Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
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Die drei plauderten hierauf im Stehen ganz leise miteinander. Ein vergnügtes Lächeln schwebte auf ihren Lippen; sie sprachen sehr hastig, und zuweilen streifte Pauline den einsamen Paul mit einem boshaften übermütigen Blick.
Endlich hatte dieser genug davon, erhob sich und stand mit einem Satz, an allen Gliedern zitternd, vor den drei Weibern.
»Komm,« sagte er Madeleine an der Schulter packend, »ich will es; ich habe Dir verboten, mit diesen Weibsbildern da zu reden.«
Aber nun erhob Pauline ihre Stimme und begann ihr ganzes Arsenal an gemeinen Redensarten gegen ihn zu verschleudern. Man lachte allenthalben, man rückte näher und stellte sich auf die Fusspitzen, um besser hören und sehen zu können. Er wurde ganz sprachlos bei dieser Sintflut von Schmähungen gemeinster Art; es war ihm als ob die Worte, die aus diesem Munde auf ihn fielen, ihn wie Unrat beschmutzten. Er wich dem beginnenden Skandale aus und wandte sich dem Geländer zu, über das er sich beugte und so den drei Weibern den Rücken kehrte.
Dort blieb er und starrte ins Wasser während er sich zuweilen mit einer hastigen Bewegung seiner nervösen Hand eine Träne aus dem Auge wischte.
Er war nämlich, ohne zu wissen warum, trotz seines Zartgefühls, trotz seines Verstandes, und trotz seines besseren Wollens verliebt, wahnsinnig verliebt sogar. Diese Liebe hatte ihn mitgerissen wie der Wirbel im Strome. Von Natur aus weich und empfindsam, hatte er von ganz idealen Verhältnissen geträumt, die auf wahrer Zuneigung beruhten; und nun hatte dieser Heuschreck von einem Mädchen, roh und ungebildet wie alle Ihresgleichen, und zwar von einer abschreckenden erbitternden Roheit, dieses Mädchen, das nicht einmal hübsch, sondern mager und reizbar war, ihn ganz befangen. Er gehörte ihr von Kopf bis zu den Füssen mit Leib und Seele. Er war ein Sklave jener ebenso geheimnissvollen wie allmächtigen Zauberkraft des Weibes geworden, jener unbekannten Macht, jener zügellosen Herrschaft, von der niemand weiß, woher sie kommt; jenes Dämons des Fleisches, der den weisesten Mann zu den Füssen irgend einer Dirne wirft, ohne dass man sich den Grund ihrer Zaubermacht und ihrer Anziehungskraft erklären kann.
Und da drüben, hinter seinem Rücken – das fühlte er instinktiv – wurde irgend eine Gemeinheit ausgebrütet. Das Lachen von dorther schnitt ihm ins Herz. Was sollte er tuen? Ach, er wusste es nur zu gut; aber es fehlte ihm der Mut dazu.
Er betrachtete unverwandt einen Fischer, der regungslos wie ein Pfahl am jenseitigen Ufer stand.
Plötzlich zog derselbe mit einem Ruck einen kleinen silberglänzenden Fisch aus dem Wasser, der heftig an der Angel zappelte. Jener versuchte nun den Widerhaken loszumachen, wobei er ihn drehte und wandte, aber vergeblich; da riss ihm die Geduld und mit einer heftigen Bewegung zog er den blutigen Schlund und einen Teil der Eingeweide des armen Tieres heraus. Paul schauderte, als ob ihm selbst das Herz zerrissen würde. Für ihn, den Fisch, war die Liebe der Widerhaken, und mit ihm riss man ihm ebenfalls sein ganzes Innere heraus wie an einer Angelschnur, die Madeleine in der Hand hielt.
Eine Hand legte sich auf seine Schulter, und schaudernd wandte er sich um; seine Geliebte stand hinter ihm. Sie wechselten kein Wort und sie lehnte sich gleich ihm über das Geländer die Augen auf den Fluss geheftet.
Er suchte nach Worten; aber er fand keine; nicht einmal seine Gedanken konnte er auseinanderhalten. Alles, was er deutlich empfand, war die Freude, sie wieder bei sich zu wissen; es überkam ihn eine schimpfliche Schwäche, ein Bedürfnis, alles zu verzeihen und alles zu erlauben, wenn sie nur bei ihm blieb.
Endlich nach einigen Minuten fragte er sie mit sanfter Stimme:
»Wollen wir nicht fortgehen? Ich glaube, auf dem Wasser wird es hübscher sein.«
»Ja mein Herz!« antwortete sie.
Und er half ihr beim Einsteigen ins Boot, indem er sie stützte, wobei er ihr, noch einige Tränen im Auge, zärtlich die Hand drückte. Sie sah ihn lächelnd an und sie küssten sich aufs Neue.
Langsam fuhren sie stromaufwärts dem weidenbesetzten Ufer entlang; seine grünenden Ränder lagen träumend und ruhig in der Glut der Nachmittagssonne.
Als sie wieder beim Restaurant Grillon ankamen, war es eben sechs Uhr; sie gingen nun, nachdem sie das Boot verlassen, auf der Insel, durch grünende Wiesen längs der Pappelreihe des Ufers nach Bezons zu.
Die großen zum Mähen reifen Grasflächen waren mit Blumen übersäet, auf welche die sinkende Sonne ihre rötlichen Strahlen warf; süsser Wohlgeruch entstieg in der milden Wärme des zur Rüste gehenden Tages den Boden und mischte sich mit den feuchten Dünsten des Wassers. Es war, als lagere eine unsichtbare Wolke von weichlichem wohligen Glück und stillem Behagen über der Erde.
Dieser ruhige Glanz der Abendsonne, dieser geheimnisvolle Schauer ersterbenden Lebens mit seiner lebendigen melancholischen Fantasie, der Pflanzen und Wesen ergriffen und sich über alles ausgebreitet zu haben schien, musste unwillkürlich auch dem Menschenherzen in dieser Stunde den Stempel seines stillen Glückes aufdrücken.
Paul empfand das auch lebhaft, während sie das alles nicht berührte. Sie gingen nebeneinander und plötzlich begann sie, des Schweigens müde, zu singen. Sie sang mit dünner, falscher Stimme irgend einen Gassenhauer, der ihr gerade durch den Kopf ging, und der einen grellen Missklang in diese tiefe reine Harmonie des Abends brachte.
Er sah sie an, und fühlte jetzt, dass eine unüberwindliche Kluft zwischen ihnen bestand. Sie aber schlug unbekümmert die Gräser mit ihrem Sonnenschirm ab, und betrachtete, den Kopf ein wenig neigend, ihre Schuhe; dabei sang sie ruhig weiter, hielt die Schlussnoten unverhältnismässig lange an und versuchte sich sogar schliesslich in Läufen und Trillern.
Ihr kleiner zierlicher Kopf, den er so zärtlich liebte, war also leer, leer von irgendwelchen idealeren Empfindungen. Nichts hatte darin Platz, als höchstens diese Gassenhauer-Musik; und die Gedanken, die sich sonst noch darin bilden mochten, sahen derselben ähnlich. Sie hatte kein Verständnis für ihn; sie standen