Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
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Читать онлайн книгу Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant страница 285
Trotz meines Drängens weigerte er sich, mir vor dem Essen irgendwelchen Aufschluss zu geben. Ich sah ihm jedoch an, dass es sich um eine ernste Sache handle. Um doch noch etwas zu sagen fragte ich:
»Und wie steht’s mit dem Wild?«
»Ah, was das betrifft, da gibts genug! Sie werden alles nach Wunsch finden. Ich habe Gott sei Dank die Augen auf gehabt.«
Er sagte dies mit solchem Ernst, mit solchem trüben Ernst, dass es beinahe komisch klang. Sein großer grauer Schnurrbart schien von seinen Lippen fallen zu wollen.
Plötzlich fiel mir ein, dass ich seinen Neffen noch nicht gesehen hatte.
»Wo ist denn Marius? Warum lässt er sich nicht sehen?«
Der Waldhüter wurde bestürzt und sah mich scharf an:
»Nun ja, mein Herr! lieber sage ich’s Ihnen doch schon jetzt; ja es ist besser so. Gerade seinetwegen liegt mir etwas auf dem Herzen.«
»Ach so! Nun, wo ist er denn?«
»Im Stall, mein Herr! er muss jeden Augenblick kommen«.
»Was gibt’s denn nun eigentlich mit ihm?«
»Sehen Sie mein Herr …«
Der Waldhüter zögerte noch; seine Stimme veränderte sich und zitterte, sein Gesicht zeigte plötzlich tiefe Falten, die Furchen des Alters, als er langsam fortfuhr:
»Sehen Sie! Ich bemerkte diesen Winter recht gut, dass man im Rosen-Holz Schlingen legte, aber ich konnte den Kerl nicht erwischen. Ich passte fast Nacht für Nacht auf, aber es war Nichts. Und zur selben Zeit fing man auch an, auf der Seite von Ecorcheville Schlingen zu legen. Ich wurde krank vor Ärger. Aber keine Möglichkeit, den Schurken zu erwischen. Man hätte glauben sollen, dass der Lump vorher wüsste, wann und wohin ich ausging.
Aber eines schönen Tages, als ich zufällig Marius seine Hose, die Sonntagshose nämlich, ausbürste, finde ich in der Tasche vierzig Sous. Wo hatte der Bengel die her?
Ich sann gute acht Tage darüber nach, und bemerkte schliesslich, dass er öfters ausging, und zwar dann, wenn ich mich, müde vom Aufpassen, schlafen legte.
Nun hatte ich ein Auge auf ihn, aber immer noch ohne irgendwelche Ahnung, wahrhaftig, ohne eine Ahnung. Und eines Tages legte ich mich vor ihm scheinbar zur Ruhe, stand aber sofort nach seinem Weggehen auf und folgte ihm. Sie wissen, mein Herr, für so ’was gibt es ausser mir keinen Zweiten.
Richtig erwische ich ihn, ja den Marius, wie er auf Ihrem Revier Schlingen stellt, mein Herr, denken Sie, mein, des Waldhüters, Neffe.
Mir stockte das Blut, und fast hätte ich ihn auf der Stelle getötet, so habe ich ihn zerbläut. Ja, ich habe ihn vermöbelt, das können Sie glauben. Und versprochen habe ich ihm, dass er nach Ihrer Ankunft noch extra von mir eine Tracht in Ihrer Gegenwart als warnendes Exempel erhalten würde.
Sehen Sie, ich bin vor Zorn mager geworden; Sie wissen, was es heisst, sich ärgern. Aber was hätten Sie getan, sagen Sie doch? Er hat weder Vater noch Mutter, der Schlingel, er hat nur mich als einzigen Verwandten; ich habe ihn großgezogen und konnte ihn doch nicht gleich zum Teufel jagen, nicht wahr?
Aber passiert’s ihm noch einmal, das hab ich ihm gesagt, dann ist alles aus, alles; es gibt kein Mitleid. Habe ich nicht recht getan, mein Herr?«
»Sehr recht, mein alter Cavalier«, sagte ich, ihm die Hand reichend. »Ihr seid ein wackerer Mann.«
»Sie sind sehr gütig, mein Herr!« sagte er aufstehend. Ich werde ihn jetzt holen. Er hat noch seine Hiebe zu bekommen als warnendes Exempel.«
Da ich wusste, dass es nutzlos gewesen wäre, dem Alten seinen Plan auszureden, so ließ ich ihn nach Belieben handeln.
Er ging also fort, den Rangen zu holen und führte ihn bald darauf bei den Ohren ins Zimmer.
Ich hatte mich mit ernster Richtermiene auf einen Strohsessel niedergelassen.
Marius schien mir grösser geworden, und sah mit seinem bösen tückischen Gesicht noch hässlicher aus wie früher, seine Hände waren unnatürlich groß.
Sein Onkel stiess ihn vor mich hin und sagte mit militärischer Kürze:
»Bitte den Eigentümer um Verzeihung.«
Der Bengel rührte sich nicht.
Da legte ihn der Alte mit seinen nervigen Armen regelrecht übers Knie und züchtigte ihn derartig, dass ich schliesslich aufsprang, um den Hieben Einhalt zu tun.
»Gnade … Gnade … o weh … ich verspreche …« heulte jetzt der Junge.
Cavalier stellte ihn auf die Füsse und zwang ihn durch einen Druck auf die Schultern niederzuknien.
»Bitte um Verzeihung«, sagte er.
»Ich bitte um Verzeihung«, murmelte der Bursch mit niedergeschlagenen Augen.
Hierauf ließ ihn der Alte aufstehen und expedierte ihn mit einem Fusstritt zur Tür hinaus, dass er beinahe mit dem Kopf zuerst die Treppe herunterflog.
Er ließ sich den ganzen Abend nicht wieder sehen. Cavalier aber war immer noch ganz ausser sich.
»Das ist eine Teufels-Natur«, sagte er.
Und während des ganzen Essens wiederholte er stets:
»Ach! wie mich das traurig macht, mein Herr, Sie glauben gar nicht, wie traurig.«
Vergeblich suchte ich ihn zu trösten.
Ich legte mich frühzeitig nieder, um am nächsten Tage beim ersten Morgengrauen auf die Jagd zu gehen.
Mein Hund schlief schon auf dem Boden vor meinem Bette, als ich mein Licht auslöschte.
*
Um Mitternacht erwachte ich durch Bock’s wütendes Gebell. Sofort merkte ich, dass mein Zimmer voll Rauch war. Aus dem Bett springen,