Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant

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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant Gesammelte Werke bei Null Papier

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Of­fi­zie­res.

      »Das … das … das ist nicht wahr, ver­stehst Du! Die fran­zö­si­schen Frau­en be­kommt Ihr nicht!«

      Er setz­te sich und schüt­tel­te sich vor La­chen.

      »Die Klei­ne ist wirk­lich naiv,« stam­mel­te er. »Zu was bist Du denn sonst hier, mein Schatz?«

      An­fangs schwieg sie fas­sungs­los, weil sie in ih­rer Ver­wir­rung den Sinn sei­ner Wor­te nicht ver­stand. Dann aber, als sie sei­ne Fra­ge be­grif­fen hat­te, schrie sie ihm em­pört ins Ge­sicht.

      »Ich … ich? … Ich bin kei­ne Frau, ich bin eine Dir­ne. So eine ist ge­ra­de gut ge­nug für Euch Preus­sen!«

      Kaum hat­te sie aus­ge­spro­chen, als er ihr mit vol­ler Kraft eine Ohr­fei­ge ver­setz­te. Als er aber dann sinn­los vor Wut zu ei­nem zwei­ten Schla­ge aus­hol­te, er­griff sie vom Ti­sche ein Des­sert­mes­ser mit sil­ber­ner Klin­ge und stiess es ihm in den Hals, ge­nau in die Höh­lung, wo die Brust an­setzt. Das voll­zog sich so schnell, dass man es kaum ge­wahr wur­de.

      Ein Wort, das er ge­ra­de noch spre­chen woll­te, blieb ihm im Hal­se ste­cken. Zit­ternd sass er da, mit ei­nem furcht­ba­ren Blick im Auge.

      Alle sties­sen einen lau­ten Schrei aus und spran­gen wirr durch­ein­an­der. Aber Ra­hel warf dem Lieu­ten­ant Otto ih­ren Stuhl zwi­schen die Bei­ne, dass er der Län­ge nach hin­fiel. Dann lief sie an’s Fens­ter, riss es auf, und ehe man ihr fol­gen konn­te, hat­te sie sich hin­aus­ge­schwun­gen in die fins­te­re Nacht, in den im­mer noch strö­men­den Re­gen.

      Mam­sell Fifi war nach zwei Mi­nu­ten tot. Da grif­fen Schön­burg und Groß­ling nach ih­ren Waf­fen, um die Wei­ber nie­der­zu­ste­chen. Nur mit Mühe konn­te der Ma­jor ein Blut­bad ver­hin­dern. Er ließ die vier be­stürz­ten Mäd­chen un­ter Be­wa­chung von zwei Mann in ein Zim­mer sper­ren. Dann ver­teil­te er sei­ne Leu­te wie zum Ge­fecht, und ord­ne­te die Ver­fol­gung der Flüch­ti­gen an, die er si­cher zu er­wi­schen hoff­te.

      Fünf­zig Mann wur­den mit den strengs­ten Be­feh­len in den Park ge­sandt. Zwei­hun­dert an­de­re soll­ten die Ge­höl­ze und alle Häu­ser des Ta­les durch­su­chen.

      Der in ei­nem Au­gen­bli­cke ab­ge­deck­te Tisch diente jetzt als To­ten­bett, und die vier Of­fi­zie­re blie­ben er­nüch­tert, starr, mit erns­ter Dienst­mie­ne am Fens­ter ste­hen und lausch­ten in die Nacht hin­aus.

      Der hef­ti­ge Re­gen ström­te wei­ter. Ein un­aus­ge­setz­tes Plät­schern hall­te durch die Fins­ter­nis, ein lei­ses Mur­meln von nie­der­rau­schen­dem, ab­flies­sen­dem, trop­fen­dem und zu­rück­sprü­hen­dem Was­ser.

      Plötz­lich fiel ein Schuss, dann weit ent­fernt ein zwei­ter; und so hör­te man vier Stun­den lang hier und dort bald nä­her, bald ent­fern­ter Schüs­se fal­len, Sam­mel­ru­fe, selt­sa­me Wor­te, die wie ein An­ruf aus tiefer Brust klan­gen.

      Ge­gen Mor­gen rück­te al­les wie­der ein. Zwei Sol­da­ten wa­ren bei dem Ei­fer der Ver­fol­gung und der Über­stür­zung die­ser nächt­li­chen Jagd von den ei­ge­nen Ka­me­ra­den er­schos­sen wor­den; drei wei­te­re wa­ren ver­wun­det.

      Aber Ra­hel hat­te man nicht ent­de­cken kön­nen.

      Nun wur­den die Be­woh­ner be­droht, in den Häu­sern das obers­te zu un­terst ge­kehrt, die gan­ze Ge­gend durch­streift und ab­ge­trie­ben. Ver­ge­bens! Die Jü­din schi­en bei ih­rer Flucht nicht die lei­ses­te Spur hin­ter­las­sen zu ha­ben.

      Auf die er­folg­te Mel­dung hin be­fahl der Ge­ne­ral die Sa­che nie­der­zu­schla­gen, um der Ar­mee kein schlech­tes Bei­spiel zu ge­ben. Der Ma­jor er­hielt eine Dis­zi­pli­nar­stra­fe und be­straf­te sei­ner­seits wie­der sei­ne Un­ter­ge­be­nen. Man führt nicht Krieg um Kurzweil zu trei­ben und sich mit öf­fent­li­chen Dir­nen zu amü­sie­ren,« hat­te der Ge­ne­ral ge­schrie­ben; und der Graf Farls­berg, zor­nig über die­sen Ver­weis, be­schloss, sich an den Ein­woh­nern zu rä­chen.

      Um einen pas­sen­den Vor­wand zu fin­den, ließ er den Pfar­rer ru­fen und be­fahl ihm, beim Be­gräb­nis des Frei­herrn von Ey­rich, die Glo­cke läu­ten zu las­sen.

      Wi­der Er­war­ten füg­te sich der Pfar­rer ganz un­ter­wür­fig und war zu al­lem be­reit. Und als Mam­sell Fi­fi’s ent­seel­ter Kör­per un­ter dem Ge­leit von Sol­da­ten mit ge­la­de­nem Ge­wehr Schloss Uville ver­liess, um zum Kirch­hof ge­bracht zu wer­den, ließ die Glo­cke zum ers­ten Male ihr fei­er­li­ches To­ten­ge­läu­te er­tö­nen. Fast hei­ter hall­ten ihre Töne, als ob eine freund­li­che Hand sie ge­strei­chelt hät­te.

      Abends er­klang sie wie­der und am an­de­ren Mor­gen eben­so; kei­nen Tag setz­te sie jetzt mehr aus. So oft man nur woll­te, er­tön­te sie. So­gar nachts manch­mal setz­te sie sich ganz von selbst in Be­we­gung und tat lang­sam zwei oder drei Schlä­ge in der Fins­ter­nis. Es war als ob sie, er­wacht ohne zu wis­sen wo­durch, von ei­ner selt­sa­men Freu­de er­grif­fen wäre. Die Dorf­be­woh­ner glaub­ten ein­stim­mig, sie sei ver­hext, und nie­mand aus­ser dem Pfar­rer und dem Mess­ner, wag­te sich nach dem Glock­en­tur­me zu nä­hern.

      Da dro­ben aber leb­te ein ar­mes Mäd­chen in Not und Angst, wel­ches die bei­den Män­ner heim­lich dort ver­sorg­ten.

      Sie blieb dort bis zum Ab­zug der deut­schen Trup­pen. Dann lieh sich ei­nes Abends der Pfar­rer den Korb­wa­gen des Bäckers und brach­te sel­ber sei­nen Schütz­ling bis an die Tore von Rou­en. Dort an­ge­kom­men nahm er mit ei­ner vä­ter­li­chen Umar­mung von ihr Ab­schied. Sie stieg vom Wa­gen und schritt has­tig dem öf­fent­li­chen Hau­se zu, des­sen In­ha­be­rin sie längst für tot ge­hal­ten hat­te.

      Ein vor­ur­teils­frei­er Pa­tri­ot, der sie an­fangs we­gen ih­rer schö­nen Tat und spä­ter um ih­rer selbst wil­len lieb­ge­won­nen hat­te, nahm sie ei­ni­ge Zeit dar­auf von dort her­aus und hei­ra­te­te sie. Sie wur­de eine Dame und ge­noss ihr An­se­hen so gut wie vie­le an­de­re.

      *

      Meh­re­re Tage hin­ter­ein­an­der wa­ren die Über­res­te der ge­schla­ge­nen Ar­mee durch die Stadt ge­zo­gen. Eine Trup­pe konn­te man das schon nicht mehr nen­nen, son­dern höchs­tens eine zü­gel­lo­se Hor­de. Den Bart lang und schmut­zig, die Uni­form zer­fetzt, ohne Fah­nen, ohne Ord­nung zo­gen die Leu­te in läs­si­ger Hal­tung da­hin. Alle schie­nen von der Übe­r­an­stren­gung er­mat­tet, kei­nes Ge­dan­kens, kei­ner Ent­sch­lies­sung fä­hig, nur noch aus Ge­wohn­heit wei­ter zu mar­schie­ren; so­bald Halt ge­macht wur­de, san­ken sie vor Er­mü­dung um. Sie be­stan­den in der Haupt­sa­che aus Mo­bil­gar­den, fried­li­chen Leu­ten, harm­lo­sen Spiess­bür­gern, die un­ter der Last des Ge­weh­res zu­sam­men­knick­ten, klei­nen mun­tren Schwät­zern, zum Bra­mar­ba­sie­ren und je­der Art von Be­geis­te­rung gern ge­neigt, eben­so be­reit zum An­griff wie zur Flucht. Dar­un­ter be­merk­te man dann

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