Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant

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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant Gesammelte Werke bei Null Papier

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schliess­lich, wenn­gleich sie un­be­ding­ten Ge­hor­sam ge­gen alle ihre Be­feh­le ver­lang­ten, in kei­ner Wei­se die schreck­li­chen Gerüch­te be­stä­tig­ten, wel­che ih­rem Sie­ges­mar­sche vor­aus­ge­lau­fen wa­ren, so fass­te man wie­der Mut, und der Ge­schäfts­sinn be­gann sich all­mäh­lich wie­der im Her­zen der ein­hei­mi­schen Kauf­leu­te zu re­gen. Ei­ni­ge von ih­nen hat­ten wich­ti­ge An­ge­le­gen­hei­ten in Ha­vre ab­zu­wi­ckeln, wel­ches die fran­zö­si­sche Ar­mee noch be­setzt hielt. Sie hoff­ten die­sen Ha­fen zu er­rei­chen, in­dem sie sich auf dem Land­we­ge nach Diep­pe be­ga­ben, um sich dort ein­zu­schif­fen.

      Durch Ver­mitt­lung der deut­schen Of­fi­zie­re, de­ren Be­kannt­schaft sie ge­macht hat­ten, er­lang­ten sie vom kom­man­die­ren­den Ge­ne­ral die Er­laub­nis zur Abrei­se.

      So wur­de denn ein großer vier­spän­ni­ger Om­ni­bus für die­se Rei­se ge­nom­men, an der sich zehn Per­so­nen be­tei­lig­ten. Die Ab­fahrt soll­te an ei­nem Diens­tag Mor­gen noch vor Ta­ge­s­an­bruch statt­fin­den, um je­des Auf­se­hen zu ver­mei­den.

      Um halb fünf tra­fen sich die Rei­sen­den im Hofe des Hôtel de Nor­man­die, wo der Wa­gen be­reit­stand. Sie wa­ren noch schlaf­trun­ken und zit­ter­ten un­ter ih­rer Um­hül­lung vor Käl­te. An­fangs war ein Er­ken­nen in der Dun­kel­heit schwer mög­lich; die zu­sam­men­ge­raff­ten dich­ten Win­ter­klei­der lies­sen alle die Leu­te wie be­hä­bi­ge Pfar­rer in lan­gen Su­ta­nen aus­se­hen. Zwei Her­ren er­kann­ten sich in­des­sen und ein drit­ter trat auf sie zu. »Ich brin­ge mei­ne Frau fort« sag­te der eine. »Ich eben­falls.« »Und ich auch.« »Wir wer­den nicht nach Rou­en zu­rück­keh­ren; und wenn die Preus­sen sich Ha­vre nä­hern soll­ten, ge­hen wir nach Eng­land,« füg­te der ers­te hin­zu. Alle hat­ten die­sel­be Ab­sicht, die ih­rer gleich­ar­ti­gen Ge­müts­be­schaf­fen­heit ent­sprach.

      Der Wa­gen war noch nicht an­ge­spannt. Zu­wei­len tauch­te eine klei­ne La­ter­ne, die ein Stall­knecht trug, aus ei­ner fins­te­ren Türe auf, um gleich dar­auf in ei­ner an­de­ren wie­der zu ver­schwin­den. Man hör­te Pfer­de­ge­tram­pel und lau­tes Flu­chen aus dem In­nern des Stall­ge­bäu­des. Leich­tes Schel­len­ge­klin­gel be­wies, dass man das Ge­schirr auf­leg­te. Bald wur­de die­ses Ge­klin­gel zu ei­nem deut­li­chen fort­ge­setz­ten Läu­ten, wel­ches je nach der Be­we­gung des Tie­res zu­wei­len ganz auf­hör­te, um dann plötz­lich umso lau­ter wie­der zu be­gin­nen, wäh­rend der Bo­den un­ter dem Huf­ei­sen wie­der­hall­te.

      Plötz­lich wur­de die Türe zu­ge­macht; je­des Geräusch ver­schwand. Auch die frös­teln­den Bür­ger schwie­gen; starr und un­be­weg­lich stan­den sie um­her.

      Der Schnee fiel in dich­ten Flo­cken un­abläs­sig nie­der; er hüll­te alle Ge­stal­ten, alle Ge­gen­stän­de mit sei­ner ei­si­gen Mas­se ein. Bei der tie­fen Gra­bes­s­til­le, in der die Stadt noch ruh­te, hör­te man nur die­ses un­be­stimm­te ein­för­mi­ge Ge­rie­sel des Schnees. Es war mehr eine Emp­fin­dung wie ein Geräusch, die­ses Er­zit­tern leich­ter Ato­me, die den gan­zen Luf­traum er­füll­ten und lang­sam die Erde be­deck­ten.

      Der Mann mit der La­ter­ne er­schi­en aber­mals und zog am Zü­gel ein ver­dros­sen da­hin­schrei­ten­des Pferd hin­ter sich her. Er stell­te es an die Deich­sel und leg­te die Strän­ge an, wo­bei er sich mehr­fach ver­si­cher­te, dass am Ge­schirr al­les in Ord­nung sei. Da er in der einen Hand die La­ter­ne hal­ten muss­te, so brauch­te er ziem­lich viel Zeit zu die­ser Be­schäf­ti­gung. Als er sich end­lich um­wand­te, um das zwei­te Pferd zu ho­len, be­merk­te er die re­gungs­los da­ste­hen­den schon ganz in Schnee gehüll­ten Rei­sen­den.

      »Wa­rum stei­gen Sie nicht ein? Sie sind doch im Wa­gen we­nigs­tens ge­schützt,« frag­te er er­staunt.

      In der Tat, dar­an hat­te noch kei­ner ge­dacht; und nun stürz­te al­les auf den Wa­gen zu. Die drei Her­ren von vor­hin lies­sen zu­erst ihre Frau­en Platz neh­men und folg­ten dann. Dann nah­men die üb­ri­gen bis zur Un­kennt­lich­keit ein­ge­mumm­ten Ge­stal­ten schwei­gend ihre Sit­ze ein.

      Der Bo­den war zum Schutz der Füs­se mit Stroh be­deckt. Die Da­men im Hin­ter­grun­de hat­ten sich klei­ne kup­fer­ne Wärm­ap­pa­ra­te mit­ge­bracht und zün­de­ten jetzt die prä­pa­rier­te Koh­le der­sel­ben an, wo­bei sie sich mit lei­ser Stim­me von den längst be­kann­ten Vor­tei­len der­sel­ben un­ter­hiel­ten.

      End­lich war der Om­ni­bus be­spannt; des schlech­ten We­ges hal­ber hat­te man sechs Pfer­de statt der ur­sprüng­lich be­stimm­ten vier ge­nom­men. »Ist al­les ein­ge­stie­gen?« frag­te eine Stim­me draus­sen. »Ja­wohl« er­tön­te es von in­nen, und der Wa­gen setz­te sich in Be­we­gung.

      Es ging lang­sam, sehr lang­sam, in ge­mäch­li­chem Schritt vor­wärts. Die Rä­der ver­san­ken im Schnee; der gan­ze Kas­ten ächz­te und krach­te. Die Pfer­de rutsch­ten, schnaub­ten und dampf­ten. Die lan­ge Peit­sche des Kut­schers knall­te ohne Un­ter­lass. Sie flog bald hier bald dort­hin, ihre Schnur roll­te sich zu­sam­men wie eine Schlan­ge, um dann plötz­lich auf der Krup­pe ei­nes Pfer­des wie­der nie­der­zu­sau­sen, das nun mit ei­nem merk­ba­ren Ruck aufs neue an­zog.

      Un­merk­lich brach der lich­te Tag an. Die leich­ten Flo­cken, wel­che ein Rei­sen­der, ein ech­tes Roue­ner Kind, mit ei­nem Wat­te­re­gen ver­gli­chen hat­te, fie­len nicht mehr. Zwi­schen dunklen trü­ben Wol­ken zeig­te sich eine mat­te Hel­le, wel­che die Schnee­flä­che nur umso deut­li­cher her­vor­tre­ten ließ, von der sich bald eine Rei­he reif­be­deck­ter Bäu­me, bald ein ein­zel­nes schnee­be­la­de­nes Stroh­dach ab­hob.

      Beim trü­ben Däm­mer­licht des an­bre­chen­den mor­gens be­gann man sich im Wa­gen ge­gen­sei­tig neu­gie­rig zu be­trach­ten.

      Ganz im Hin­ter­grun­de auf den letz­ten Plät­zen schlum­mer­ten ein­an­der ge­gen­über Herr und Frau Loi­seau, Wein­groß­händ­ler aus der Stras­se Grand-Pont. Als sein Prin­zi­pal sei­ner Zeit Ban­ke­rott mach­te, hat­te Loi­seau das Ge­schäft über­nom­men und sein Glück da­bei ge­fun­den. Er ver­kauf­te sei­nen sehr schlech­ten Wein sehr bil­lig an die klei­nen Kneip­wir­te auf dem Lan­de und galt bei sei­nen Freun­den und Be­kann­ten für einen schlau­en Fuchs; er war ein ech­ter Nor­man­ne, aus List und Gut­mü­tig­keit zu­sam­men­ge­setzt.

      Ne­ben­bei war Loi­seau be­rühmt durch sei­ne viel­sei­ti­gen gu­ten und schlech­ten Wit­ze. Man hör­te in der Tat nie von ihm re­den, ohne dass nicht dazu ge­sagt wur­de: »Er ist wirk­lich un­be­zahl­bar die­ser Loi­seau.«

      Sein Äus­se­res mach­te den Ein­druck ei­nes Bal­lons, auf dem oben auf ein röt­li­ches, von zwei ins Graue spie­len­den Ko­te­let­ten um­rahm­tes, Ge­sicht sass. Sei­ne Frau, groß und stark von Wuchs, sehr ener­gisch, mit ho­her Stim­me und schnel­ler Ent­schei­dungs­ga­be, war das le­ben­di­ge La­ger und Kas­sen­buch des Ge­schäfts, wel­ches sie durch ihre un­er­müd­li­che Tä­tig­keit be­leb­te.

      Ne­ben ih­nen sass in wür­di­ger Hal­tung ein Mann, der schon um eine Klas­se hö­her galt, Herr Carré-La­ma­don; ein an­ge­se­he­ner

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