Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant

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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant Gesammelte Werke bei Null Papier

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d’Afri­que, als wir ei­nes Ta­ges hör­ten, dass der Stamm der Ou­led-Berg­hi einen eng­li­schen Rei­sen­den er­mor­det habe. Nie­mand wuss­te, wie der Mann es fer­tig ge­bracht hat­te, in das In­ne­re zu ge­lan­gen; aber die Eng­län­der ha­ben den Teu­fel im Lei­be.

      Ge­rech­tig­keit muss­te nun we­gen die­ses Ver­bre­chens an ei­nem Eu­ro­pä­er ge­übt wer­den; in­des­sen der Ober­kom­man­dant zö­ger­te mit Ab­sen­dung ei­ner Ko­lon­ne, da er einen Eng­län­der viel­leicht so viel Auf­he­bens gar nicht für wert hielt.

      Da plötz­lich mach­te ein Wacht­meis­ter der Spa­his, als der Kom­man­dant noch mit dem Lieu­ten­ant wäh­rend des Rap­ports über die­se An­ge­le­gen­heit sprach, den Vor­schlag, den Stamm zu züch­ti­gen, wenn man ihm nur sechs Mann mit­ge­ben wol­le.

      Sie wis­sen, dass man im Sü­den et­was frei­er ist, als in den städ­ti­schen Gar­ni­so­n­en, und dass zwi­schen Of­fi­zie­ren und Mann­schaf­ten eine Art Ka­me­rad­schaft be­steht, die man sonst nicht kennt.

      Bei den Wor­ten des Wacht­meis­ters lach­te der Ka­pi­tän.

      »Du, mein Bra­ver?«

      »Ja­wohl, mein Ka­pi­tän! Und wenn’s ver­langt wird, füh­re ich Ih­nen den gan­zen Stamm als Ge­fan­ge­ne her.«

      Der Kom­man­dant, der viel auf den Zu­fall gab, nahm ihn beim Wort:

      »Mor­gen früh kannst Du mit sechs Mann Dei­ner Wahl ab­mar­schie­ren, und hol’ Dich der Teu­fel, wenn Du Dein Wort nicht hältst.«

      Der Un­ter­of­fi­zier lach­te in sei­nen Bart:

      »Sei­en Sie un­be­sorgt, mein Kom­man­dant! Spä­tes­tens Mitt­woch Mit­tag sind die Ge­fan­ge­nen hier.«

      Die­ser Wacht­meis­ter, Mo­ham­med Fri­pouil­le, wie wir ihn nann­ten, war ein äus­serst ver­schla­ge­ner Kerl, ein Tür­ke, ein ganz ech­ter, der nach ei­nem viel­be­weg­ten und zwei­fel­los et­was dunklem Le­ben in fran­zö­si­sche Diens­te ge­tre­ten war. Er war viel her­um­ge­kom­men, in Grie­chen­land, Klein­asi­en, Ägyp­ten, Pa­läs­ti­na, und moch­te auf die­sem Wege man­che hüb­sche Ge­schich­te aus­ge­fres­sen ha­ben. Er war ein ech­ter Ba­schi-Bo­zuk, kühn, zü­gel­los, wild und lus­tig, aber von der ru­hi­gen Art der Ori­en­ta­len. Er war dick, sehr dick so­gar, aber ge­wandt wie ein Affe, und ritt ganz vor­züg­lich. Sei­ne un­ver­hält­nis­mäs­sig lan­gen und di­cken Schnurr­bar­ten­den mach­ten auf mich stets den Ein­druck zwei­er ge­kreuz­ter Krumm­sä­bel. Er hass­te die Ara­ber wie die Pest und be­han­del­te sie, wo er konn­te, mit aus­ge­such­ter tücki­scher Grau­sam­keit; stets hat­te er neue Sch­li­che, ir­gend eine raf­fi­nier­te Schlech­tig­keit für sie in Be­reit­schaft.

      Aus­ser­dem be­sass er eine rie­si­ge Kraft und einen ge­ra­de­zu toll­küh­nen Mut.

      »Wäh­le Dir Dei­ne Leu­te aus, mein Bur­sche«, hat­te der Kom­man­dant zu ihm ge­sagt.

      Mo­ham­med wähl­te un­ter an­de­ren mich aus; er hat­te Zu­trau­en zu mir, der Bra­ve, und ich wer­de ihm zeit­le­bens für sei­ne Wahl dank­bar sein, die mir eben­so viel Freu­de mach­te, als spä­ter das Kreuz der Ehren­le­gi­on.

      Am an­de­ren Mor­gen also beim ers­ten Ta­ges­grau­en mar­schier­ten wir Sie­ben ab; es nah­men nur wir Sie­ben Teil. Mei­ne Ka­me­ra­den ge­hör­ten zu je­ner Klas­se von schlim­men Sub­jek­ten, die in der hal­b­en Welt ge­plün­dert und ge­raubt hat­ten, um schliess­lich in ei­ner Frem­den-Le­gi­on Dienst zu neh­men. Un­se­re afri­ka­ni­sche Ar­mee war da­mals voll von die­sen Kerls, aus­ge­zeich­ne­ten Sol­da­ten, aber nicht sehr ge­wis­sen­haft.

      Mo­ham­med hat­te je­dem von uns zehn Stück Strick-En­den von an­nä­hernd ei­nem Me­ter Län­ge mit­ge­ge­ben. Ich trug aus­ser­dem als der Jüngs­te und Leich­tes­te einen großen Strick von un­ge­fähr hun­dert Me­ter Län­ge bei mir. Als wir un­se­ren Füh­rer frag­ten, wozu dies al­les die­nen sol­le, ant­wor­te­te er mit freund­li­chem und ver­schla­ge­nen Lä­cheln:

      »Für den Ara­ber-Fisch­zug.«

      Hier­bei kniff er bos­haft ein Auge zu; eine Al­lu­re, die er von ei­nem al­ten Pa­ri­ser Chas­seur d’Afri­que an­ge­nom­men hat­te.

      Er ritt an der Spit­ze un­se­res klei­nen Zu­ges, auf dem Kop­fe den ro­ten Tur­ban, den er stets im Fel­de trug, und lach­te viel­sa­gend in sei­nen großen Bart.

      Er war in der Tat schön, die­ser große Tür­ke mit sei­nem di­cken Bau­che, den Schul­tern ei­nes Ko­los­ses und sei­ner ru­hi­gen Mie­ne. Sein Pferd war weiß, von mitt­ler­er Fi­gur, aber sehr kräf­tig; äus­ser­lich schi­en al­ler­dings sein Rei­ter zehn Mal zu groß für das Pferd.

      Wir wa­ren in ein klei­nes, stei­ni­ges, nack­tes und ganz gel­bes Tal her­ein­ge­rit­ten, wel­ches in das Tal des Che­lif mün­det, und spra­chen von un­se­rer Ex­pe­di­ti­on. Mei­ne Beglei­ter re­de­ten in al­len mög­li­chen Spra­chen, denn es wa­ren un­ter ih­nen zwei Grie­chen, ein Spa­nier, ein Ame­ri­ka­ner und drei Fran­zo­sen. Mo­ham­med Fri­pouil­le selbst sprach ein tol­les Kau­der­wälsch.

      Die Son­ne, die schreck­li­che Son­ne des Sü­dens, die man jen­seits des Mit­tel­mee­res nicht kennt, brann­te auf un­se­re Schul­tern und wir rit­ten, wie dort üb­lich, im Schritt vor­wärts.

      Den gan­zen Tag mar­schier­ten wir wei­ter ohne einen Baum oder einen Ara­ber zu Ge­sicht zu be­kom­men.

      Mit­tags 1 Uhr hat­ten wir in der Nähe ei­ner klei­nen Quel­le, wel­che aus dem Ge­stein rie­sel­te, Brot und trock­nes Ham­mel­fleisch ge­ges­sen, das wir in den Sat­tel­ta­schen mit­führ­ten, dann mach­ten wir uns nach ei­ner Ru­he­pau­se von zwan­zig Mi­nu­ten neu­er­dings auf den Weg.

      End­lich ge­gen 6 Uhr abends ent­deck­ten wir nach dem end­lo­sen Marsch, den uns un­ser Füh­rer hat­te zu­rück­le­gen las­sen, hin­ter ei­nem Hü­gel einen la­gern­den Stamm. Die nied­ri­gen brau­nen Zel­te war­fen dunkle Schat­ten auf die gel­be Erde, wie große Wüs­ten-Pil­ze, wel­che die heis­se Son­ne am Fus­se des röt­li­chen Hü­gels her­vor­ge­lockt hat­te.

      Es wa­ren die, die wir such­ten. Et­was wei­ter da­von wei­de­ten am Ran­de ei­ner klei­nen dun­kel­grü­nen Flä­che die zu­sam­men­ge­kop­pel­ten Pfer­de.

      »Ga­lopp« rief Mo­ham­med und wie ein Or­kan wa­ren wir plötz­lich mit­ten im La­ger. In großer Ver­wir­rung durch­ein­an­der ren­nend und sich drän­gend wie eine ge­jag­te Her­de, rann­ten die mit wei­ßen flat­tern­den Fet­zen be­deck­ten Frau­en so schnell wie mög­lich den schüt­zen­den Zel­ten zu. Die Män­ner da­ge­gen ka­men von al­len Sei­ten her­bei, um sich zur Ver­tei­di­gung an­zu­schi­cken.

      Wir hat­ten den Sä­bel nach dem Bei­spie­le Mo­ham­meds in der Schei­de be­hal­ten und ga­lop­pier­ten di­rekt auf das gröss­te Zelt, das des Häupt­lings, zu.

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