Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant

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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant Gesammelte Werke bei Null Papier

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wol­len Sie, mein Herr; man ist Be­am­ter, al­lein in der Welt, ohne Fa­mi­lie, ohne Be­ra­ten. Man bil­det sich ein, das Le­ben mit ei­ner Frau müs­se pa­ra­die­sisch sein. Und man hei­ra­tet drauf los!

      Von da an wer­den Sie von früh bis Abend ge­quält und ge­är­gert; die Frau hat für nichts ein Ver­ständ­nis, weiß von nichts, plap­pert ohne Un­ter­lass, singt bis zur Verzweif­lung das Lied der Mu­set­te (Ach das Lied der Mu­set­te, welch eine Qual!) strei­tet sich mit dem Koh­len­händ­ler, er­zählt der Haus­meis­te­rin alle Ge­heim­nis­se des Haus­halts, ver­traut dem Dienst­mäd­chen des Nach­barn alle Vor­gän­ge im Schlaf­zim­mer an, stürzt den Gat­ten bei sämt­li­chen Lie­fe­ran­ten in Schul­den, und hat den Kopf so voll Schrul­len, voll blöd­sin­ni­gen Ide­en, haar­sträu­ben­den An­sich­ten, und al­ber­nen Vor­ur­tei­len, dass man vor Verzweif­lung wei­nen könn­te. Ja, mein Herr! Ich habe ge­weint, je­des Mal schliess­lich wenn ich mit ihr sprach.«

      Er schwieg und schöpf­te sicht­lich er­regt tief Atem. Ich sah ihn an voll Mit­leid mit die­sem ar­men harm­lo­sen Teu­fel, und woll­te ihm ge­ra­de et­was ant­wor­ten, als das Dampf­schiff an­hielt. Wir wa­ren in Saint Cloud.

      Das jun­ge Mäd­chen, des­sen An­blick mich so er­regt hat­te, stand auf um ab­zu­stei­gen. Sie ging nahe an mir vor­über und warf mir einen Blick zu, mit ei­nem flüch­ti­gen Lä­cheln, je­nem Lä­cheln, das einen när­risch ma­chen kann.

      Ich woll­te vor­stür­zen um ihr zu fol­gen; aber mein Beglei­ter hielt mich an der Hand fest. Mit ei­ner hef­ti­gen Be­we­gung riss ich mich los. Da griff er mich an mei­ne Rock­schös­se und zog mich zu­rück, wo­bei er im­mer­fort rief: »Sie dür­fen nicht ge­hen; Sie dür­fen nicht!« und zwar mit so lau­ter Stim­me, dass sich al­les nach uns um­wand­te.

      Ein Ge­läch­ter er­hob sich rings­um und ich stand fest­ge­wur­zelt, wü­tend, aber mut­los ge­gen­über der Furcht vor die­ser lä­cher­li­chen Sze­ne.

      Das Dampf­schiff fuhr wei­ter.

      Das jun­ge Mäd­chen war auf der Lan­dungs­brücke ste­hen ge­blie­ben und sah mit ent­täusch­ter Mie­ne, wie ich wei­ter­fuhr. Mein Beglei­ter aber rieb sich ver­gnügt die Hän­de und flüs­ter­te mir ins Ohr:

      »Ich habe Ih­nen wirk­lich einen treff­li­chen Dienst er­wie­sen. Las­sen Sie es nur gut sein.«

      *

      Schloss Uville in der Nor­man­die hat­te seit drei Mo­na­ten preus­si­sche Ein­quar­tie­rung. In dem Ka­mi­ne ei­nes ele­gan­ten Zim­mers brann­te ein lus­ti­ges Feu­er. Vor dem­sel­ben lehn­te, in ei­nem Ses­sel be­hag­lich aus­ge­streckt, der De­ta­che­ments-Kom­man­deur Ma­jor Graf Farls­berg und stu­dier­te die neues­ten Zei­tun­gen und Brief­schaf­ten, die ihm sein Bü­roschrei­ber kurz zu­vor ge­bracht hat­te. Sei­ne be­sporn­ten Stie­fel ruh­ten auf dem präch­ti­gen Mar­mor, mit dem der Herd ein­ge­fasst war und in des­sen glat­ter Flä­che sie all­mäh­lich zwei tie­fe Ril­len ein­ge­kratzt hat­ten.

      Ne­ben ihm auf ei­nem ein­ge­leg­ten Tisch­chen dampf­te eine Tas­se Kaf­fee. Das zier­li­che Mö­bel­stück trug jetzt die Spu­ren von ver­schüt­te­tem Ko­gnak, Brand­fle­cken von rück­sichts­los zur Sei­te ge­leg­ten Zi­gar­ren­stum­meln und Krit­zer von dem Fe­der­mes­ser des feind­li­chen Of­fi­ziers, der ge­le­gent­lich auch mit dem ge­spitz­ten Blei­stift ir­gend ein Wort oder eine Zahl, die ihm ge­ra­de ein­fie­len, dar­auf ein­zu­gra­ben pfleg­te.

      Nach­dem der Graf mit sei­ner Le­sung zu Ende war, er­hob er sich und warf ei­ni­ge Stücke grü­nes Holz auf das Feu­er. Die Her­ren Preus­sen lich­te­ten näm­lich zur Be­schaf­fung von Brenn­ma­te­ri­al all­mäh­lich den herr­li­chen Holz­be­stand des Par­kes.

      Der Re­gen floss in Strö­men, ein echt nor­män­ni­scher Re­gen, sprit­zend, peit­schend, al­les durch­ein­an­der; wie von ra­sen­der Hand im Zick­zack aus­ge­schüt­tet, bil­de­te eine Art schräg­ge­streif­ten Vor­hang. Nur in der Um­ge­bung von Rou­en, die­ser Kloa­ke Frank­reichs konn­te ein sol­cher Re­gen fal­len.

      Lan­ge be­trach­te­te der Of­fi­zier die durch­weich­ten Ra­sen­flä­chen und wei­ter un­ten die hoch­an­ge­schwol­le­ne ihre Ufer über­flu­ten­de An­del­le, wäh­rend er den neues­ten Rhein-Wal­zer auf den Schei­ben trom­mel­te. Ein Geräusch an der Türe ver­an­lass­te ihn, sich um­zu­wen­den. Es war der Haupt­mann Baron Hel­fen­stein nach dem Kom­man­deur, der rangäl­tes­te Of­fi­zier, der so­eben ein­trat.

      Der Ma­jor war ein breit­schult­ri­ger Rie­se, mit ei­nem fä­cher­ar­ti­gen über der Brust her­ab­wal­ten­den Bar­te. Sei­ne hohe Ge­stalt mit der fei­er­li­chen Hal­tung er­weck­te un­will­kür­lich die Vor­stel­lung von ei­nem krie­ge­ri­schen Pfau, der den brei­ten Schweif un­ter dem Kinn ent­fal­tet hat. Er hat­te blaue Au­gen und einen ru­hi­gen Blick. Quer über die rech­te Wan­ge lief eine Sä­bel­nar­be, ein An­den­ken aus dem ös­ter­rei­chi­schen Feld­zu­ge. Es heisst, er sei ein eben so wack­rer Mensch wie tapf­rer Of­fi­zier.

      Der Haupt­mann war ein kurz un­ter­setz­ter röt­lich auf­ge­dun­se­ner stark ge­schnür­ter Mann, des­sen flam­men­der kurz ge­schnit­te­ner Bart bei ei­ner ge­wis­sen Be­leuch­tung den Ein­druck er­weck­te, als sei das Ge­sicht mit Phos­phor ein­ge­rie­ben. Er hat­te bei ir­gend ei­ner leicht­sin­ni­gen Ge­le­gen­heit, dar­an er selbst sich nicht mehr ge­nau er­in­nern konn­te, zwei Zäh­ne ver­lo­ren. In­fol­ge des­sen stiess er die Wor­te et­was un­deut­lich her­vor, so­dass man ihn zu­wei­len kaum ver­ste­hen konn­te. Auf sei­nem Haup­te sah es ziem­lich kahl aus; er trug eine große Plat­te wie ein Mönch, die von ei­nem Kranz gold­lo­cki­ger glän­zen­der Här­chen ein­ge­fasst war.

      Der Kom­man­deur schüt­tel­te ihm die Hand, und trank auf einen Zug sei­ne Kaf­fee­tas­se (die sechs­te seit dem Mor­gen) aus, wäh­rend er den Rap­port über die neues­ten dienst­li­chen Vor­komm­nis­se ent­ge­gen­nahm. Dann tra­ten bei­de wie­der an das Fens­ter, um ih­rem Un­mu­te über die Wit­te­rung Luft zu ma­chen. Der Ma­jor, ein ru­hi­ger Mann, der zu Hau­se Weib und Kind hat­te, wuss­te sich leicht in al­les zu fin­den; aber der Haupt­mann war ein ech­ter Le­be­mann, der dem Ba­chus wie der Ve­nus gleich eif­rig diente und je­der Schür­ze nach­jag­te, war aus­ser sich, dass er nun schon drei Mo­na­te auf die­sem ver­lo­re­nen Pos­ten der Ent­halt­sam­keit pfle­gen muss­te.

      Es klopf­te, und auf das »He­rein« des Ma­jors er­schi­en ein Mann in der Türe, ei­ner ih­rer au­to­ma­ti­schen Sol­da­ten­fi­gu­ren, um durch sei­ne blos­se An­we­sen­heit zu mel­den, dass das Früh­stück be­reit sei.

      Im Spei­se­zim­mer fan­den sie die drei Su­bal­tern-Of­fi­zie­re: Den Pre­mier­lieu­ten­ant Otto von Groß­ling und die zwei Se­kon­de­lieu­ten­ants Fritz Schön­burg und Wil­helm Frei­herr von Ey­rich. Letz­te­rer war ein klei­ner Blond­kopf, derb und roh mit sei­nen ei­ge­nen Leu­ten, hart ge­gen die Be­sieg­ten und ex­plo­siv von Cha­rak­ter

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