Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
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Von da an werden Sie von früh bis Abend gequält und geärgert; die Frau hat für nichts ein Verständnis, weiß von nichts, plappert ohne Unterlass, singt bis zur Verzweiflung das Lied der Musette (Ach das Lied der Musette, welch eine Qual!) streitet sich mit dem Kohlenhändler, erzählt der Hausmeisterin alle Geheimnisse des Haushalts, vertraut dem Dienstmädchen des Nachbarn alle Vorgänge im Schlafzimmer an, stürzt den Gatten bei sämtlichen Lieferanten in Schulden, und hat den Kopf so voll Schrullen, voll blödsinnigen Ideen, haarsträubenden Ansichten, und albernen Vorurteilen, dass man vor Verzweiflung weinen könnte. Ja, mein Herr! Ich habe geweint, jedes Mal schliesslich wenn ich mit ihr sprach.«
Er schwieg und schöpfte sichtlich erregt tief Atem. Ich sah ihn an voll Mitleid mit diesem armen harmlosen Teufel, und wollte ihm gerade etwas antworten, als das Dampfschiff anhielt. Wir waren in Saint Cloud.
Das junge Mädchen, dessen Anblick mich so erregt hatte, stand auf um abzusteigen. Sie ging nahe an mir vorüber und warf mir einen Blick zu, mit einem flüchtigen Lächeln, jenem Lächeln, das einen närrisch machen kann.
Ich wollte vorstürzen um ihr zu folgen; aber mein Begleiter hielt mich an der Hand fest. Mit einer heftigen Bewegung riss ich mich los. Da griff er mich an meine Rockschösse und zog mich zurück, wobei er immerfort rief: »Sie dürfen nicht gehen; Sie dürfen nicht!« und zwar mit so lauter Stimme, dass sich alles nach uns umwandte.
Ein Gelächter erhob sich ringsum und ich stand festgewurzelt, wütend, aber mutlos gegenüber der Furcht vor dieser lächerlichen Szene.
Das Dampfschiff fuhr weiter.
Das junge Mädchen war auf der Landungsbrücke stehen geblieben und sah mit enttäuschter Miene, wie ich weiterfuhr. Mein Begleiter aber rieb sich vergnügt die Hände und flüsterte mir ins Ohr:
»Ich habe Ihnen wirklich einen trefflichen Dienst erwiesen. Lassen Sie es nur gut sein.«
*
Mamsell Fifi
Schloss Uville in der Normandie hatte seit drei Monaten preussische Einquartierung. In dem Kamine eines eleganten Zimmers brannte ein lustiges Feuer. Vor demselben lehnte, in einem Sessel behaglich ausgestreckt, der Detachements-Kommandeur Major Graf Farlsberg und studierte die neuesten Zeitungen und Briefschaften, die ihm sein Büroschreiber kurz zuvor gebracht hatte. Seine bespornten Stiefel ruhten auf dem prächtigen Marmor, mit dem der Herd eingefasst war und in dessen glatter Fläche sie allmählich zwei tiefe Rillen eingekratzt hatten.
Neben ihm auf einem eingelegten Tischchen dampfte eine Tasse Kaffee. Das zierliche Möbelstück trug jetzt die Spuren von verschüttetem Kognak, Brandflecken von rücksichtslos zur Seite gelegten Zigarrenstummeln und Kritzer von dem Federmesser des feindlichen Offiziers, der gelegentlich auch mit dem gespitzten Bleistift irgend ein Wort oder eine Zahl, die ihm gerade einfielen, darauf einzugraben pflegte.
Nachdem der Graf mit seiner Lesung zu Ende war, erhob er sich und warf einige Stücke grünes Holz auf das Feuer. Die Herren Preussen lichteten nämlich zur Beschaffung von Brennmaterial allmählich den herrlichen Holzbestand des Parkes.
Der Regen floss in Strömen, ein echt normännischer Regen, spritzend, peitschend, alles durcheinander; wie von rasender Hand im Zickzack ausgeschüttet, bildete eine Art schräggestreiften Vorhang. Nur in der Umgebung von Rouen, dieser Kloake Frankreichs konnte ein solcher Regen fallen.
Lange betrachtete der Offizier die durchweichten Rasenflächen und weiter unten die hochangeschwollene ihre Ufer überflutende Andelle, während er den neuesten Rhein-Walzer auf den Scheiben trommelte. Ein Geräusch an der Türe veranlasste ihn, sich umzuwenden. Es war der Hauptmann Baron Helfenstein nach dem Kommandeur, der rangälteste Offizier, der soeben eintrat.
Der Major war ein breitschultriger Riese, mit einem fächerartigen über der Brust herabwaltenden Barte. Seine hohe Gestalt mit der feierlichen Haltung erweckte unwillkürlich die Vorstellung von einem kriegerischen Pfau, der den breiten Schweif unter dem Kinn entfaltet hat. Er hatte blaue Augen und einen ruhigen Blick. Quer über die rechte Wange lief eine Säbelnarbe, ein Andenken aus dem österreichischen Feldzuge. Es heisst, er sei ein eben so wackrer Mensch wie tapfrer Offizier.
Der Hauptmann war ein kurz untersetzter rötlich aufgedunsener stark geschnürter Mann, dessen flammender kurz geschnittener Bart bei einer gewissen Beleuchtung den Eindruck erweckte, als sei das Gesicht mit Phosphor eingerieben. Er hatte bei irgend einer leichtsinnigen Gelegenheit, daran er selbst sich nicht mehr genau erinnern konnte, zwei Zähne verloren. Infolge dessen stiess er die Worte etwas undeutlich hervor, sodass man ihn zuweilen kaum verstehen konnte. Auf seinem Haupte sah es ziemlich kahl aus; er trug eine große Platte wie ein Mönch, die von einem Kranz goldlockiger glänzender Härchen eingefasst war.
Der Kommandeur schüttelte ihm die Hand, und trank auf einen Zug seine Kaffeetasse (die sechste seit dem Morgen) aus, während er den Rapport über die neuesten dienstlichen Vorkommnisse entgegennahm. Dann traten beide wieder an das Fenster, um ihrem Unmute über die Witterung Luft zu machen. Der Major, ein ruhiger Mann, der zu Hause Weib und Kind hatte, wusste sich leicht in alles zu finden; aber der Hauptmann war ein echter Lebemann, der dem Bachus wie der Venus gleich eifrig diente und jeder Schürze nachjagte, war ausser sich, dass er nun schon drei Monate auf diesem verlorenen Posten der Enthaltsamkeit pflegen musste.
Es klopfte, und auf das »Herein« des Majors erschien ein Mann in der Türe, einer ihrer automatischen Soldatenfiguren, um durch seine blosse Anwesenheit zu melden, dass das Frühstück bereit sei.
Im Speisezimmer fanden sie die drei Subaltern-Offiziere: Den Premierlieutenant Otto von Großling und die zwei Sekondelieutenants Fritz Schönburg und Wilhelm Freiherr von Eyrich. Letzterer war ein kleiner Blondkopf, derb und roh mit seinen eigenen Leuten, hart gegen die Besiegten und explosiv von Charakter