Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
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Im Speisezimmer war es indessen kaum mehr zum Aushalten, denn eine ungeheure Dampfwolke war durch die offene Saaltüre gedrungen und hatte sich mit dem Tabakrauche vermischt. Der Major öffnete das Fenster und alle Offiziere, die zu einem letzten Glase Cognak zurückgekehrt waren, eilten dorthin.
Die feuchte Luft drang in das Zimmer und führte eine Art Wasserstaub mit sich, der die Bärte der Offiziere nässte, während sie begierig den Duft der überschwemmten Fluren einsogen. Sie betrachteten die großen Bäume, die sich unter ihrer Regenlast beugten, das weite Tal, welches bei diesem Erguss der dunklen niedrigen Wolken förmlich dampfte, und den Kirchturm in der Ferne, dessen graue Spitze sich dunkel von dem Regenschleier abhob.
Seit ihrer Ankunft hatten die Glocken desselben nicht mehr geläutet. Dies war aber auch das einzige Zeichen von Widerstand, dem die Eindringlinge seitens der Bewohner der Umgegend begegnet waren. Der Pfarrer hatte sich niemals geweigert, preussische Soldaten bei sich aufzunehmen und zu verpflegen; er hatte sogar mehrmals der Einladung zu einer Flasche Bier oder Bordeaux beim feindlichen Kommandeur entsprochen, der sich öfters seiner wohlwollenden Vermittlung bedient hatte. Nur um eins durfte man ihn nicht ersuchen, die Glocken zu läuten; lieber hätte er sich erschiessen lassen. Dies war so seine Art, gegen den Einfall der Preussen zu protestieren; ein stillschweigender Protest, der einzige, wie er zu sagen pflegte, der dem Priester als Mann des Friedens zukäme. Und auf zehn Meilen in der Kunde rühmte alle Welt die Festigkeit und den Heldenmut des Abbé Chantavoine, der es wagte, den Schmerz des Volkes in dieser Weise zu verkünden, ihm durch den stummen Widerstand seiner Kirche Ausdruck zu verleihen. Das ganze Dorf, begeistert durch diesen Widerstand, wäre bereit gewesen, seinen Hirten bis zum Äussersten zu unterstützen; denn es betrachtete diesen stummen Widerstand wie eine Rettung der nationalen Ehre. Es schien den Landleuten, dass sie sich hierdurch ebenso um’s Vaterland verdient gemacht hätten, wie Belfort oder Strassburg; dass sie ein ebenso glänzendes Beispiel gegeben und den Namen ihres Dorfes unsterblich gemacht hätten. Mit Ausnahme des Glockengeläutes verweigerten sie den preussischen Siegern nichts.
Der Kommandant und seine Offiziere lachten herzlich über diesen Widerstand; und da im Übrigen das ganze Land sich entgegenkommend und gefällig zeigte, so duldeten sie gern diesen stummen Beweis von Patriotismus.
Nur der kleine Freiherr von Eyrich hätte gar zu gern das Läuten der Glocke erzwungen. Er ärgerte sich über die höfliche Rücksichtnahme seines Vorgesetzten gegenüber dem Priester. Jeden Tag bat er den Major ihn doch einmal »Bim Bam« machen zu lassen, nur ein einziges kleines Weilchen, um doch einmal ein wenig lachen zu können. Er erbat sich das mit katzenartiger Schmeichelei, mit der Koketterie eines Weibes, mit der süssen Sprache einer durch Eifersucht gepeinigten Buhlerin. Aber der Major blieb unerbittlich und Mamsell Fifi legte, um sich zu entschädigen im Schlosse dann eine kleine Mine.
Die fünf Herren standen so einige Minuten mit Behagen die feuchte Luft einatmend zusammen am Fenster. Endlich sagte der Lieutenant Fritz mit mattem Lächeln: »Die Damen haben entschieden kein gutes Reisewetter.« Dann trennte man sich und jeder ging seinem Dienste nach. Der Hauptmann hatte alle Hände voll zu tun, um mit seinen Vorbereitungen für das Souper fertig zu werden.
Als sie sich bei sinkender Nacht wieder zusammenfanden brachen sie insgesamt in lautes Gelächter aus. Jeder musterte den anderen, wie er sich fein gemacht hatte und nun in tadellosester Toilette dastand wie am Abend eines Garnisonsballes. Selbst die Haare des Herrn Major schienen weniger grau wie am Morgen, und der Herr Hauptmann hatte sich rasiert, sodass nur sein Schnurrbart wie eine rote Flamme unter seiner Nase hervorstarrte.
Trotz des Regens hatte man das Fenster offen gelassen und alle Augenblicke lauschte einer von ihnen in die Nacht hinaus. Zehn Minuten nach sechs verkündete der Major fernes Wagengerassel. Alle stürzten vor, und bald sah man den großen Wagen heranrollen. Die Pferde waren immer noch in Galopp und beim Scheine der Laternen konnte man beobachten, dass sie über und über mit Kot bespritzt waren, während ein heisser Dampf von ihren zitternden Flanken aufstieg.
Unter der großen Plane krochen fünf Frauenzimmer hervor, fünf hübsche Kinder, mit Sorgfalt von einem Freunde des Hauptmanns ausgewählt, dem der Quartiermeister ein Billet desselben überbracht hatte.
In der Voraussicht guter Bezahlung hatten sie sich nicht lange bitten lassen. Sie kannten übrigens ja nun die »Prussiens« seit den drei Monaten, wo sie in der Gegend waren und zogen ihren Vorteil von den Menschen, wie es gerade kam. »Das Geschäft bringt das mit sich«, sagten sie sich unterwegs, um sich gewissermassen vor einem letzten Rest ihres eigenen Gewissens zu entschuldigen.
Man führte sie sofort in den Speisesaal. Derselbe machte mit seiner Verwüstung bei Licht einen noch traurigeren Eindruck, wie am Tage. Der Tisch war mit Speisen, Flaschen und Gläsern sowie mit dem inzwischen entdeckten Silberschatze reich beladen und das Ganze glich der Herberge von Banditen, die sich nach einem glücklichen Raubzug gütlich tun. Der Hauptmann bemächtigte sich als ein in solchen Dingen erfahrener Mann sofort der Mädchen, indem er sie mit den Augen mass, sie küsste, sie beroch und auf ihren Wert als Dirnen schätzte. Als die drei jüngeren Herren sich jeder eine nehmen wollten, wehrte er es ihnen nachdrücklich und behielt sich die Verteilung vor, die streng nach Recht und Gerechtigkeit dem Range gemäss erfolgen sollte, um nur ja nicht die militärische Disziplin zu verletzen.
Dann stellte er sie um jeden Zank und Streit und jeden Verdacht der Parteilichkeit zu vermeiden, der Grösse nach nebeneinander auf und fragte, einen befehlenden Ton anschlagend die grösste von ihnen: »Dein Name?«
»Pamela« antwortete diese mit kräftiger Stimme.
»Nummer eins, genannt Pamela«, erklärte er hierauf mit lauter Stimme »kommandiert zum Herrn Major.«
Nachdem er hierauf »Blondine«, die zweite geküsst hatte, zum Zeichen, dass sie ihm gehöre, teilte er dem Lieutenant Otto die dicke »Amanda« zu, dem Sekondelieutenant Fritz »Eva, genannt der Liebesapfel«, und dem zarten Wilhelm von Eyrich dem jüngsten Offizier die kleinste von