her­über­schick­te, wor­auf sie noch rief: »Heu­te Abend also.«

      »Ja­wohl, heu­te Abend« ant­wor­te­te die­se.

      Paul fühl­te plötz­lich sein Herz zu Eis er­star­ren.

      Sie gin­gen zum Es­sen zu­rück. Un­ter ei­ner der Lau­ben am Was­ser lies­sen sie sich nie­der und ver­zehr­ten still­schwei­gend ihr Mahl. Als es zu dun­keln be­gann, brach­te man ein Licht, das zum Schutz ge­gen den Luft­zug in ei­nem grü­nen Gla­se brann­te und ihre Ge­sich­ter mit ei­nem fah­len Schim­mer über­goss. Alle Au­gen­bli­cke hör­te man das schal­len­de Ge­läch­ter der Kahn­fah­rer aus dem Saal des ers­ten Stockes her­über­schal­len.

      Beim Des­sert er­griff Paul zärt­lich Ma­de­lei­nes Hand und sag­te: »Ich füh­le mich sehr müde; wenn es Dir recht ist, wol­len wir bei Zei­ten schla­fen ge­hen.

      Aber sie hat­te sei­ne List ver­stan­den und warf ihm einen je­ner schar­fen durch­drin­gen­den Bli­cke zu, die so oft plötz­lich im Auge der Frau auf­zut­au­chen pfle­gen.

      »Du kannst Dich schla­fen le­gen,« sag­te sie nach kur­z­em Be­sin­nen, »wann es Dir be­liebt; ich habe noch ver­spro­chen nach dem Frosch­teich zum Tanz zu kom­men.«

      Ein kläg­li­ches Lä­cheln um­spiel­te sei­ne Lip­pen, ein Lä­cheln mit dem man die tiefs­ten Lei­den zu ver­schlei­ern sucht, als er jetzt im trü­ben aber zärt­li­chen Tone sag­te: »Wenn Du lieb wä­rest, könn­ten wir bei­de hier blei­ben.« Ohne den Mund zu öff­nen, mach­te sie mit dem Kop­fe eine ab­wei­sen­de Be­we­gung. Er wur­de drin­gen­der.

      »Ich bit­te Dich drum, Lieb­chen!«

      »Du weißt,« sag­te sie brüsk, »was ich ge­sagt habe. Wenn Du nicht Ruhe gibst, so ist der Weg frei. Es hält Dich nie­mand. Was mich be­trifft, so habe ich es ver­spro­chen und ich wer­de ge­hen.«

      Er stütz­te bei­de El­len­bo­gen auf den Tisch, senk­te das Haupt auf die Hän­de und starr­te sie eine Wei­le trau­rig an.

      Die Kahn­fah­rer ka­men in­des­sen un­ter mun­trem La­chen her­un­ter, und be­stie­gen ihre Fahr­zeu­ge, um den Ball im »Frosch­teich« nicht zu ver­säu­men.

      »Ent­schei­de Dich, ob Du mit­kommst«, sag­te Ma­de­lei­ne zu ih­rem Beglei­ter, »sonst bit­te ich einen der Her­ren, mich mit­zu­neh­men.«

      »Lass uns ge­hen« mur­mel­te Paul sich er­he­bend. Und sie gin­gen.

      Die Nacht war ster­nen­hell, die Luft wür­zig und von mil­dem, süs­sen Hauch be­wegt, der lind die Stirn um­schmei­chel­te.

      Die Boo­te setz­ten sich, eine bun­te La­ter­ne am Stern füh­rend, in Be­we­gung«. Man konn­te die ein­zel­nen Fahr­zeu­ge nicht un­ter­schei­den, son­dern sah nur die zahl­lo­sen bun­ten Lich­ter auf dem Was­ser auf- und ab­tan­zend, lang­sam da­hinglei­ten, so­dass man hät­te glau­ben kön­nen, ein Ge­wim­mel von Irr­lich­tern vor sich zu ha­ben, wenn nicht das rohe Ge­läch­ter der Kahn­fah­rer die An­we­sen­heit von Men­schen ver­kün­det hät­te.

      Pauls Boot glitt lang­sam da­hin. Zu­wei­len, wenn ein frem­des Boot dem ih­ri­gen zu nahe kam, be­merk­ten sie plötz­lich im Schim­mer der La­ter­ne den wei­ßen Rücken sei­nes Füh­rers.

      Als sie die Bie­gung des Flus­ses er­reicht hat­ten, sa­hen sie von wei­tem den »Frosch­teich« vor sich lie­gen. Das Eta­blis­se­ment war mit Guir­lan­den von bun­ten Lam­pen und Licht­glo­cken fest­lich ge­schmückt. Auf der Sei­ne schwam­men ei­ni­ge große Fäh­ren, wel­che Kup­peln, Py­ra­mi­den und an­de­re wun­der­ba­re Auf­baue in al­ler­lei Far­ben tru­gen. Flam­men­de Ge­win­de zo­gen sich bis zum Ufer her­ab; und ei­ni­ge rote oder blaue Fa­ckeln, von ei­ner mäch­ti­gen un­sicht­ba­ren Pech­pfan­ne ge­nährt, sa­hen von wei­tem wie frei­schwe­ben­de Ster­ne aus.

      Die­se im­po­san­te Be­leuch­tung ver­brei­te­te ein hel­les Licht rings um das gan­ze Café, be­strahl­te die ho­hen Ufer­bäu­me von un­ten bis oben, so­dass nur ihre Wur­zeln in ei­nem blei­chen Grau ver­schwan­den, wäh­rend die Blät­ter mit ih­rem fah­len Grün sich wun­der­bar von dem tie­fen Schwarz des Him­mels ab­ho­ben.

      Das Or­che­s­ter be­stand aus fünf Vor­stadt-Mu­si­kern, und schon von wei­tem hör­te man sei­ne dün­ne quie­ken­de und gel­len­de Mu­sik, bei de­ren Tö­nen Ma­de­lei­ne aufs Neue zu sin­gen be­gann.

      Sie woll­te so­fort her­ein­ge­hen; Paul hät­te zwar vor­her einen Gang auf der In­sel ge­macht, muss­te aber wie im­mer, nach­ge­ben.

      Die Ge­sell­schaft hat­te sich et­was ge­klärt; es wa­ren fast nur die Kahn­fah­rer, ei­ni­ge we­ni­ge Bür­ger und eine An­zahl jun­ger Leu­te mit ih­ren Mäd­chen zu­rück­ge­blie­ben. Der Di­rek­tor und Lei­ter die­ses Kan­k­ans, der sehr wür­dig in schwar­zem Frack, mit sei­nem ver­wit­ter­ten Ge­sicht und dem gan­zen Ha­bi­tus ei­nes Ver­gnü­gungs-Kom­missars der al­ten Zeit, ein­her­ging, hat­te es nicht schwer, sich hier An­se­hen zu ver­schaf­fen.

      Paul at­me­te er­leich­tert auf, als er die di­cke Pau­li­ne und ihre Ge­fähr­tin nicht hier fand.

      Der Tanz be­stand dar­in, dass sich die Paa­re ge­gen­über be­weg­ten, die tolls­ten Sprün­ge mach­ten und mit ih­ren Fuss­s­pit­zen wo­mög­lich un­ter der Nase ih­res Ge­gen­übers her­um­fuh­ren. Die »Da­men,« de­ren Glie­der aus den Ge­len­ken ge­löst zu sein schie­nen, hat­ten ihre Klei­der hoch­ge­ho­ben und zeig­ten ihre Un­ter­rö­cke. Ihre Bei­ne wir­bel­ten sie mit über­ra­schen­der Leich­tig­keit um den Kopf; sie wieg­ten ih­ren Leib, wa­ckel­ten mit den Hüf­ten, und schüt­tel­ten die Brust, wo­bei sie sich so leb­haft um sich selbst dreh­ten, dass sie schliess­lich in Schweiß ge­ba­det wa­ren.

      Die »Her­ren« hock­ten sich wie die Krö­ten mit zwei­fel­haf­ten Ge­bär­den nie­der, ver­dreh­ten un­ter scheuss­li­chen Gri­mas­sen ih­ren Kör­per, schlu­gen ein Rad über der Hand oder such­ten die Ko­mik in über­trie­ben stei­fer Hal­tung und ei­ner lä­cher­li­chen Gran­dez­za.

      Eine di­cke Kell­ne­rin und zwei Kell­ner sorg­ten für die Wün­sche der Gäs­te.

      Merk­wür­dig in der Tat hob sich von der fried­li­chen Stil­le der Nacht un­ter dem ru­hi­gen Ster­nen­him­mel die­ses

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