Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
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»Holla!« schrie plötzlich der junge Flachskopf, der das Terrain sondierte, »da gibt es ja auch Rennboote!«
Man ging hin, um sich zu überzeugen. In der Tat waren an einer kleinen Holzbrücke zwei prächtige, sehr sorgsam und luxuriös gebaute Ruderboote befestigt. Sie lagen nebeneinander wie zwei große schlanke Mädchen, so lang und glänzend, und lockten unwillkürlich zu einer Spazierfahrt bei den schönen lauen Abenden oder hellen Morgenstunden der Sommerzeit. Wie prächtig musste es sein, an den blumigen Ufern entlang zu gleiten, wo die Bäume ihre Zweige in das Wasser tauchen, das Schilfrohr fortwährend im Säuseln des Windes erschauert, und der schnelle Eisvogel wie ein blauer Blitz aus demselben hervorschwirrt.
Die ganze Familie betrachtete sie mit Ehrfurcht. »Ach ja, das sind Rennboote,« wiederholte gewichtig Herr Dufour und begann sie mit dem Tone eines Kenners zu beschreiben. Er hatte, wie er sagte, selbst in seiner Jugend gerudert, und mit solchen Dingern in der Hand – hierbei machte er die Bewegung des Ruderns – würde er jeden in die Schranken fordern. Er verstand sich darauf trotz dem besten Engländer und hatte mehrmals sogar in Joinville mitgestartet. Er scherzte über das Wort »Damen« womit man die Rudergabeln bezeichnet und machte das geistreiche Wortspiel, dass tüchtige Bootsmänner nie einen Ausflug ohne ihre »Damen« machten. Während er sprach, geriet er von selbst in eine gewisse Erregung hinein und verstieg sich schliesslich zu der Wette, mit einem Boote, wie diese da, in der Stunde seine sechs Meilen zu machen, ohne sich besonders anzustrengen.
»Es ist angerichtet« meldete jetzt die Aufwärterin, welche am Eingang des Gartens erschien. Man folgte eiligst ihrem Rufe, aber auf dem schönsten Platze, den sich Madame Dufour schon im Geiste ausgesucht hatte, frühstückten bereits zwei junge Leute. Es waren dies ohne Zweifel die Eigentümer der Boote, denn sie trugen Rudersport-Kostüme.
Sie sassen oder lagen vielmehr auf zwei Stühlen. Ihr Gesicht war von der Sonne gebräunt und ihren Oberkörper bedeckte nur ein einfaches weißes Baumwollhemd, aus welchem die blossen Arme hervorschauten, dieselben waren kräftig, wie wenn sie Schmieden gehörten. Es waren zwei muntere kraftstrotzende Burschen, aus deren ganzen Bewegungen aber jene gefällige Elastizität der Glieder sprach, die man nur durch stete Übung erhält, und die so ganz verschieden von jener einseitigen Kraftausbildung ist, welche übermässige Anstrengung bei dem Arbeiter hervorruft.
Beim Anblick der Mutter huschte ein flüchtiges Lächeln über ihre Lippen, während sie beim Erscheinen der Tochter einen bedeutsamen Blick austauschten.
»Treten wir ihnen unseren Platz ab;« sagte der eine »dabei können wir dann ihre Bekanntschaft machen.«
Der andere erhob sich sofort und indem er seine halbrot-halbschwarze Mütze zog, bot er mit ritterlicher Höflichkeit den einzigen schattigen Platz im Garten den Damen an. Unter allerlei Ausflüchten und Entschuldigungen nahm man schliesslich das liebenswürdige Anerbieten an; und, damit das Ganze einen recht ländlichen Anstrich bekäme, ließ man sich ohne Tisch und Stühle direkt auf dem Rasen nieder.
Die beiden jungen Leute trugen ihr Gedeck einige Schritte weiter und begannen wieder zu essen. Der stete Anblick ihrer blossen Arme setzte das junge Mädchen etwas in Verlegenheit. Sie tat sogar als ob sie den Kopf wende und gar keine Notiz mehr von ihnen nähme; Madame Dufour dagegen war schon etwas weniger prüde und wurde von leicht zu begreifender weiblicher Neugier und auch ein wenig von Lüsternheit geplagt. Sie schaute jeden Augenblick hin, und stellte im Geheimen zweifelsohne Vergleiche zwischen ihnen und den bedauerlichen Mängeln ihres Gatten an.
Sie hatte sich ins Gras gepflanzt, die Beine nach Schneiderart gekreuzt, und schüttelte sich alle Augenblicke, weil ihr angeblich eine Ameise irgendwohin gekrochen sei. Herr Dufour, dem die Nachbarschaft der liebenswürdigen Fremden durchaus nicht sehr willkommen war, suchte nach irgend einer behaglichen Lage, die er übrigens nicht fand; und der junge Mensch mit den flachsgelben Haaren frass schweigend wie ein Währwolf.
»Ein hübscher Tag heute, mein Herr!« sagte die dicke Dame zu einem der Ruderer; sie wollte sich wegen der Abtretung des Platzes liebenswürdig erzeigen.
»Ja, Madame;« entgegnete dieser. »Kommen Sie oft aufs Land heraus?«
»Oh, höchstens ein oder zweimal im Jahre, um etwas frische Luft zu schöpfen; und Sie mein Herr?«
»Ich fahre alle Abende zum Schlafen heraus.«
»Ach das muss hübsch sein?«
»Gewiss, Madame.«
Und er erzählte so poetisch von seinem täglichen Leben, dass in dem Herzen dieser Bürgersleute, die des grünenden Rasens für gewöhnlich entbehren mussten und für die eine Landpartie das grösste Fest des Landes bildete, wieder völlig jene sinnlose Naturschwärmerei erwachte, der sie sich das ganze Jahr über hinter ihrem Ladentisch hinzugeben pflegten.
Das junge Mädchen hob jetzt sichtlich ergriffen den Kopf und betrachtete sich die beiden Ruderer. »Ja, ja, das ist ein Leben« sagte Herr Dufour, der jetzt zum ersten Male das Wort ergriff. »Noch etwas Kaninchen gefällig, meine Liebe?« fügte er hinzu. »Nein, danke Dir, lieber Freund!«
»Frieren Sie niemals so?« wandte sie sich jetzt wieder den jungen Leuten zu und zeigte auch deren entblösste Arme.
Diese fingen beide herzlich zu lachen an, und machten nun die Familie Dufour durch die Geschichte gruselig, welche sie von ihren Schwitzbädern und ihren Touren im Dunkel der Nacht erzählten. Dabei klopften sie sich mehrfach auf die Brust um den kräftigen Wiederhall derselben zu zeigen.
»Ach ja, Sie haben ein kräftiges Äussere,« sagte Herr Dufour, der nicht